Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 04.03.2020

Interview mit Ulrich Marti, Gemeindepräsident von Herdern

«Unser grösstes Gut ist unsere schöne Lage»

 

 

Sie sind seit knapp fünf Jahren Gemeindepräsident. Was war Ihr schönster Erfolg in dieser Zeit?
Das Schönste ist für mich, dass der Gemeinderat in der Bevölkerung ein hohes Vertrauen geniesst. Das zeigt sich darin, dass die Bewohnerinnen und Bewohner unsere Geschäfte grossteils mittragen und unterstützen. So zum Beispiel bei den grossen Infrastrukturprojekten wie den Sanierungen der Spottenbergstrasse und der Berghofstrasse, die in den letzten Jahren erfolgreich abgeschlossen wurden. Ein Highlight im 2018 war ausserdem das Fest zum 20-Jahr-Jubiläum der Politischen Gemeinde, das sehr gut angekommen ist. Es hat die Gäste aus den verschiedenen Gemeindeteilen zusammen- und uns die räumliche Schönheit unserer Gemeinde vor Augen geführt.

Was macht Ihnen in der Gemeindearbeit am meisten Freude? Was weniger?
Grundsätzlich habe ich grosse Freude an meinen Aufgaben und an der konstruktiven Zusammenarbeit im Gemeinderat. Meine Tätigkeiten bringen grosse Gestaltungsfreiheit und thematische Vielfalt mit sich. Probleme sehe ich in der zunehmenden Ich-Bezogenheit der Gesellschaft. Manche Menschen sind nicht bereit, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Ich würde mir wünschen, dass das gesellschaftliche Miteinander wieder mehr gepflegt wird.

Sie waren zuvor als Jurist einer Supermarktkette tätig. Können Sie diese Berufserfahrung auch in Ihrem Amt einsetzen?
Auch in dieser Position war ich gefordert, mich schnell in die verschiedensten Bereiche einzuarbeiten – von Mietrecht über Urheberrecht bis Strafrecht. Ich habe dabei gelernt, bei der Informationsbeschaffung sehr effizient vorzugehen. Das hilft mir heute enorm.

Herdern beschreibt sich selbst als «ländliche Gemeinde am Puls der Zeit». Inwiefern ist Herdern am Puls der Zeit?
Das Thema Digitalisierung beschäftigt auch uns stark. Wir sind dabei, eine elektronische Geschäftsverwaltung einzuführen. Auch in der Kommunikation mit den Bewohnerinnen und Bewohnern wollen wir eher weg vom Papier. Unser gedrucktes Gemeindemagazin wird aber sehr gut gelesen, und wir werden dieses weiterhin beibehalten.

Was planen Sie, in diesem Jahr umzusetzen?
Die Ortsplanrevision wird ein grosses Thema sein, diese werden wir aber nicht in diesem Jahr abschliessen können. Ein weiteres, wichtiges Projekt ist der Anschluss der Wasserversorgung Kalchrain an die Wasserversorgung von Herdern. Grundsätzlich wollen wir es nach den investitionsstarken Jahren aktuell etwas ruhiger angehen.

Wenn Sie ungeachtet von allen Einschränkungen ein Projekt realisieren könnten, was wäre das?
Wenn ich etwas bestellen könnte, wäre das ein Feuerwehrdepot mit integriertem Werkhof und Räumen für die Gemeindeverwaltung. Im Moment sind wir an verschiedenen Standorten verstreut. Wir sind zwar funktional und kostengünstig aufgestellt, aber räumlich auch sehr begrenzt und nicht prozessoptimiert. Eine integrierte Lösung wäre da willkommen.

Was ist Ihre Vision für Herden 2030?
Im Jahr 2030 werden voraussichtlich etwa 1250 Einwohner in Herdern leben, im Vergleich zu 1100 nach heutigem Stand. Wichtig scheint mir hier das Schlagwort «innere Verdichtung» – also wie wir auf den bestehenden Flächen wachsen können und damit die bestehende Infrastruktur besser auslasten. Mir ist daran gelegen, weiterhin einen guten Mix von verschiedenen Wohntypen anzubieten, damit man zum Beispiel auch im Alter vor Ort bleiben kann.

Was fehlt in Herdern?
Herdern ist eine klassische Pendlergemeinde. Die Menschen wohnen zwar hier, arbeiten aber in Richtung Frauenfeld oder Zürich. Ich würde es be­grüssen, wenn es hier vermehrt Arbeitsplätze vor Ort gäbe, um die Gemeinde zusätzlich zu beleben im Sinne von Leben und Arbeiten am gleichen Ort.

Was schätzen Sie besonders an Herdern?
Unser grösstes Gut ist unsere schöne Lage: Herdern ist eine Sonnenterrasse mit Weitsicht. Ich geniesse den freien Blick vom Säntis bis zu den Berner Alpen jeden Tag aufs Neue. Dieses traumhafte Naherholungsgebiet dürften wir ruhig noch etwas stärker entdecken und vermarkten. Es ist nicht nur am See schön, sondern auch auf dem Seerücken.

Vielen Dank für das Gespräch.
Miriam Waldvogel