Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 13.12.2023

Nicolas Senn: «Selbst Routiniers können nie aufs Üben verzichten!»

Der sympathische Potzmusig-Moderator und Hackbrett-Virtuose gibt der Frauenfelder Woche Einblick in sein Schaffen. 

 

 

Handgelenk mal pi seien es rund 200 Potzmusig-Sendungen, die seit 2012 über den Äther gegangen seien, sagt Nicolas Senn im Exklusiv-Interview mit der Frauenfelder Woche. Im Schnitt alle zwei Wochen kamen die Freunde der Volksmusik auf ihre Rechnung. Was es dazu braucht, eine solche Kadenz aufrecht- und durchzuhalten? «Ein Spitzen-Team, sonst ginge gar nichts!», lobt Senn seine Crew. Insbesondere bei Spezialsendungen wie der Weihnachtssendung brauche es einen langen Vorlauf. Senn: «Von den letzten beiden Potzmusig-Weihnachtssendungen her wussten wir: Früh anfangen lohnt sich.» Schliesslich bräuchten die angefragten Formationen genügend Zeit, die oft eigens für diese Sendung ausgewählten Stücke einzuüben. «Als Hackbrettspieler weiss ich, wie wichtig es ist, genügend Zeit für’s Üben zu haben.» Schon im Sommer hätten sie deshalb mit den Formationen die Wahl der Stücke diskutiert – schliesslich wolle das Publikum zu Hause nicht von jeder zweiten Formation «Stille Nacht» intoniert bekommen. Und wann kommt Senn als Moderator ins Spiel? Das Redaktorenteam beliefere ihn jeweils einige Wochen vor den Sendungen mit Informationen zum Ablauf. «Meine individuellen Vorbereitungen fertige ich auf weissem Papier selber aus, so wie einen Spick für die Schule, den man dann gar nicht mehr braucht, weil man alles im Kopf schon gespeichert hat», erläutert Senn. Also kein Teleprompter, bei dem man mit Blick in die Kamera den Text ablesen kann? Unüblich bei den Sendeformaten, bei welchen er dabei sei. Misslinge eine Sequenz bei aufgezeichneten Sendungen, dann schneide man und wiederhole sie. Aber so einfach sei das auch nicht, gerade bei Musiksendungen: «Bei Wiederholungen wird man nicht unbedingt besser, leicht kann man sich dann verkrampfen, wird nervös.» 


 



Minutiöse Übung


Und in Live-Sendungen? Gibt es da eine Art Souffleur wie im Theater? Nein, lacht Senn, gibt aber gleichzeitig Entwarnung: «Bei Live-Sendungen ist man immer zwei, drei Tage am Proben, jeder Schnitt, jeder Wechsel, jede Formation wird minutiös geübt, so kann man Fehlerquellen minimieren.» Als Moderator trage er dann jeweils einen Knopf im Ohr, der ihn mit der Produzentin verbinde.  «Das ist die Herausforderung bei Live-Sendungen, man hat ständig den Kommentar im Ohr.» Senn erinnert sich an Situationen, wo die Produzentin in seinem Ohr sprach, während er sich auf das Gespräch mit seinem Gast konzentrierte: «Am Anfang bin ich da fast aus den Schuhen gefallen.» Aber mittlerweile habe er sich daran gewöhnt.  


 



Gesundes Kribbeln


Lampenfieber? «Ehrlicherweise muss ich sagen: Die Anspannung bei Live-Sendungen ist schon grösser als bei Aufzeichnungen.» Aber auch bei Letzteren fange es zu kribbeln an, wenn man bei der Moderation dreimal einen Hänger habe: «Dann beginnt man sich zu verkrampfen, wie beim Musizieren auch.» Zum Glück sind viele Crew-Mitglieder regelmässig dabei, ein Spitzen-Team; komme dazu, dass er kein nervöser Typ sei und es effektiv geniessen könne. 


Wie viele Stunden ein Vollblut-Musik-Profi wie Nicolas Senn selber übe? «Mein Ziel: Jeden Tag am Hackbrett sein, Minimum eine halbe Stunde!» Was allerdings in der Praxis nicht immer umsetzbar sei. In der Hagschnurer-Schüür in Hüttwilen etwa habe er das Hackbrett nicht dabeigehabt, sondern bereits im Vorfeld ein Stück in einer Weihnachtsbäckerei aufgezeichnet. Sein Aufwand für neue Stücke? «Da arbeite ich über mehrere Monate.» Und ein Trost für alle Musikschülerinnen und -schüler: Selbst Routiniers könnten nie aufs Üben verzichten. Senn: «Auch die talentiertesten Leute üben Stunden und Stunden, die schütteln das nicht aus dem Ärmel.» 


Ob es für Nicolas Senn einen «normalen» Tagesablauf gebe? Er lacht, nein, jeder Tag sei anders, das sei sein riesiges Privileg, er dürfe immer geographisch unterwegs sein und viele herrliche Orte und Menschen kennenlernen. 


Sein schönstes Erlebnis? Gibt es spezifisch nicht, denn: «Dank meines Jobs habe ich das Privileg, alle zwei Wochen ein Live-Privatkonzert zu geniessen, mit den besten Formationen, auch aus dem Ausland!» Und immer wieder herzbewegend: Oft treffe er Musizierende nach Jahren wieder, die als Kinder bei ihm aufgetreten seien, nun oft mit dem eigenen Wagen vorführen und sich enorm entwickelt hätten. 


Zum Schluss des Gesprächs schwärmt Senn nochmals von der Hagschnurer-Schüür in Hüttwilen: «Es lohnt sich, auch nach unserer Sendung mal hinzugehen, sie ist wunderschön renoviert, wir durften von der grossen Gastfreundschaft profitieren.» Und: Er geniesse es immer, auch mit Leuten aus der Region aufzutreten, diesmal mit der Jodelgruppe klancanto, die in der Kirche der Kartause Ittingen für die Sendung gesungen habe. «Sagen Sie Ihren Lesenden: Vormerken, nicht verpassen: ‹Potzmusig Wiehnachte› an Heiligabend um 18.15 Uhr auf SRF 1.»


Thomas Schaffner