Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 17.04.2024

Der Quartiertreffpunkt Talbach sucht eine neue Bleibe

Blühende Quartiertreffpunkte – ein Segen für das städtische Zusammenleben

Das Wochenprogramm des Quartiertreffpunkt Talbach zeigt es: was hier von diversen Freiwilligenteams für den sozialen Zusammenhalt im Quartier, aber auch der Stadt Frauenfeld geleistet wird, ist unschätzbar. Da die Stadt als Betreiberin und Mieterin der Räumlichkeiten das Mietverhältnis per Ende Jahr gekündigt hat, wird eine Projektgruppe ab Juni neue Lösungen suchen müssen. Gefragt sind aber alle Bürgerinnen und Bürger, denen der soziale Zusammenhalt in einem auch multikulturell-reichhaltigen Umfeld wichtig ist. 

 

 

Die Medienmitteilung der Stadt Frauenfeld kam für die Beteiligten nicht überraschend, dennoch löste sie tiefes Bedauern, Betroffenheit, zum Teil auch Unverständnis und Wut aus. Die Frauenfelder Woche hat Stimmen eingeholt, die zeigen, wie segensreich eine solche Einrichtung ist und weshalb der Projektgruppe, die neue Räumlichkeiten sucht, raschmöglichster Erfolg zu wünschen ist. 


 



Kontrovers diskutiert


Der erste Teil der Schliessungs-Medienmitteilung des Amtes für Gesellschaft und Integration würdigt den Treffpunkt wie folgt: «Seit über zehn Jahren betreibt das Amt für Gesellschaft und Integration der Stadt Frauenfeld den Quartiertreffpunkt Talbach. Eine Arbeitsgruppe aus engagierten Personen, die sich ehrenamtlich für den Treffpunkt einsetzen, stellt jeweils ein vielseitiges Programm für die Menschen im Quartier zusammen und sorgt damit für ein lebendiges Miteinander.» Warum denn nun die Schliessung? Hier wird der Sachverhalt kontrovers, juristisch, hat viel Staub aufgewirbelt, wie auch in der Tagespresse nachzulesen war. Hier nur so viel: Während die Stadt schreibt, dass die Vermietung und Nutzung «von benachbarten Mietparteien» teilweise als so störend empfunden worden sei, «dass ein geregelter Betrieb im Quartiertreffpunkt schwierig wurde», sprechen Freiwillige von lediglich «einer Mietpartei», welch letztere sich denn auch in Produkten des Tagesjournalismus und deren Kommentarspalten äusserst kritisch der Stadt gegenüber äussert. Was wiederum von der Stadt zurückgewiesen wird. Zwei Juristen, drei Meinungen?


 



Oft zu wenig gewürdigt


Hier soll nicht noch mehr Staub aufgewirbelt werden und, da der Entscheid zur Schliessung nun definitiv ist, den Freiwilligen Platz eingeräumt werden, ihre wertvolle Arbeit zu dokumentieren. Denn oft wird deren Einsatz viel zu wenig wahrgenommen und gewürdigt, eine Unterlassung in Zeiten klammer Stadtfinanzen auch gerade wegen ihres Beitrags zur Einsparung von Gesundheitskosten und Sozialausgaben. Die Freiwilligenarbeit generell wurde unlängst ja auch im Gemeinderat thematisiert und gewürdigt – unsere Zeitung berichtete darüber. Wie Markus Kutter, Leiter Amt für Gesellschaft und Integration, auf Anfrage bestätigte, würden die Talbach-Engagierten nun in den weiteren Planungsprozess mit einbezogen: «Wir haben das Vorgehen angekündigt, welches ab Sommer unter der Leitung der Abteilung Sozialraum umgesetzt wird. Sicher ist, dass die bisherigen Verantwortlichen der Betriebsgruppe und weitere Ehrenamtliche involviert sind. Mehr lässt sich im Augenblick nicht sagen. Der Prozess ist offen.»


