Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 28.05.2014

Ein Zeitzeuge verschwindet

Chnuri

Die Thurstrasse 16 war kein besonders schönes Haus. Es ist garantiert nie jemandem aufgefallen. Ausser dem Chnuri, und dies nur, weil er im Nachbarhaus wohnt. Und trotzdem war es da und füllte die Lücke, die nun wahrscheinlich schwer zu ersetzen ist.

 

 

Im Erdgeschoss hatte es einen Portugiesentreff mit Ausschank. Er hiess fast ähnlich wie die gleichnamige Zeitung für Portugiesen in der Fremde, «La voz de tras os montes», «Die Stimme von jenseits der Berge», sprich: die Pyrenäen.
Am 19. Mai wurde mit dem Abbruch begonnen, nachdem das Haus während einiger Wochen leergestanden hatte.
Der Rückbau ging über 2 Wochen hinweg ganz sachte und sanft vor sich, liebevoll, mit Herz, mit tiefst empfundener Zartheit. Der gewaltige Baggerzahn streichelte die Wände zuerst lange und flüsterte: «Adieu, du Liebste», bevor er sie im Zeitlupentempo zum Einstürzen brachte.
Entblösst zeigten sich Zimmer und Räume, z.B. ein himmelblau gestrichenes Bad kam zum Vorschein und ein kleines weisses, wehrloses Lavabo.

«Ein Haus ist erst zu Ende gebaut, wenn es abgebrochen ist», schrieb Peter Stamm. Zu Ende geht auch ein Stück grau-braune Bescheidenheit.

 

 

Ein Zeitzeuge verschwindet