Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 06.03.2024

«Wir legen grosses Gewicht auf einen respektvollen Umgang»

Neue Geschäftsleitung im Tapetenwechsel

Monika Leutenegger übernimmt neu die Geschäftsführung im Verein Tapetenwechsel, Tageszentrum & Atelier am Schwalbenweg 1 in Frauenfeld. Der Verein Tapetenwechsel führt ein Tageszentrum mit Atelier für Menschen in der zweiten Lebenshälfte mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Tapetenwechsel bietet den Tagesgästen eine Tages-
struktur mit verschiedenen Aktivitäten wie Turnen, Spazieren, Gedächtnistraining und Atelier. Damit werden die Angehörigen der Tagesgäste entlastet.

 

 

Monika Leutenegger, könnten Sie sich kurz vorstellen?


Mein Jahrgang ist 1969, aufgewachsen bin ich in Horgen, bis ich 18 Jahre war, danach in Zumikon ZH. Ich bin seit 28 Jahren verheiratet und habe drei Kinder (20, 24, 26). Ich bin ausgebildete Hauswirtschaftliche Betriebsleiterin HHF. Ich hatte die hauswirtschaftliche Leitung des Altersheims Leimbach inne, die Konviktleitung in Chur zusammen mit meinem Mann, war Amstvormundin, Religionslehrerin, Pflegemutter und Sachbearbeiterin im Pfarreisekretariat. Meine Hobbys sind Lesen, Joggen, Singen im Oratorienchor, Kochen, Wandern. Ich leiste Freiwilligenarbeit beim Solidaritätsnetz Ostschweiz, Regionalgruppe Frauenfeld und bei der Frauengemeinschaft St. Anna.


 


Wie kam es dazu, dass Sie Geschäftsführerin des Vereins Tapetenwechsel wurden?


Die Stelle war ausgeschrieben und das Konzept mit Tageszentrum und Atelier hat mich sofort sehr angesprochen. Es wird grosses Gewicht auf einen respektvollen Umgang miteinander gelegt. Das Thema «Würde» hat für mich eine zentrale Bedeutung. Auch der familiäre Rahmen und die zentrale Lage entsprechen mir sehr.


 


Welche Herausforderungen und Ziele sieht der Verein derzeit?


Die Finanzierung ist eine grosse Herausforderung, da die Kosten steigen, aber die Beiträge der KK und der Gemeinden gleichbleiben. Das Ziel ist, weiterhin ein professionelles Angebot im Kanton Thurgau anzubieten. Dabei möchten wir Menschen unterstützen, die trotz ihrer Beeinträchtigung oder Erkrankung weiterhin zu Hause wohnen möchten.


 


Gibt es bestimmte Erfahrungen oder Ereignisse in Ihrer Vergangenheit, die Ihr Engagement für soziale Themen geprägt haben?


Ich habe nach der Matura Ferienlager für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen mitgeleitet, was mir sehr gefallen hat. Dabei habe ich erlebt, dass – sogar in der reichen Schweiz – nicht alle Menschen gerecht behandelt werden. Das war ein wichtiges Erlebnis für mich, meinen Möglichkeiten entsprechend etwas zu verbessern. Später kamen dann meine Erfahrungen in der Flüchtlingshilfe dazu, die mich sehr stark geprägt haben.


 


Welche aktuellen Herausforderungen sehen Sie im sozialen Bereich, insbesondere im Hinblick auf Ihre Arbeit beim Verein Tapetenwechsel?


Einerseits ist das hohe Alter der Menschen mit sehr verschiedenartigen Erkrankungen sicher eine Herausforderung. Andererseits möchten viele Leute heute möglichst lange zu Hause wohnen. Hinzu kommt dann oft die Einsamkeit, wenn Partner/Partnerin und Bekannte versterben. Das braucht eine gute Organisation und auch eine dementsprechende Finanzierung.


 


Wie plant der Verein, diesen Herausforderungen zu begegnen?


Wir bieten Menschen mit ganz unterschiedlichen Beeinträchtigungen eine Tagesstruktur. Einerseits kommen Menschen mit dementieller oder körperlicher Erkrankung zu uns, die unter anderem Begleitung im Alltag benötigen. Andererseits gehören zu unseren Tagesgästen auch Personen, die an psychischen Erkrankungen leiden und Einsamkeit ein grosses Thema ist. Dank unserem multiprofessionellen Team können wir diese verschiedenen Aspekte gut abdecken.


 


Wie sieht die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Einrichtungen aus, um die Ziele des Vereins zu erreichen?


Es gibt in Frauenfeld und im Thurgau verschiedenen Netzwerke, bei denen wir aktiv teilnehmen. Auch tauschen wir uns mit ähnlichen Organisationen aus und sind Mitglied bei Curaviva, das viele Anlässe organisiert. Einerseits ist es wichtig, dass unser Angebot bei Beratungsstellen bekannt ist, damit dieses vorgestellt werden kann. Andererseits hat zum Beispiel jedes Tageszentrum eine ein wenig unterschiedliche Ausrichtung. Zum Beispiel ist das Tageszentrum Talbach ein geschlossenes Angebot, so dass wir es weglaufgefährdeten Personen empfehlen. Bei uns im Tapetenwechsel haben wir auch Tagesgäste, die keine dementielle Erkrankung haben, so dass das Tageszentrum Talbach bei entsprechenden Anfragen unser Angebot empfiehlt.


 


Können Sie uns Beispiele für Erfolgsgeschichten nennen?


Ein Erfolg ist es natürlich, dass der Tapetenwechsel in den letzten Jahren stetig gewachsen ist und wir eine steigende Zahl an Tagesgästen haben. Dies zeigt, dass unser Angebot geschätzt wird. Auch melden uns viele Angehörige, dass sie sehr froh um unsere Unterstützung sind. Ohne diese müssten viele unserer Tagesgäste in stationäre Institutionen wechseln, was sie oft nicht möchten. Positiv ist es auch, wenn wir Tagesgäste haben, denen es dank uns psychisch besser geht und sie dann unser Angebot weniger häufig nutzen.


 


Wie werden die Menschen vor Ort in die Aktivitäten des Vereins einbezogen?


Im August findet jeweils ein Sommerfest statt, jeden zweitletzten Donnerstag im Monat führen wir ein Erzählcafé durch und dreimal im Jahr bieten wir einen Würdesalon an. Jedes dieser Angebote ist offen für alle Interessierten und kostenlos.  Wir bieten Veranstaltungen innerhalb und ausserhalb der Öffnungszeiten an. So können einerseits Tagesgäste beim Erzählcafé dabei sein, andererseits haben auch berufstätige Personen die Möglichkeit, beispielsweise am Würdesalon unser Menschenbild kennenzulernen. Und wir freuen uns natürlich über alle, die Mitglied bei unserem Verein sind.


 


Welchen Ratschlag würden Sie Menschen geben, die sich für soziale Belange interessieren und sich engagieren möchten?


Ich finde es wichtig, dass man sich zuerst überlegt, über welche Ressourcen man verfügt und in welchem Bereich man sich engagieren möchte. Beispielsweise für Senioren, Flüchtlingshilfe, Kinder, Menschen mit Beeinträchtigung, die Umwelt oder was auch immer. Eine gute Unterstützung dabei kann man vom Dachverband für Freiwilligenarbeit erhalten. Und dann ist es wichtig, sich auf die Bedürfnisse der Menschen einzulassen und alle respekt- und würdevoll zu behandeln.


Thomas Schaffner