 



Grosse Betroffenheit 


Es war Therese Baumgartner, die sich mächtig ins Zeug gelegt und trotz Ferienabwesenheit vieler Beteiligter deren Stimmen gesammelt hat. Die im QTP Talbach enorm Engagierte äusserte gegenüber dieser Zeitung: «Ja, die Mitteilung der Schliessung des Quartiertreffpunkts hat uns sehr getroffen. Als wir beispielsweise die Familien, welche den Mutter-Kind-Treff besuchen, über die Schliessung informierten, waren sie sehr aufgebracht... sie würden sich wünschen, dass berichtet wird, was durch diese Schliessung verloren gehen könnte, wenn keine Anschlusslösung gefunden wird. Ähnlich waren die Reaktionen auch bei anderen Angeboten.»


 



Mehr als nur Deutsch 


So sagt etwa die Projektleiterin für den Verein Bibliothek der Kulturen, Ana Witzig: «Im Quartiertreffpunkt finden zwei unserer Veranstaltungen regelmässig statt, das Deutsch-Café wöchentlich und der Erzähl- und Bastelnachmittag monatlich. Beim Deutsch-Café geht es nicht nur darum, dass die Teilnehmenden die Möglichkeit haben, Deutsch zu sprechen, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Die Moderatorinnen des Deutsch-Cafés sind nicht nur an den Montagnachmittagen für die Teilnehmenden da. Weit darüber hinaus, helfen und unterstützen sie die verschiedenen Personen.»


 


Ein Segen 


Für die Kinder- und Jugendarbeit führte Rahel den Toom aus: «Jeden zweiten Dienstagnachmittag füllt sich der QTP Talbach mit fröhlichem Leben und Lachen: zwischen 15 und 25 Kinder aus dem Quartier kommen ins KiWi (Kinder Willkommen). Gemeinsam essen wir Zvieri, spielen, lachen über Clown «Omi Lili», singen, hören eine spannende Geschichte, basteln und/oder machen verschiedene Wettkämpfe und Spiele. Es ist ein Ort, an dem alle Kinder von der 1. bis zur 5. Klasse von Herzen willkommen sind – wir freuen uns über die bunte Vielfalt an Nationalitäten! Gleich anschliessend ans KiWi kommen die älteren Kinder/Teens ins TeeWe (Teens Welcome). Auch hier wird gegessen, gelacht, diskutiert und gespielt. Für uns alle sind diese Treffpunkte ein Highlight in der Woche! Von ganzem Herzen hoffen wir, dass dies auch weiterhin möglich ist!»


 


Eine Chance 


Kees den Toom vom interkulturellen Männertreff sagt: «William (Name geändert) kommt aus Afghanistan. Seit wenigen Jahren wohnt er jetzt in der Schweiz, nachdem er sein Land nach der Machtübernahme der Taliban verlassen hatte. Er besucht einen Deutschkurs in der Hoffnung, später eine Lehre machen zu können. Einmal in der Woche, am Montagabend, kommt er in den Interkulturellen Männertreff im QTP Talbach. Zusammen mit den anderen jungen Männern (v.a. Asylsuchende) geniesst er die Snacks und Getränke. Die offene und entspannte Atmosphäre lädt zum Reden und Spielen ein – nebst Tischfussball und Pingpong sind Jenga und Uno hoch im Kurs. Dabei wird automatisch auch Deutsch geübt.»


Roland Büchi erzählt: «Ich betreue die Spielnachmittage und organisiere freiwillige Fachpersonen, welche diverse Kurse im QTP Talbach durchführen. Ältere Quartierbewohner, aber auch Personen von anderen Quartieren und von der Umgebung besuchen die Spielnachmittage, welche 14-täglich stattfinden. Neben dem Spielen bestimmt dabei auch der gesellschaftliche Austausch eine wichtige Rolle.»


