Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 10.04.2025

«Die Zeit war reif für Offcut im Thurgau»

Materialmarkt bereitet sich auf Eröffnung vor

 

 

Es herrscht eine geschäftige Atmosphäre an diesem Morgen in der Frauenfelder Stadtkaserne. Die Kaffeerösterei stellt ein Schild nach draussen, eine Anlieferung kommt und auch in den Räumen von Offcut ist schon einiges los: Zwischen hohen Metallregalen sind Claudia Hürlimann und Sibylle Meister dabei, Berge von bunten Stoffen, glänzende Metallteile und Holzreste in allen Formen zu sichten und zu sortieren. Claudia Hürlimann hält ein Stück schimmernden Stoff in die Höhe: «Das ist von einer Haushaltsauflösung», berichtet sie.
Sibylle Meister nickt. «So besondere Stoffe bekommt man nicht jeden Tag», sagt sie. Es gibt noch viel zu tun bis zur Eröffnung am 1. Mai. In der Mitte des Raumes steht ein grosser Tisch. Dieser soll bleiben. Die Besucher sollen hier verweilen und sich austauschen. Über Kreativität, Gestalten und die Materialien. An diesem Tag wird die Kaffeemaschine von Offcut zur Reparatur abgeholt. Alles läuft Hand in Hand und die beiden Frauen freuen sich auf die Eröffnung.


Was ist Offcut?
Offcut ist ein gemeinnütziger Verein, der sich der Rettung und Wiederverwendung von wertvollen Materialresten verschrieben hat. Offcut gibt es in Städten wie Basel oder St. Gallen. «Die Läden unterstützen sich gegenseitig. So haben wir zum Beispiel Material-Lieferungen von anderen Offcutläden bekommen», erzählt Claudia Hürlimann. Offcut ist ein Materialmarkt, eine Austauschplattform und ein Ort der Inspiration. Der Verein sammelt gebrauchte Materialien wie Stoffe, Schrauben, Holzteile, Deko, Farben, Leder, Wolle und vieles mehr. Offcut bedeutet übersetzt «Abschnitt». Überschüssiges Material, Rohlinge und eben Abschnitte werden für kreative Projekte verwendet. Das Ziel: Aus diesen Reststoffen sollen wieder Werkstoffe werden. Unternehmen spenden ihre Produktionsreste, Privatpersonen überlassen Materialien und manches kommt aus der Film- und Ausstellungsbranche in den Materialmarkt.
Wer ein kreatives Projekt beginnen möchte, kann sich vom Materialfundus bei Offcut inspirieren lassen. Nicht nur Menschen, die etwas gestalten wollen, werden hier fündig. Auch Handwerker finden in dem Materialmarkt etwa Schrauben, Metallteile oder Holz und vieles mehr. Der Verein ist nicht gewinnorientiert, alle Einnahmen sollen den Betrieb erhalten. Den Verein gibt es seit mehreren Jahren in verschiedenen Schweizer Städten, und eine Genossenschaft im Hintergrund hat es sich zum Ziel gesetzt, möglichst viele solcher Läden zu eröffnen.


Wie kam es dazu?
Die Lehrperson Claudia Hürlimann ist sehr kreativ und gestaltet mit ihren Schülern viel. Als sie in einer Zeitschrift einen Bericht über Offcut Schweiz las, war sie begeistert: «Ich dachte, das ist eine tolle Idee.» Sie besuchte Offcut in St. Gallen und fühlte sich inspiriert. «Es wäre doch toll, wenn es Offcut auch im Thurgau gibt», dachte sie damals. Doch sie hatte Bedenken, weil der Thurgau ländlicher als St. Gallen ist. Es müsste an einem Ort mit guter Verkehrsanbindung sein, ein Ort, an dem es viele Leute hat. Die Initialzündung zur Umsetzung sei dann die Stadtkaserne gewesen, erzählt sie. «Ohne die Stadtkaserne hätten wir es nicht gemacht. Es ist einfach ein tolles Setting, mit anderen Pionieren zusammen.» Sie schaute sich das Konzept von «Markt Thurgau» an und fand sich wieder in dem Punkt von Nachhaltigkeit, der ihr ein grosses Anliegen ist. So ging sie zum Infotag der Stadtkaserne und brachte den Stein ins Rollen.
Zusammen mit Sibylle Meister suchte sie Gleichgesinnte und veranstaltete schliesslich ein Info-Treffen zu Offcut im Stadtlabor. «Wir waren überwältigt von der Resonanz», berichten beide. «Die Zeit war reif für Offcut im Thurgau», fanden die zwei Frauen. So kamen genügend Mitwirkende für Offcut Frauenfeld zusammen. Inzwischen sind es 25 Mitwirkende. «Wir brauchten Leute für den Verkauf im Laden, für den Transport und die Organisation», sagen sie.


Der Alltag bei Offcut
Der Markt wird von Mittwoch bis Samstag geöffnet haben. Die Zielgruppe sind Kunstschaffende, Familien mit Kindern, Heim- und Handwerker und alle, die gerne gestalten wollen. Der Vorteil: «Zu günstigen Preisen kann man bei uns das Material bekommen.» Und was tun mit dem Material? Die Ideen gehen den beiden nicht aus: Deko kann man basteln, oder kreative Projekte gestalten, eine kreative Materialverwertung.
«Das Material soll zu neuen Ideen anregen. Zum Beispiel zur Zweckentfremdung. Je schräger, je cooler», sagt Sibylle Meister. Das Material soll inspirieren, etwas daraus zu machen. «Zum Beispiel: Was kann man aus Pinselstielen gestalten?» Allein die Sichtung des Materials regt die Kreativität an. Darum gehe es: neue Ideen. «Es ist wie eine Wundertüte», sagen die beiden Frauen über das Material. Spannend werde es, wenn man erst recherchieren müsste, was genau das Material sei. Dann entstehen Ideen. Das Material ist also der Ausgangspunkt für Kreativität. Auch ist das Ziel, sich mit ökologisch-nachhaltigen Themen auseinanderzusetzen.
Bald soll es Bildungsangebote und Aktivitäten im Offcut in Frauenfeld geben: Workshops, Kurse zu bestimmten Materialien. Das Angebot richtet sich an Schulklassen, Familien, Vereine sowie alle, die gerne gestalten und Neues ausprobieren wollen. Das Bildungsangebot ist gerade noch im Aufbau. Hinter Offcut Frauenfeld stehen: Im Kernteam vom Offcut sind: Claudia Hürlimann, Sibylle Meister, Gwendolyn Mösler, Martin Hanenberg, David Weidmann und Peter Mösler.  Elke Reinauer