Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 19.03.2025

Ein Besuch bei Aufräumcoach Sonja Moro Nardi: «Alles hat seinen Platz»

Alle Jahre wieder steht der Frühjahrsputz an. Für die einen eine ungeliebte Tätigkeit, für andere mit einem Gefühl der Befreiung und Erleichterung verbunden. Zum Grossreinemachen kommt noch das Ausmisten dazu. Wir haben mit Aufräumcoach Sonja Moro Nardi aus Frauenfeld darüber gesprochen, warum dies so wichtig ist.

 

 

Der Keller vollgestopft, der Kleiderschrank quillt über, der Kühlschrank ein mikrobiologisches Forschungslabor – in vielen Haushalten ist der Frühjahrsputz eine jährliche Notfallmassnahme. Nicht so bei Sonja Moro Nardi. In ihrer Küche könnte man vom Boden essen – aber warum sollte man, wenn alles andere so makellos ist? Sonja war schon immer ordentlich, verrät sie, als sie dem Gast ihr Zuhause zeigt. Ja, in ihrer Küche sieht es jeden Tag so aus: Ausser der Kaffeemaschine, einem Messerblock und drei Dekoartikeln steht nichts herum. Sonja öffnet einen Küchenschrank: Auf einem Rollteller sind Gewürze angeordnet, aus einem Fach darunter zieht sie eine durchsichtige Box, in der sich Küchenhandtücher aneinander reihen. Alles hat seinen Platz. «Ich hasse es, zweimal das Gleiche in die Hand zu nehmen», sagt sie. «Und ich liebe System», fügt sie an und ist in ihrem Element: «Wenn aufgeräumt ist, ist die meiste Arbeit getan. Alles hat seinen Platz und man muss es nur an diesen zurücklegen.» 


In ihren Küchenschränken ist alles praktisch verstaut, jeder Gegenstand hat einen festen «Parkplatz» wie sie es nennt. Verstärkt beschäftigte sie sich mit dem Thema schon vor einigen Jahren, als es im Fernsehen vor Aufräumcoaches wimmelte. Allen voran Marie Kondo, die berühmte Aufräumerin aus den USA, die etliche Bücher zu dem Thema veröffentlichte. Später machte Sonja Nägel mit Köpfen und liess sich zum Aufräumcoach ausbilden. Diesen Beruf gibt es wirklich! Dazu absolvierte Sonja eine Ausbildung in Basel. «Man hat mir immer gesagt, ich bin ein Organisationstalent», sagt sie. Und so organisiert sie ihr Ordnungssystem mit Boxen. Verstaut Gegenstände in diesen oder fächert Tücher und Stoffe auf, anstatt sie zu stapeln. 70 Schulstunden und 50 Arbeitsstunden absolvierte in ihre Ausbildung zum Aufräumcoach und machte sich selbstständig: MONA heisst ihr System, das steht für Misten, Ordnen, Nachhaltig, Aufgeräumt. 


System macht Freude
Man merkt ihr an, dass ihr das Ordnungssystem Freude macht. Sie verrät schmunzelnd, dass sie früher, bei jedem Job, den sie anfing, zuerst das Büro aufräumte: «Jede Schublade wurde geöffnet und die Akten sortiert. So wusste ich schnell, wo sich was befand.» Sonja fing zunächst an, Familienmitgliedern beim Aufräumen zu helfen. So hatte sie zum Beispiel grosse Freude daran, mit jungen Menschen, die anfangen zu studieren, Wohnung neu einzurichten.


Wenn sie zu ihren Kunden kommt, hat sie immer ihren Mary-Poppins-Koffer dabei. Darin sind Stifte zum Beschriften oder Plastiksäcke. «Das wichtigste Werkzeug ist aber die richtige Einstellung», schmunzelt sie. Ihr Vorgehen folgt einer klaren Struktur: zuerst das Misten. «Alles wird auf Stapel gelegt und eine Bestandsaufnahme gemacht», erklärt sie. Dann wird sortiert. «Die entscheidende Frage ist: Was behalte ich?» Man müsse nicht alles gleich wegschmeissen, betont Sonja. «Eher verschenken und weitergeben. Nachhaltigkeit ist mir wichtig.»


