Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 18.10.2023

Ende einer Ära mit Kunst-Highlight

Im Kunstmuseum Thurgau tummeln sich zurzeit bunte Kühe und andere aussergewöhnliche Wesen: In der aktuellen Ausstellung lässt sich das Werk des Künstlers Hans Krüsi (1920–1995) neu entdecken. Die Vernissage am 1. Oktober war gleichzeitig die letzte Ausstellungseröffnung von Direktor Markus Landert. Nach fast 31 Jahren an der Spitze des Kunstmuseums Thurgau geht er in Pension. 

 

 

Die Lebensgeschichte des Künstlers Hans Krüsi liest sich wie ein Märchen: Aufgewachsen in einer Pflegefamilie in Appenzell Ausserrhoden, arbeitete er zunächst als Knecht und Gärtnergehilfe. Schliesslich machte sich 
Krüsi selbstständig und verkaufte auf der Strasse Blumensträusse. Während über 30 Jahren reiste er fast täglich aus der Ostschweiz nach Zürich an die Bahnhofstrasse, wo er seinen festen Standort bezogen hatte. In den 1970er-Jahren begann er, selbst gemalte Postkarten und Fotografien zu verkaufen. So wurde die Galerie Buchmann auf ihn aufmerksam und stellte seine Kunst aus. Krüsi wurde zum gefeierten Star der Kunstszene.


 


Mehr als nur ein Aussenseiter


Aufgrund seiner autodidaktischen Fähigkeiten und seiner ungewöhnlichen Lebensweise wurde Krüsi zu den «Aussenseiterkünstlern» gezählt. Dass er durchaus mehr war als nur ein künstlerisch begabter Sonderling, macht die Ausstellung deutlich.


Krüsis Kunst erweist sich als überbordendes experimentelles Universum. Die Fülle der ausgestellten Werke zeigt, was für ein ungeheurer Schaffensdrang den Künstler antrieb. Jedes Ausdrucksmittel war ihm recht.


Er zeichnete auf Papierservietten, Haushaltsfolie oder sogar Milchkartons; er variierte und vervielfältigte seine Bilder mithilfe von Schablonen, Scherenschnitten oder dem Fotokopierer. Viele seiner Motive erscheinen auf den ersten Blick kindlich-naiv – Kühe und andere Tiere, Bauernhöfe und Alpaufzüge –, sein Witz und sein kreativer Umgang mit den verschiedensten Techniken belegen jedoch seinen Stellenwert in der Schweizer Kunst.


 


Ein grosses Vermächtnis 


Für Markus Landert schliesst sich mit der Ausstellung ein Kreis. Als junger Museumsdirektor konnte er 1995 den Nachlass von Hans Krüsi übernehmen – ein Konvolut von Tausenden Kunstwerken, Fotografien, Tonbändern und anderen Dokumenten. In seiner kurzweiligen Rede anlässlich der Vernissage fasste Landert seine damalige Reaktion darauf mit einem comicartigen «Schluck!» zusammen. Der Nachlass brachte auch die Verpflichtung mit sich, den umfangreichen Bestand zu sichern und zu erforschen. Die aktuelle Ausstellung ist ein weiterer Meilenstein in der Auseinandersetzung mit dem facettenreichen Werk des Künstlers.


 



Jeder kann nicht machen was er will


In seiner Abschiedsrede griff Landert auch den Titel der Ausstellung auf: «Jeder kann nicht machen was er will». Er variierte das Krüsi-Zitat im Rückblick auf seine Tätigkeit am Kunstmuseum: «Auch ein Museumsdirektor kann nicht machen, was er will». Dass er zumindest sehr viel machen konnte, bezeugt sein Leistungsausweis: In den letzten 31 Jahren richtete Landert mehr als 130 Ausstellungen aus. An der Vernissage übergab er symbolisch seine Krawatte an seinen Nachfolger Peter Stohler, der das Museum seit Anfang des Monats führt.


Die Ausstellung «Hans Krüsi – Jeder kann nicht machen was er will» im Kunstmuseum Thurgau ist auch für Kinder gut geeignet und ein empfehlenswerter Ausflug in den Herbstferien.


 Miriam Waldvogel