 


Gelebte Integration


Therese Baumgartner selber berichtet vom Mutter-Kind-Treff: «Für Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund ist dies oft die erste Möglichkeit, mit der deutschen Sprache in Kontakt zu kommen, und auch für die Mütter ist der Austausch über verschiedene Themen sehr wichtig. Oft können Fragen zu Erziehung oder zum Schulsystem besprochen werden. Das wird auch vonseiten der Schule sehr geschätzt. Der MuKi-Treff hat sich auch als gelebtes Integrationsangebot etabliert, an dem neben Familien mit Migrationshintergrund auch viele Schweizerinnen teilnehmen.» Baumgartners Aussagen pflichten die beteiligten Mütter bei.


 


Hilfe bei Kindererziehung


«Es ist enorm wichtig, dass es so einen Treffpunkt in Frauenfeld gibt, auch für die Integration, die Vernetzung von Schweizern und Menschen aus anderen Kulturen, wo die Kleinkinder bereits mit der Sprache in Kontakt kommen, auf spielerische Weise, gebastelt wird und sich die Eltern bei einem Kaffee austauschen und mal etwas vom hektischen Alltag durchatmen können», sagt Miriam Frei. Auch Marzena Szewczak ist begeistert: «Der Mutter-Kind-Treff ist für viele Familien eine tolle Alternative. Er trägt dazu bei, Kinder zu erziehen, bereitet sie auf die spätere Schulbildung vor und fördert sie auf vielen Ebenen.» Familie Dzelili berichtet: «Diese Treffen waren nicht nur ein Ort des Austauschs, sondern auch eine wichtige Gelegenheit für unsere Kinder, neue Freundschaften zu knüpfen und soziale Fähigkeiten zu entwickeln.» 


 



Bereicherung für Familien


Und Nadine Schwager sagt: «Da es in Frauenfeld keine Krabbelgruppe gibt, war für mich der Treff wichtig. Der Austausch mit anderen Müttern und anderen Kulturen ist sehr spannend und hilfreich. So lernen die Kinder, dass alle gleichwertig sind, egal aus welchem Land sie kommen.» Auch Daria Jost ist des Lobes voll, unterstützt von Amra: «Das Mutter-Kind Treffen ist eines der niederschwelligsten Angebote, an die sich Mütter mit kleinen Kindern in Frauenfeld wenden können. Hier hole ich mir Tipps von anderen Müttern aus allen Gesellschaftsschichten und Kulturen, hier lasse ich mein Kind mit anderen Kindern spielen und tanke Kraft im Gespräch und bei einer Tasse Kaffee.» Lisa Borchert stimmt in den Chor ein und drückt aus, was alle bewegt: «Zum Schluss noch ein grosses Lob und meinen herzlichen Dank an Alle, die mit ihrer Freiwilligenarbeit im Quartiertreffpunkt glänzen. Die mit Herzblut organisierten Themen, Bewegungs- und Bastelangebote sind eine Bereicherung für das Leben von vielen Familien und Kindern!» Und das müsse weitergeführt werden.


 


Neue Freundschaften 


Auch die Stimmen der Teilnehmenden des Mittagstisches bestätigten das Gesagte. «Der Wunsch nach einem gemeinsamen Mittagessen war von Beginn weg vorhanden. Der Mittagstisch findet einmal im Monat statt. Das Team der Metzgerei Dober liefert das Menu, das dann gemeinsam im Treffpunkt genossen wird. Kaffee und gespendete Kuchen runden das Angebot ab. Zurzeit nehmen jeweils 30 – 35 vor allem ältere Menschen am Mittagstisch teil. Die Teilnehmenden schätzen das Essen in Gesellschaft. Immer wieder entstehen so neue Freundschaften. Viele dieser Personen nehmen auch am zweimal jährlich stattfindenden Sonntagsbrunch teil», berichtet Therese Baumgartner. Elmar Müller stimmt zu: «Beim Quartiertreff finden sich Leute zusammen, welche sich teilweise sonst nie/nicht begegnet wären und/oder nichts zusammen unternommen hätten.»


