Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 29.12.2021

Frauen in der Chirurgie: Zwischen Familie und Karriere

Es braucht ein modernes Rollendenken

Beruf oder Familie – diese Entscheidung haben viele Frauen in ihrem Leben zu treffen. Um beides zu vereinen, sind heutzutage Teilzeitlösungen nicht mehr wegzudenken. In manchen Bereichen ist die Lösung einfacher als in anderen, wie das Beispiel der Chirurgin Katarina Danuser am Kantonsspital Frauenfeld zeigt.

 

 

Bereits als Kind war für Katarina Danuser klar, dass sie einmal Ärztin werden will. Also schlug sie diesen Weg bereits in jungen Jahren konsequent ein. Auch die Fachrichtung Plastische Chirurgie kristallisierte sich schnell als ihr Ziel heraus. Heute ist die 35-Jährige nicht nur verheiratet und Mutter des eineinhalbjährigen Leonard William, sondern sie ist auch Oberärztin in der Hand- und Plastischen Chirurgie am Kantonsspital Frauenfeld und arbeitet in einem 50-Prozent-Pensum. Denn für sie ist klar: «Mutter sein und Karriere machen ist eine legitime Forderung und sollte keine entweder/oder-Frage sein».

Hürden auf dem Weg zur Chirurgin
Die Ausbildung zur Chirurgin mit abgeschlossener Facharztausbildung dauert lange, sehr lange – das Studium mit eingeschlossen 12 bis 14 Jahre. Auch die Arbeitszeiten im Schichtwesen können unterschiedlich und sehr lange sein. Zudem sind Dienste am Wochenende sowie Rufbereitschaft quasi eine Selbstverständlichkeit. «Das sind oft Gründe, die junge Assistenzärztinnen und Assistenzärzte von diesem Fachbereich abschrecken, da ein Familienleben und der Beruf in der Chirurgie oft nicht Hand in Hand gehen», sagt Katarina Danuser. «Dass es bei mir mit dem Balanceakt zwischen Familie und Karriere aufgeht, habe ich sowohl der modernen Einstellung meines Mannes, als auch der meines Chefs, Thomas Holzbach, zu verdanken».

Wandel der Zeit
Dass der Stellenwert der Frau und die Rollenbilder sich zunehmend verändern, sieht Katarina Danuser als einen automatischen Prozess. «Die jüngeren Generationen sind sensibilisierter auf das Thema ’Gleichberechtigung’, als dies noch vor 40 Jahren der Fall war», sagt sie. Und gerade in der Medizin ist dieser Wandel gut sichtbar, ist doch der Berufsstand Arzt auf dem Weg zu einem höheren Frauenanteil. Seit 2005 überwogen bei den Absolventinnen und Absolventen des Medizinstudiums jedes Jahr die Frauen. Im derzeit ersten Studienjahr steht man bei einem 60:40-Prozent-Verhältnis von Frauen zu Männern.

Viele Vorurteile
Die Tätigkeit im Fachbereich Chirurgie ist interessant, vielseitig und dankbar. Das Schöne an der Arbeit sei, dass der Prozess des Lernens nie aufhöre, das Spektrum der Patienten und deren Diagnosen sehr abwechslungsreich sei und die Begeisterung für das Fach tagein tagaus wieder verstärkt werde. «Viele stellen sich unter dem Beruf der plastischen Chirurgie etwas anderes vor und denken insbesondere an dieses typische Hollywood-Bild», so die Oberärztin. Dies sei in einem öffentlichen Krankenhaus nicht der Fall. «Selbstverständlich liegt es in unserem Naturell, dass wir bei jedem Eingriff auch das bestmögliche ästhetische Ergebnis anstreben. Doch ein grosser Teil ist die Rekonstruktions- und Wiederherstellungschirurgie. Wir therapieren beispielsweise viele Tumorpatienten», sagt sie weiter. Die operative Entfernung von Weichteil-, Haut- oder Brusttumoren würde oft zu entstellenden Körperformen führen und bedingen eine präzise und gewissenhafte Rekonstruktion zum Wiedererlangen einer «Norm».

Arbeitsweg von Zug nach Frauenfeld
Katarina Danuser lebt mit ihrer Familie im Kanton Zug und pendelt jeweils zur Arbeit nach Frauenfeld. Warum? «Wegen der netten Menschen hier im Thurgau», sagt sie und lächelt. «Ehrlich gesagt geht es dabei schlicht auch um Aus- und Weiterbildung. In jedem Beruf ist es essenziell, sich weiterzuentwickeln. Dazu gehören auch Stellenwechsel, damit andere Herangehensweisen und chirurgische Techniken gelernt werden können», erklärt sie. Nur so sei es möglich, das chirurgische Können auszuweiten. Ein zusätzlich wichtiger Faktor sei, einen begleitenden Mentor zu haben. «Hier habe ich mit meinen Vorgesetzten Thomas Holzbach und Sebastian Leitsch viel Glück. Sie beide teilen ihr Können und Wissen in einem professionellen und gleichzeitig kollegialen, ja freundschaftlichen Rahmen», schwärmt die Oberärztin.

Breit gefächert
Die Expertise des Teams sei dadurch breit gefächert. Ein Spezialgebiet an der Thurgauer Hand- und Plastischen Chirurgie ist die Brustchirurgie, die auch Katarina Danuser besonders hervorheben möchte. «In meiner Laufbahn habe ich noch nie ein Team kennengelernt, das die Vorbereitung und Planung einer Brustoperation so präzise, sorgfältig und akribisch durchführt», sagt sie dazu.

Michael Anderegg


Tipps für junge Studenten und Chirurgen
Das Wahlstudienjahr während des Studiums ist eine gute Gelegenheit, verschiedene Fachrichtungen kennen zu lernen. Man sollte sich früh Gedanken machen, welche Fachrichtungen überhaupt in Frage kommen und dementsprechend das Wahlstudienjahr und die Weiterbildungsstätten auswählen. Die meisten Häuser freuen sich, wenn junge Kollegen und Kolleginnen Interesse zeigen. Auch Katarina Danuser selbst hat während ihrer Laufbahn diverse Häuser gesehen. Sie verdiente sich ihre Sporen in Luzern und Zug ab. Ausserdem machte sie Fellowships in Paris und im Iran.
(mra)