Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 27.11.2019

Nur 100 Nächte im Jahr im eigenen Bett

Im Schweizer Rad-Bahnvierer ist der Wahlfrauenfelder Stefan Bissegger mittlerweile die treibende Kraft. Der 21-Jährige brillierte aber auch auf der Strasse.

 

 

Weil Stefan Bissegger bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio noch zweigleisig (Bahn/Strasse) fährt, gibt es für ihn keine Winter-Pause. Darum spult er intensiv sein Trainings-Programm ab, das als Grundprinzip lautet: Drei Tage Training, ein Tag Pause, wieder drei Tage Training. Das sind Ausdauer-Fahrten auf dem Velo zwischen 160 bis 180 Kilometern mit einer Dauer von fünf bis sieben Stunden. Steht allerdings die Intensität im Vordergrund, sind das zwei bis drei Stunden.
«Das ergibt sicher 20 Stunden pro Woche», hält der am 13. September erst 21 Jahre alt gewordenen Thurgauer fest. Etwas darf man nicht vergessen, am sogenannten Ruhetag setzt er sich «locker» ebenfalls eine Stunde zur Erholung auf das Rad: «Aber fast nur vom Frühling bis im Herbst, im Winter ist das unangenehm.» Darum hatte das Talent ausgiebig Zeit für ein Interview bei ihm zu Hause. So erfolgreich wie er Velo fährt, so vorzüglich war auch der von ihm zubereitete Cappuccino.

Insgesamt 64 Renntage
Weil Stefan Bissegger seit dem Abgang von Stefan Küng die Lokomotive im Schweizer Bahnvierer ist, aber auch auf der Strasse bei der U23 brillierte (Zweiter an der WM, Dritter an der EM im Zeitfahren) kommt er auf insgesamt 64 Renntage (10 Bahn/54 Strasse) in diesem Jahr. Er muss stetig den Spagat zwischen den beiden Sparten ausüben. Bei einem so happigen Programm ist es logisch: «Ich verbringe weniger als 100 Nächte zu Hause».
Jetzt wo andere Radstars längst kürzer treten, geht es bei Bissegger immer weiter: «Ende Februar 2020 findet die Bahn-Weltmeisterschaft statt, da muss ich in Topform sein». Darum verlässt er die Schweiz in diesen Tagen und reist bis zum 20. Dezember nach Neuseeland und gleich weiter nach Australien. Beide Rennen zählen zum Weltcup. Dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht: «Anschliessend habe ich eine Woche Ferien».

Marcello Albasini als Trainer
Damit sein «Motor» bei so vielen Fixpunkten nicht überdreht, dafür sorgt auch sein Trainer Marcello Albasini, der Vater des bekannten Radprofis Michael. «Er kann die absolvierten Kilometer, die Höhenkurven, die Puls- und Herzfrequenzen und meine allgemeine Fitness, stets haargenau am Computer verfolgen. Kontakt haben wir miteinander sicher einmal pro Woche».
Ab dem 1. Januar 2020 fährt Stefan Bissegger für das italienische Nachwuchs-Team Monti-Deceunick-Quick-Step. Warum? «Weil die mich unbedingt haben wollten». Das gilt bis nach den Olympischen Sommerspielen in Tokio: «Die sind mein ganz grosses Ziel mit dem Bahnvierer. Dafür müssen wir uns unbedingt qualifizieren, weshalb wir so viele Rennen wie möglich absolvieren. Nur die besten acht Equipen der Welt sind in Japan dabei. Mit Nachdruck führt der ehemalige Mettler an: «Diesem Ziel ordne ich alles unter. Nach Tokio ist das Thema Bahn für mich abgeschlossen». Dann beginnt ein neues Kapitel als Radprofi bei der amerikanischen Mannschaft EF Education First.

Unterwegs mit Claudio Imhof
Weil zum erfolgreichen Bahnvierer auch Claudio Imhof aus Sommeri gehört, absolvieren die zwei oft gemeinsame Ausfahrten vom Thurgau aus in zahlreiche Richtungen. Gehört da der auch in Frauenfeld wohnhafte Stefan Küng ebenfalls dazu? «Nein, er absolviert ein ganz anderes Programm. Claudio und ich haben dagegen genau dieselben Fixpunkte».
Dass Stefan Bissegger in diesem Jahr so weit kam, hat er zweifellos auch Walter Sapetschnig zu verdanken. Der Uzwiler ist nicht nur sein Masseur, sondern auch sein Mentaltrainer, den er wöchentlich konsultiert. Er hat sicher mitgeholfen, dass die Stürze (in der ersten Saison-Hälfte gleich deren fünf) nicht mehr vorkamen und der stete Höhenflug des jungen Thurgauers begann.

Ruedi Stettler

 

 

Nur 100 Nächte im Jahr im eigenen Bett