Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 29.04.2020

Küngs Doppel-Triumph – Bissegger weiter im Ungewissen

Im ersten virtuellen Rad-Strassenrennen «The Digital Swiss 5» wurden am Schweizer Fernsehen Etappen der Tour de Suisse abgefahren. Das zweite Teilstück rund um Frauenfeld gewann überlegen der einheimische Stefan Küng und auch in der 4. Etappe triumphierte er.

 

 

In den fünf Etappen waren immer 57 Radprofis mit dabei. 16 wurden in Bild-Verbindung per Webcam bei den Fernseh-Direkt-Übertragungen von SRF 2 immer wieder kurz eingeblendet. Eine der Haupt-Attraktionen auf dem Rollentrainer, der das Hinterrad ersetzt, war Stefan Küng. In der zweiten Etappe rund um Frauenfeld in vier flachen Runden à 11,5 Kilometer startete er superschnell. Und schüchterte daheim im kühlen Velokeller wohl alle seine Gegner ein. Er zog den Speed bis am Schluss durch und gewann mit 47 Sekunden Vorsprung auf Filippo Ganna und 1:28 vor Michael Matthews.
Am Samstag meinte er kurz vor seiner Fahrt nach Zürich ins Fernseh-Studio: «Es war cool und natürlich für mich eine Premiere, ein virtuelles Rennen zu gewinnen. Ich habe mir gedacht, wenn schon ein Ernstkampf ansteht, auch wenn der nur auf der Rolle stattfindet, dann gebe ich Vollgas. Es war hart und anspruchsvoll. Vielleicht hat mir ein wenig geholfen, dass ich die Strecke genau kannte und wusste, wann es ein wenig ansteigt».

Wirklich spannendes Finale
In der 4. Etappe von Oberlangenegg mit dem Aufstieg zum Schallenberg nach Langnau im Emmental dominierte sofort Michael Matthews. «Studiofahrer» Stefan Küng vom Team Groupama-FDJ kam dem Australier aber immer näher. Im abfallenden letzten Teil kamen die 10 Kilo mehr, die der starke Roller aus Frauenfeld auf die Waage bringt, offensichtlich zum Tragen. Etwas mehr als einen Kilometer vor dem Ziel übernahm Küng die Spitze und fuhr noch sieben Sekunden Vorsprung heraus. Sichtlich verärgert ob der knappen Niederlage schlug Matthews mit der flachen Hand auf den Lenker.
Küng wirkte während der Fahrt immer hoch konzentriert und als ihn die Stimmen im Zürcher Fernseh-Studio immer mehr störten, stülpte er sich den Knopf ins Ohr und hörte Musik: «Ich wollte mich nicht ablenken lassen. Es ist schlicht die Rennfahrer-Ehre, dass man auch bei einem virtuellen Rennen alles gibt». Der 26-Jährige verspürte danach beim lockeren Ausfahren Krämpfe und musste für seinen Effort etwas büssen. Doch er strahlte: «Weil ich etwas vorsichtiger begann, verfügte ich am Schluss über mehr Reserven als Michael». Was war der Unterschied zur 2. Etappe, welche Küng daheim ebenfalls als Sieger absolvierte? «Diesmal war es noch härter. Ich musste absolut ans Limit gehen».
Jetzt kann Stefan Küng nur darauf hoffen, dass die Tour de France wirklich am 28. August beginnt: «Aber das dauert noch vier Monate und hängt von vielen Ungewissheiten ab».

Extra eine Rolle gekauft
Ebenfalls im Rennen um Frauenfeld dabei war ein zweiter Einheimischer, Stefan Bissegger. Es war sein einziger Einsatz und der Auftritt auf der Rolle ist sowieso gar nicht sein Ding: «Damit ich überhaupt mitmachen konnte, musste ich diese spezielle Rolle extra kaufen. Das war nicht einfach, weil die meisten Radprofis in Europa nun auf solche Utensilien angewiesen sind. Auf dem Vehikel habe ich nur zweimal geübt».
Wie war er mit seinem Auftritt zufrieden? «Ich weiss nicht so recht, was ich sagen soll. Ich fahre viel lieber im Freien und das dürfen wir zum Glück in der Schweiz. Das Grundprinzip für ein solch virtuelles Rennen finde ich nicht schlecht. Weil der gesamte Live-Sport ruht, haben wir Radprofis während fünf Tagen so eine gute Plattform erhalten».

Die Situation für den 22-Jährigen ist nicht nur wegen der Corona-Krise ganz speziell. Sein italienisches Team existiert bereits nicht mehr und bei seiner neuen amerikanischen Equipe steht er als Profi erst ab dem 1. August im Einsatz. Dazu ist sein grosses Ziel, die Olympischen Sommerspiele in Tokio mit dem Schweizer Bahn-Vierer, nicht mehr relevant.
Darum muss Bissegger trocken feststellen: «Meine gesamte Saisonplanung hat Corona unglaublich durcheinander gewirbelt. Im Moment weiss ich kaum, wie es genau weiter geht. Vor allem, weil die Bahnrennen für mich eigentlich abgeschlossen sind. Es steht in den Sternen, was diesbezüglich geschieht. Auf der Strasse habe ich zumindest einen Fixpunkt. Ich hoffe, dass ich wenigstens dann im Herbst das WM-Zeitfahren der U23 in Martigny bestreiten kann».

Albasini musste leiden
Zurück zur 2. Etappe in Frauenfeld. Im Fernseh-Studio pedalte mit dem ehemaligen Lanterswiler Michael Albasini ein ganz routinierter Profi. Zur Unterstützung waren seine beiden Söhne mit dabei und er sagte vor dem Start klipp und klar: «Auf der Rolle fühle ich mich überhaupt nicht wohl». Je länger die Fahrt dauerte, desto mehr musste der ehemalige Primarlehrer leiden: «Es war grausam. Ich bin fast gestorben. Zum Glück kam ich noch ins Ziel».
Für «Alba» ist die Lage aussergewöhnlich, denn er hatte schon früh im Winter angekündigt, dass seine langjährige Karriere nach der Tour de Suisse endgültig zu Ende sei. Und nun? «Keine Ahnung, was wirklich passiert. Zusammen mit der Familie war nach der TdS ein längerer Aufenthalt in den USA geplant. Der fällt jetzt ins Wasser. Mal schauen, wie es weiter geht».

Ruedi Stettler

 

 

Küngs Doppel-Triumph – Bissegger weiter im Ungewissen