Einer der wichtigsten Punkte beim Aufräumen ist das Kategorisieren. Sonja rät, nach der Bestandsaufnahme die Dinge zu kategorisieren, also zum Beispiel im Badezimmer. Hier kommen alle Duschgels an einen Ort. Dann wisse man auch gleich, wenn der Bestand leer ist und hat nicht irgendwo noch eins herumliegen, sagt sie. Es spare Zeit, wenn man weiss, dass sich alles immer an einem Platz befindet.


Ordnung in Boxen
Wie genau läuft so ein Aufräumcoaching mit Sonja ab? Zunächst gibt es ein Vorgespräch. Dann senden ihr die Kunden ein Foto zu, zum Beispiel vom Kleiderschrank. «Ich bitte sie auch immer, die Kleiderschränke auszumessen, sodass ich weiss, wie gross die Boxen sein müssen. Für einen Kleiderschrank zum Beispiel benötigt sie einen Nachmittag.» Oder bei einem vollgestopften Keller: Sonja berichtet von einem Fall, bei dem der Keller so voller Kisten und Gegenständen war, dass man kaum einen Fuss hineinsetzen konnte. Die Lösung: ein Holzregal! Das brachte Ordnung und Struktur rein.


Sie hat aber auch Erfahrung bei Hausauflösungen. «Da würde ich empfehlen, mit etwas Kleinem anzufangen, was emotional nicht so belastend ist», rät Sonja. Denn ausmisten und sortieren hat mit Loslassen zu tun. Und dafür steht das Wort «Coach»; sie hilft Menschen beim Thema Loslassen von Gegenständen. Welche Erinnerungen werden behalten? Diese werden dann in eine Schachtel gepackt, die man immer wieder hervorholen kann, um sie zu betrachten. Während viele ihre Kunden anfangs zögerlich sind, bestimmte Dinge loszulassen, erlebt Sonja oft einen befreienden Effekt: Nach dem ersten erfolgreichen Aussortieren möchten die meisten weitermachen. Das Schöne, wenn man aufgeräumt hat: Immer wieder schaut man sich die aufgeräumte Schublade an und verspürt Freude.


Aufräumen als Event
Doch was, wenn die Kinder nicht aufräumen wollen, der Partner seine dreckigen Socken überall liegen lässt? Sie rät zur Kompromissbereitschaft. «Nicht jeder hat den gleichen Ordnungssinn.» Sonja deutet auf ihre Küche: «Für die einen wäre das, was hier rumsteht, schon zu viel, für die anderen zu wenig.» Es gebe kein Richtig und kein Falsch. Ihre persönliche Grenze wäre, wenn sich das Geschirr stapelt in der Spüle. «Das kann man machen, muss sich aber bewusst sein, dass es dann am Wochenende eine Stunde kostet, alles abzuwaschen. Je öfter, je einfacher, sei ihr Motto. Wenn man also jeden Tag das dreckige Geschirr abwasche, dann spare man Zeit.


Das Aufräumen ist bei Sonja zum Event geworden. «So macht es mehr Spass. Ich verabrede mich zum Beispiel mit einer Freundin zum Fensterputzen. Davor frühstücken wir in Ruhe und putzen dann gemeinsam.» Ihr Tipp: Den Frühjahrsputz in der Gemeinschaft durchführen. Sich einen Termin setzen und dann helfen alle zusammen. Als Belohnung gibt es ein schönes Essen.


Ob Chaoshaushalt oder Wohlfühloase – wie unser Zuhause aussieht, liegt in unserer Hand. Mit ein wenig System, etwas Mut zum Loslassen und vielleicht der Unterstützung von Gleichgesinnten kann der Frühjahrsputz tatsächlich zu dem werden, was er sein sollte: ein Neuanfang.


Elke Reinauer