Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 31.01.2024

Die Krux mit dem Mindestabstand

Windkraftanlagen beschäftigen nicht nur die Thundorfer Bevölkerung, sondern auch andere Gemeinden im Kanton. Vielfach geht es auch um rechtliche Fragen, was die Sache kompliziert macht, weil Verwaltungsgerichts- oder sogar Bundesgerichtsentscheide her müssen. Was sich zeigt: Mit einem vorgeschriebenen Mindestabstand lässt sich ein Windpark-Projekt wohl nicht verhindern. 

 

 

Die Thundorfer Stimmbevölkerung sagte an einer ausserordentlichen Gemeindeversammlung im Frühling 2023 Ja zu einem Mindestabstand von Windkraftanlagen zu bewohnten Gebieten von 850 Metern (282 Ja zu 137 Nein). Dieser soll im kommunalen Baureglement festgehalten werden. Der Kanton machte aber bereits im Vornherein klar, dass diese Vorschrift nicht genehmigungsfähig sei, weil sie die energierechtlichen Vorgaben des Bundes ausheble. Faktisch würde mit der Abstandsvorschrift von 850 Metern der Bau von Windenergieanlagen im Kanton verunmöglicht. Kürzlich nun erschien ein Urteil des Thurgauer Verwaltungsgerichts betreffend eines von einer Gemeinde verlangten Mindestabstands, das aufhorchen lässt – es betrifft die Gemeinde Wuppenau.


 



Der Fall Wuppenau


Die Thurgauer Gemeinde wollte vom Kanton die revidierte Ortsplanung samt kommunalem Richtplan und Baureglement genehmigen lassen. Darin enthalten: Ein Mindestabstand von 700 Metern von Windkraftanlagen zu Wohngebieten. Der Kanton wies darauf hin, «dass das Kapitel und einzelne der vorgesehenen Bestimmungen für die Windkraftanlagen nicht genehmigungsfähig seien». Die Ortsplanung wurde in der Folge von der Stimmbevölkerung der Gemeinde zwar gutgeheissen, allerdings mit den vier vom Kanton nicht genehmigten Punkten im Baureglement unter «Grosswindanlagen». Neben dem Mindestabstand waren dies ein maximaler Betrachtungswinkel von 18 Grad, der Nachweis der Unschädlichkeit von Infraschallimmissionen und der Mindestabstand von 300 Metern zu Gewässerschutzzonen. Was folgte war im Januar 2023 der Gang mit einer Beschwerde vors Verwaltungsgericht. Das Ergebnis: Die Beschwerde wurde vollumfänglich abgewiesen, da mit solchen Bestimmungen Windkraftanlagen in der Region Wuppenau praktisch verunmöglicht würden.


 



Kein Verhindern auf diesem Weg


«Ein solches Verhindern widerspricht dem kantonalen Richtplan und den nationalen Zielen, die mit dem Energiegesetz des Bundes festgelegt wurden», sagt Thomas Volken, zuständig für Windenergie beim Thurgauer Amt für Energie. Die Gemeinde Wuppenau hat nun am 3. Januar beim Bundesgericht in Lausanne Beschwerde gegen den negativen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons eingereicht. Was bedeutet das nun grundsätzlich für Windkraftanlagen im Kanton und im speziellen Fall für das Projekt auf dem Wellenberg? «Grundsätzlich müssen wir damit rechnen, dass jahrelange Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten drohen. Aus aktuellen Bundesgerichtsentscheiden in ähnlichen Fällen geht aber klar hervor, dass kommunale Mindestabstände die Interessenabwägung nicht aushebeln können, schon gar nicht, wenn es um nationale Nutzungsinteressen geht», so Thomas Volken. Die Wellenberg Wind AG wollte nicht auf die Gerichtsentscheide warten und hat das Projekt entsprechend den Wünschen und Vorgaben der Thundorfer Bevölkerung angepasst. «Natürlich ist diese Reduktion von acht auf sechs und am Ende jetzt drei Anlagen im Hinblick auf die Versorgungssicherheit im Winter schade, aber vielleicht kommt man mit diesem Kompromiss einen Schritt weiter», sagt Thomas Volken dazu.


 


Volk hat letztes Wort


Denn dem Volk muss das Projekt in den Kram passen. Thomas Volken macht klar, dass es grundsätzlich anwendbare Mindestabstände in der schweizerischen Lärmschutzgesetzgebung so gar nicht gebe, weil einerseits bei jedem Projekt die örtlichen Gegebenheiten anders seien und anderseits Lärmgrenzwerte eingehalten werden müssten. Er macht klar: «Wenn die Gemeindebevölkerung aber ein Projekt nicht will und dieses ablehnt, ist es Geschichte». Gegen Ende Jahr soll in Thundorf gemäss Planung der Wellenberg Wind AG über die drei Windräder abgestimmt werden. «Wenn es da zu einem Nein kommt, ist dieser demokratische Entscheid zu akzeptieren. Der Souverän hat auf jeden Fall immer das letzte Wort und trägt damit die Verantwortung. An den demokratischen Prozessen hat die Energiestrategie 2050 des Bundes nichts geändert», sagt Thomas Volken abschliessend.


Michael Anderegg