Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 08.04.2020

Kirchen fahren auf der Datenautobahn

Dieses Wochenende ist Ostern, eines der wichtigsten Feste des christlichen Glaubens. Das Corona-Virus allerdings verbietet Menschenansammlungen. Trotzdem finden Gottesdienste statt, denn die Frauenfelder Kirchen werden einfallsreich.

 

 

Ostern steht vor der Türe. Doch in diesem Jahr wird alles etwas anders sein als sonst. Schuld daran ist das Corona-Virus und seine Folgen. So werden heuer keine Kirchen mit Menschen gefüllt. Es findet auch kein Motocross mit dem dazugehörigen, traditionellen Ostergottesdienst statt. Die aktuelle Situation zwingt die Landeskirchen und Freikirchen (siehe Box) dazu, einfallsreich und erfinderisch zu sein.

Digitalisierung als Vorteil
In dieser schwierigen Zeit müssen die Menschen trotz des Versammlungsverbots nicht auf Gottesdienste verzichten. Denn man setzt auf die Karte online. Die Evangelische Kirchgemeinde beispielsweise bietet Livestreams von Gottesdiensten auf ihrer Webseite an. Diese können im Anschluss auch die ganze Woche noch abgerufen und angesehen werden. «Wir sind sehr froh über diese Möglichkeit», sagt Heinz Stübi, Präsident der Kirchenvorsteherschaft. Es stecke viel Arbeit dahinter, die es aber Wert sei zu tun. Beim letzten Gottesdienst beispielsweise hatte man 30 Live-Zuschauer. «Das können aber auch Paare gewesen sein und daher macht es keinen Unterschied, ob jetzt 50 Personen in der Kirche sitzen oder fast gleichviele zu Hause vor den Bildschirmen. Hauptsache, wir erreichen sie», so Heinz Stübi.
Einen speziellen Gottesdienst biete man auch im Alterszentrum Park an, wo man über das hauseigene Radio predige. Weiter gebe es auch Andachten zum Anhören per Telefon sowie 14-tägig den interaktiven Livestream-Gottesdienst Lighthouse27 für Jugendliche.
Auch bei der Katholischen Kirchgemeinde setzt man auf Online-Predigten. «Es gibt einen Tagesimpuls per Video, Online-Gottesdienste sowie den wöchentlichen, virtuellen Stammtisch», erklärt Thomas Harder, Präsident der Kirchenvorsteherschaft FrauenfeldPLUS. Ausserdem biete man auch Gebetsimpulse per Post. «Es ist wichtig, dass man in dieser Zeit den Kontakt zu den Menschen nicht verliert. Daher ist auch das Telefon sehr wichtig», so Harder weiter.
Sowohl bei den Katholiken als auch den Reformierten zeigt man sich in dieser Zeit besonders präsent. Persönlicher Kontakt sei wichtig. Gerade zu Familien aber auch zu älteren oder einsamen Menschen. «Natürlich steigen derzeit die Anfragen von Personen, denen das Dach über dem Kopf zusammenbricht und die Seelsorge oder Beratung in Notlagen benötigen», sagt Heinz Stübi. Mitarbeiter, Pfarrpersonen und Diakone seien erreichbar und bieten in besonderen Fällen auch Besprechungstermine an. Beispielsweise im Trauerfall. Ähnlich ist das auch bei der katholischen Kirche: «Es ist besonders wichtig, derzeit diejenigen Menschen zu erkennen und zu erreichen, die gesundheitlich, wirtschaftlich und psychisch Leiden», sagt Thomas Harder. Das sei allerdings nicht immer ganz einfach.
Auf beiden Seiten ist man froh darüber, dass die Kirchentüren – unter den Hygieneauflagen des Bundes - weiter offen bleiben dürfen. «Wir hätten es sehr bedauert, hätten wir die Kirchen schliessen müssen», sagt Heinz Stübi.

Osterfeier in neuem Rahmen
Am Gründonnerstag feiert das Christentum das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Am folgenden Karfreitag wird des Todes Jesu am Kreuz gedacht, am Karsamstag ist Grabesruhe, und am dritten Tag, dem Ostersonntag, wird schliesslich die Auferstehung Jesu von den Toten gefeiert. In diesem Jahr nun wird aber eben anders gefeiert als sonst. Neben den Onlineangeboten kommt es am Sonntag um 10 Uhr in der ganzen Schweiz zu einem ökumenischen Glockengeläut. Zudem sind alle eingeladen, sich am Karsamstag um 20 Uhr an der Aktion «Osterlicht» zu beteiligen. Man soll dazu eine Kerze vor dem eigenen Fenster anzünden. «Es werden spezielle Ostern ohne die intensiven Gottesdienste und Andachten», sagt Thomas Harder und ergänzt: «Aber ich bin überzeugt, dass der auferlegte Rückzug ganz andere, ebenso bereichernde Erfahrungen bescheren wird.»

Entferntes Miteinander
Auch wenn man derzeit räumlich getrennt sei, so sei das Miteinander noch immer einer der wichtigsten Punkte. «Miteinander die Krise bewältigen und füreinander in der Not einstehen», sieht Heinz Stübi als derzeit grösste Herausforderung der Kirche. Man dürfe das Gottvertrauen nicht verlieren und man solle Menschlichkeit leben, im Grossen wie im Kleinen, ergänzt Thomas Harder. «Die Menschen sollen sich auf der Strasse grüssen und sich ein Lächeln schenken oder ein Gespräch mit dem Nachbarn über den Zaun führen.»

Michael Anderegg

www.evang-frauenfeld.ch
www.kath-frauenfeldplus.ch





Auch Freikirchen sind flexibel
Auch die Freikirchen stehen derzeit denselben Problem gegenüber wie die beiden Landeskirchen. Auch bei GVC und Morija hat man auf Online-Gottesdienste umgestellt. Bei Letzterem könne man zudem jederzeit jemanden der Gemeindeleitung über Bildtelefon erreichen. Auch seelsorgerische Gespräche seien unter Einhaltung der Richtlinien möglich, wie Morija-Hauptleiter Dario Introvigne sagt. Bei der Gemeinde laufe das Gemeindeleben – abgesehen von Versammlungen - mehr oder weniger normal, wie Introvigne weiter sagt. Man bedaure grundsätzlich, einander nicht treffen zu können. Da man aber christliche Feiertage wie Ostern als Chance sehe, gute Beziehungen zu Familie oder Freunden zu pflegen, habe man schon in normalen Zeiten eher ein bescheidenes Programm. Daher seien die besonderen Ostern heuer weniger ein Problem.
Bei der GVC will man Ostern trotz der schwierigen Zeit eine mutmachende Nachricht in eine festliche Online-Predigt verpacken. «Auch wenn Ostern in den Stuben gefeiert wird, glauben wir, dass man trotzdem ein Wir-Gefühl erleben kann», sagt Helen Steinemann von der GVC. Zudem hätten sie spezielle Kinderprogramme ausgearbeitet und auch die Lebensmittelausgabe an Bedürftige laufe – in enger Absprache mit dem Gesundheitsamt – weiter.  (mra)

 

 

Kirchen fahren auf der Datenautobahn