Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 20.10.2021

Wenn die Schuldenfalle zuschnappt

Caritas unterstützt in schwierigen Situationen

392 Personen haben sich 2020 telefonisch oder schriftlich mit Fragen zum Thema Schulden an Caritas Thurgau gewandt. Salome Kern und Janine List nehmen die Anfragen entgegen und erfahren die Sorgen der Anrufenden. Ein Gespräch mit den Schuldenberaterinnen.

 

 

Wer wendet sich an die Schuldenberatung?
Von der jungen Lehrabgängerin bis zum 80-jährigen Rentner gibt es alles. Alleinstehende, Paare, Alleinerziehende oder Familien, auch Bildungsabschluss und Einkommen sind sehr verschieden. Einige haben keine Ausbildung abgeschlossen und verdienen mit einer Vollzeitstelle 3000 Franken Wir beraten aber auch Personen mit Tertiärabschluss und einem Monatslohn von über 10 000 Franken. Viele haben eine Lohnpfändung.

Wie sind die Schulden entstanden?
Vereinzelte Personen haben Konsumschulden und leben über ihre Verhältnisse. Oftmals sind es aber Schicksalsschläge, wie sie jeden treffen können. Wenn es wegen einer Trennung oder Scheidung plötzlich zwei Wohnungen braucht und Alimente bezahlt werden müssen. Oder jemand verliert seinen Job, findet zwar eine neue Anstellung, verdient aber weniger. Dann reicht es nicht mehr für Miete, Krankenkasse und Auto. Es gibt auch junge Erwachsene, die aus Liebe oder unter Druck einen Kredit aufnehmen, um dem verschuldeten Partner oder den Eltern helfen zu können, und so selbst in die Schuldenfalle geraten.

Wie hoch sind die Schulden der einzelnen Personen?
Im letzten Jahr lag der Durchschnitt bei 81 000 Franken. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass auch Personen zu uns kommen, die mit ihrer Selbstständigkeit als Einzelfirma gescheitert sind. Deren Schulden übersteigen oftmals 500 000 Franken. Es kommen aber auch Leute zu uns, die zwischen 2000 und 5000 Franken Schulden haben.

Wie helft ihr? Übernehmt ihr auch Schulden?
Nein. Weder übernehmen wir Schulden noch können wir Geld für einen Privatkonkurs vorstrecken. In den Schuldenberatungen werden die ganze Situation und die Ursache für die Verschuldung gemeinsam angeschaut. Wir stellen ein Budget auf und besprechen mögliche Lösungswege. Wir bieten auch Schuldensanierungen an, bei welchen wir die Verhandlungen mit den Gläubigern übernehmen und einen Abzahlungsplan erstellen. Mit Personen, die Privatkonkurs anmelden wollen, klären wir ab, ob dies der einzige Weg ist.

Was ist eine Schuldensanierung?
Bei einer Schuldensanierung werden die Schulden zurückbezahlt. Voraussetzungen für eine Schuldensanierung sind ein regelmässiges Einkommen, eine stabile Lebenssituation und ein monatlicher Überschuss, mit dem die Schulden beglichen werden können. Grundsätzlich dauert eine Schuldensanierung drei Jahre. Im Erstgespräch wird die Situation analysiert und ein Sanierungsbudget erstellt. Während einer Probezeit von drei Monaten dokumentieren die Schuldner*innen ihre Ausgaben und es werden monatliche Kontrollgespräche geführt. Danach wird ein Schuldensanierungsvertrag abgeschlossen. Wir Sozialarbeitende nehmen die Verhandlungen mit den Gläubigern auf und unterbreiten ihnen ein Abzahlungsangebot. Wenn alle Gläubiger dem Vorgehen zustimmen, beginnen die monatlichen Zahlungen. Sind die Schulden bezahlt, lassen wir die Betreibungen und Verlustscheine löschen.

Was ist, wenn die gesamten Schulden nicht innerhalb von drei Jahren zurückgezahlt werden können?
Wenn dieser Fall eintrifft, verhandeln wir mit den Gläubigern und bitten um einen Teilerlass der Schulden, um den verschuldeten Personen nach drei Jahren ein Neustart zu ermöglichen. Dadurch können auch Sanierungen durchgeführt werden, bei denen nicht die gesamte Schuldensumme zurückbezahlt werden kann. Diese Abklärungen, Berechnungen und Verhandlungen können jedoch sehr zeitintensiv sein.

Gibt es auch erfreuliche Erlebnisse?
Am meisten freut es uns, wenn verschuldete Personen dank einer Sanierung ihre Schulden zurückzahlen und danach wieder schuldenfrei in ihr Leben starten können. Ein Schuldner hatte beispielsweise als junger Erwachsener für eine längere Reise und eine Weiterbildung einen Kredit aufgenommen. Nach der Reise verdiente er weniger als geplant und konnte den Kredit nur zurückzahlen, indem er andere Rechnungen nicht mehr beglich. Dann ging plötzlich gar nichts mehr. In den letzten drei Jahren konnte er mit unserer Unterstützung seine Schulden vollständig zurückzahlen. Nach langer Zeit hat er nun seinen ganzen Monatslohn zur Verfügung. Letzten Sommer reduzierte er sein Arbeitspensum und begann ein Studium.

(zvg)

Telefon: 071 626 11 81
www.caritas-thurgau.ch