Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 02.02.2022

Emotionales Adieu nach 43 Jahren

Ruth Pernet sucht Nachfolge für Landhaus-Kiosk an der Zürcherstrasse 284

Die Ära von Ruth Pernet als Inhaberin des Landhaus-Kiosks an der Zürcherstrasse 284 geht nach 43 Jahren zu Ende. Als Folge eines gravierenden Umsatzrückgangs hat sie sich entschlossen, den Kiosk zu schliessen. Damit droht dem Langdorf der Verlust eines Treffpunkts.

 

 

Ruth Pernet bemüht sich an diesem Nachmittag, für das Foto zusammen mit ihrer Tochter Jacqueline in ihrem Kiosk ein fröhliches Gesicht zu machen – so richtig locker kommt das freilich nicht rüber. Das überrascht aber nicht, denn die Kioskbesitzerin hat sich entschlossen, einen Schlussstrich unter dieses prägnante Kapitel in ihrem Leben zu ziehen. Zwar bedient Ruth Pernet aus Altersgründen selber keine Kunden mehr am Kiosk, ihr Namenszug aber ist seit Jahrzehnten über dem Schiebefenster präsent.

Unter den Erwartungen
Noch im März letzten Jahres war beim Kiosk ein Neuanfang gemacht worden. Dies nachdem zuvor die frühere Betreiberin den Kiosk aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hatte. Daraufhin konnte Ruth Pernet vier Frauen gewinnen, von Montag bis Samstag die Kundschaft zu bedienen: Jacqueline Pernet, Marlies Brönimann, Judith Zarn und Regina Hirzberger. «Die Nachfrage für Zeitungen, Zeitschriften, Tabakwaren, Süssigkeiten, Losen und sonstigen Kioskwaren blieb aber deutlich unter allen Erwartungen», sagt die Inhaberin dazu. Trotz frischem Wind blieb der Umsatz stets unter dem Kostendeckungsgrad – und deshalb zieht Ruth Pernet nun den Stecker. Dabei ist ihr dieser Entschluss keineswegs leichtgefallen, wie ihrer Stimme zu entnehmen ist. Sie ist in einem Wechselbad der Gefühle und postwendend beginnen ihre Augen zu leuchten, wenn sie von früher erzählt. Vom Leben beim Kiosk, der stets ein beliebter Treffpunkt war für einen Schwatz mit Kundinnen und Kunden sowie mit Passantinnen und Passanten. In den letzten Jahren hat sich aber vieles verändert – wobei wohl auch der Lockdown und die Auswirkungen des Corona-Virus generell mitgewirkt haben dürften. Dabei hat dieser Kiosk in diesen Jahrzehnten viel erlebt – in den 80er Jahren ereignete sich dort gar einmal ein Raubüberfall durch einen bewaffneten Räuber. Die Mitarbeiterin, die damals bediente, kam glücklicherweise mit dem Schrecken davon. «Alles in allem war es eine schöne Zeit. Nun ist aber der Zeitpunkt gekommen, um der Kundschaft herzlich Dankeschön und Adieu zu sagen», sagt Ruth Pernet mit einem Lächeln im Gesicht – die Wehmut in ihren Worten freilich ist nicht zu überhören.

Andreas Anderegg


Kiosk ist über 100 Jahre alt
Der Kiosk an der Zücherstrasse im Langdorf besteht immer noch aus den Original-Bauteilen (Holz/Fensterglas) und er ist über 100 Jahre alt, wie ein Foto aus dem Jahr 1920 belegt. Darauf ist der Kiosk am früheren Standort neben dem Hotel Merkur an der Bahnhofstrasse zu sehen, dort wo sich heute die Apotheke im Einkaufszentrum Passage befindet. Mitte der 60er Jahre wurde der Kiosk abgebrochen und in der Zimmerei Freyenmuth hinter dem Merkur eingelagert. Als die Firma ihren Sitz ins Langdorf verlegte, wurde auch der Kiosk mitgenommen – und Ende der 60er Jahre dann am heutigen Standort beim Landhaus aufgestellt. Im Jahr 1979 hatte Ruth Pernet den Verkaufspunkt von Berti Früh erworben, bei der sie zuvor bereits im Verkauf mitgearbeitet hatte. Ruth Pernet führte den Kiosk bis Mitte des Jahres 2000 selber, dann verpachtete sie ihn aus gesundheitlichen Gründen. (aa)