Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 10.11.2021

Weichen für Energiewende gestellt

Thurplus hat noch einen weiten Weg vor sich – Liegenschaftsbesitzer auch

Vor vier Jahren gab es ein klares Ja der Bevölkerung zum Energiegesetz und damit zur Energiestrategie 2050. Diese setzt Energieversorger wie Thurplus, aber auch Liegenschaftsbesitzer unter Druck. Denn bis zur erfolgreichen Energiewende ist es noch ein weiter Weg.

 

 

Thurplus machte mit der Übernahme der Wärmeversorgung Frauenfeld-West AG Ende September in Sachen Energiewende einen ersten grossen Schritt in die Zukunft. Für Stadtrat Fabrizio Hugentobler, Departementsvorsteher Werke, Freizeitanlagen und Sport, ist klar: «Wir müssen im Jahr 2040 Kundinnen und Kunden erneuerbare Energie, insbesondere Wärme, anbieten können, sonst erreichen wir das Ziel 2050 nicht».
Wärmering Frauenfeld-West
Auch wenn 29 Jahre bis zum Ziel 2050 nach einer langen Zeit klingen, so gibt es doch Grossprojekte, die eilen. Allen voran ist es der Um- und Ausbau der Fernwärme Frauenfeld-West zu einem grossen Wärmeverbund. Ein entsprechender Rahmenkredit über rund 25 Millionen Franken soll im Herbst 2022 vors Frauenfelder Stimmvolk kommen. Weiter plant man derzeit, auch die fossilen Heizungen in der Altstadt abzulösen. «Mit dem Erweiterungsbau des Verwaltungsgebäudes bietet sich eine einmalige Chance, eine Wärmezentrale zu errichten. Die Planungen dazu laufen», erklärt Fabrizio Hugentobler.
An oberster Stelle steht für Thurplus die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, also die Umstellung auf CO2-neutrale Heizwärme. Denn Stand heute wird in der Thurgauer Kantonshauptstadt über 90 Prozent mit Gas und rund 8 Prozent Öl geheizt. «Es ist klar, dass wir davon wegkommen und diese Brennstoffe ablösen müssen, die Frage ist nur wie und wann», sagt Fabrizio Hugentobler.

Wärme- und Kältekonzept
Wie man einen Teil Heizwärme ersetzen will, ist seit diesem Frühling klar. Damals präsentierte Thurplus sein Wärme- und Kältekonzept. Im Zentrum dessen steht die Nutzung der Abwärme der ARA Frauenfeld, die teilweise schon heute genutzt wird. An dieses Netz angeschlossen wird auch der Hallenbadneubau. Ausserdem spielt auch das Holzheizkraftwerk der Zuckerfabrik eine Rolle, das sich derzeit noch im Bau befindet und ab Sommer 2022 im Vollbetrieb 40 Gigawattstunden Heizwärme produzieren soll. Einen Teil davon will Thurplus künftig im Wärmenetz Frauenfeld-West nutzen und absetzen.

Tief in die Tasche greifen
Das Angebot von Thurplus verändert sich: «Wir können Fernwärme nur bereitstellen und zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten. Die Kunden müssen sich aber auch dafür entscheiden, damit wir zunehmend neue Netze ausbauen können», erklärt Fabrizio Hugentobler. Und genau da liegt die Herausforderung. Denn während derzeit viele Grossfirmen und Energieanbieter viel in den Umstieg auf «saubere» Energien investieren, geht es auch vielen anderen ans Portemonnaie. «Das waren sich wohl viele bei der Abstimmung vor ein paar Jahren nicht bewusst», mutmasst Fabrizio Hugentobler.
Denn alle Liegenschaftsbesitzer müssen gemäss Gesetz bis 2050 ihre Ein- und Mehrfamilienhäuser oder Bürokomplexe so Um- oder Aufrüsten, dass sie nicht mehr mit fossilen Brennstoffen beheizt werden. Statt Öl- und Gasheizung muss dann beispielsweise ein Wärmespeicher mit Solaranlage her, ein Anschluss an ein Fernwärmenetz gemacht, eine Wärmepumpe eingebaut werden oder mehr lokales Biogas sowie erneuerbare Gase verwendet werden.

Fernwärme alleine reicht nicht
Nicht nur die Kosten für das Umrüsten der Heizsysteme beschäftigt die Liegenschaftsbesitzer in Zukunft. Ein weiterer wichtiger Punkt sind Gebäudehüllensanierungen, die den Energiebedarf teilweise massiv senken können. Denn der Strombedarf nimmt mit neuen Heizungsarten nicht ab. Daher wird Stromsparen nötig sein, wird doch bereits heute in den Wintermonaten gut ein Drittel des benötigten Stroms importiert, weil im Inland zu wenig Kraftwerkskapazitäten bereit stehen.
Klar ist, es gibt auf allen Seiten noch einiges zu tun, um die Energiestrategie 2050 und die damit verbundene Energiewende wirklich über die Bühne zu bringen. Eine frühzeitige und langfristige Planung ist dabei unabdingbar, wie das Beispiel Thurplus zeigt.

Michael Anderegg