Und Hans und Verena Stettler berichten: «Gern haben wir an den Mittagessen teilgenommen und das Gespräch mit Bekannten und neu Teilnehmenden geschätzt. Auch das Repair-Café hat grossen Anklang gefunden. Mit der Schliessung geht ein wichtiges Stück Leben im Quartier verloren. Wir hoffen sehr, dass eine Lösung gefunden wird und die Kontakte weitergehen können. Es gibt viel Bereitschaft von Freiwilligen, die sich immer wieder dafür eingesetzt haben. Auch dies sollte nicht verschwinden.» Eine Aussage, die alle Beteiligten unterschreiben könnten.


Thomas Schaffner 


 


«Ein Erfolgsmodell, das weiter bestehen muss»


Stellungnahme von Therese Baumgartner (für die diversen Gruppen des QTP Talbach):


«Vor ziemlich genau 11 Jahren wurde der Quartiertreffpunkt Talbach mit einem grossen Fest eröffnet. Das Bedürfnis nach einem Raum, in dem sich verschiedenste Gruppierungen begegnen können, wurde im Projekt Quartierentwicklung Ergaten-Talbach nachgewiesen.


Die Stadt stellt seither den Raum am Talbachkreisel der Bevölkerung zur Verfügung und bietet damit die Möglichkeit, dass freiwillig Engagierte unterschiedliche Aktivitäten anbieten können. Im Laufe der Zeit hat sich ein vielfältiges Programm entwickelt.


So treffen sich ältere Menschen zum Spielen oder beim Mittagstisch, Mütter mit ihren Kindern im Mutter-Kind-Treff oder Frauen tauschen ihre Ideen beim Stricktreff aus. Es gibt auch ein Angebot für Kinder und Jugendliche sowie ein Treffen von Frauen mit albanischer Erstsprache. Eine Gruppe von engagierten Eltern aus Eritrea bietet einen Erstspracheunterricht für ihre Kinder an.    (ts)


 


Therese Baumgartner ist Mitglied der Betriebsgruppe des Quartiertreffpunkts Talbach und das Bindeglied zwischen der Stadt und dem Quartiertreffpunkt. Sie ist auch Mitorganisatorin des Mutter-Kind-Treffs (mit Lirije Begzati), des Mittagstischs (mit Claudia Lüber), des Sonntagsbrunchs und der Weihnachtsschmuckbörse. Bis zu ihrer Pensionierung im Sommer 2021 war sie bei der Primarschule Frauenfeld knapp 30 Jahre lang als Lehrerin für Deutsch als Zweitsprache angestellt, daneben leitete sie während neun Jahren mit Lirije Begzati die Eltern-Kind-Gruppe der Stadt Frauenfeld. Seit der Eröffnung des Quartiertreffpunkts ist sie mit dabei.


 


Förderlich für das gute Zusammenleben


Neben diesen regelmässig stattfindenden Angeboten gibt es weitere Veranstaltungen, welche ein- bis dreimal jährlich stattfinden, wie das Repair-Café, der Sonntagsbrunch oder in Zusammenarbeit mit Pro Junior die Weihnachtsschmuckbörse. Das Programm wird ergänzt durch Aktivitäten des Vereins Bibliothek der Kulturen und der Nachbarschaftshilfe Ergaten-Talbach. So vergeht unter der Woche kaum ein Tag, an dem der Treffpunkt ungenutzt bleibt. Die Angebote werden sehr gut besucht und sind ein wichtiger Beitrag zum guten Zusammenleben im Quartier und in der Stadt. Vor allem an den Wochenenden wird der Raum auch für private Feste gemietet. Da werden Geburtstage, Taufen oder sogar Hochzeiten gefeiert. Leider ist nun mit all dem ab Januar 2025 an diesem Standort Schluss. Wir hoffen sehr, dass eine Anschlusslösung für unsere Aktivitäten gefunden wird, werden doch dafür mit viel Freude und Ausdauer unzählige Stunden Freiwilligenarbeit geleistet.   (ts)