Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 05.02.2025

Über 100 Jahre alt und kein bisschen leise

Ein Proben-Besuch beim Männerchor in Buch kurz vor den Unterhaltungsabenden

 

 

Sonntagmorgen in Buch: 
Die Strassen leergefegt, die Kirchenglocken schweigen. Fast scheint das Dorf noch zu schlafen. Doch betritt man das Alte Schulhaus, weiss man, wo ein Teil der Bevölkerung sich befindet: Ordentlich in zwei Reihen stehen Bässe, Tenöre und Bariton und füllen fast den ganzen Raum aus. Lautstark singen sie: «Über sieben Brücken musst du gehen». Es tönt gut, mitreissend und stimmgewaltig bis Dirigent René Aebi den Chor unterbricht und auffordert, eine Stelle zu wiederholen. Auf der Bühne im Saal stehen bereits die Kulissen für das Theaterstück, das am Wochenende aufgeführt wird, im Rahmen der Unterhaltungsabende, die unter dem Motto «Traumland» stehen. Dafür laufen die Proben des Männerchors auf Hochtouren, selbst am Sonntag. «In der heissen Phase proben wir zwei Mal in der Woche», so Präsident Urs Müller. Und die heisse Phase ist jetzt: Denn in wenigen Tagen ist Premiere. 
Während sich vielerorts Männerchöre auflösen, hat der Männerchor Buch keine Probleme, Sänger zu finden und zu halten. Doch es gab auch andere Zeiten, wie die langjährigen Mitglieder Jörg Müller und Peter Roos berichten. Müller, seit 1973 Mitglied, erinnert sich in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum 2015 an magere Jahre – wenige Mitglieder, zeitweise sogar ohne Dirigenten. Damals gab es in Buch nur den Männerchor und den Schützenverein. «Anfangs war es zum Weinen», schreibt er.
Der Grund: ein klassischer Generationenkonflikt. «Als ich damals in den Männerchor kam, durften wir Jungen nicht mitbestimmen. Die Garde der Älteren wollte keine Änderungen, die Jungen schon», erinnert sich Müller. Es brauchte Jahre, bis sich das wandelte. Bis aus dem Vereinsmotto «Alle für einen, einer für alle» gelebte Realität wurde.


Gegenseitiger Respekt
Wie kam das zustande? Sänger Peter Roos sagt: «Ich glaube, es liegt am gegenseitigen Respekt. Die Jungen respektieren die Alten und umgekehrt.» Jörg Müller ergänzt: «Die Jungen bringen frische Ideen rein.» Ausserdem packt jeder mit an bei den Unterhaltungsabenden: Ob beim Aufbau oder Wirten, die Sänger, ihre Partnerinnen und Freunde sind hinter und vor den Kulissen im Einsatz.
Der wahre Treffpunkt nach den Auftritten ist allerdings die legendäre Sängerbar. Die Sängerbar ist dabei mehr als nur eine Bar – sie ist das Herzstück der Unterhaltungsabende. Bis in die frühen Morgenstunden geöffnet, treffen sich hier Jung und Alt, Sänger und solche, die es werden wollen, Zuschauer nach der Veranstaltung – kurz gesagt, ganz Buch feiert mit. Auch Präsident Urs Müller erinnert sich schmunzelnd an seine eigene Rekrutierung: «Nach ausführlichen Diskussionen in der Sängerbar bin ich dem Verein beigetreten.» Das Erfolgsrezept sieht Müller auch im Repertoire des Chors: «Was wir singen, ist nicht klassischer Männerchor. Wir haben einen Mix aus modernen und traditionellen Liedern. Viele Leute schätzen diesen Mix.» Von «Abendstille in den Bergen» über Mundartlieder bis zu Pop-Songs ist alles dabei.
Singen macht gute Laune – vor allem wenn für jeden Geschmack etwas dabei ist. In der Festschrift nennt jeder Sänger sein Lieblingslied, diese reichen von «Va Pensiero» (Verdi) bis zu «Ein Bier, das macht den Durst erst schön.» Doch dann kam die Corona-Pandemie. Während viele Chöre ihre Proben einstellten, ging der Männerchor Buch den virtuellen Weg und verlegte die Proben ins Internet. «Das war besser als gar nicht zu proben», erinnert sich Urs Müller. «Die Online-Proben haben sich bewährt, um dranzubleiben und den Zusammenhalt zu stärken», so Urs Müller über die Pandemiezeit, an der viele Chöre zerbrachen.


Schnupperproben für neue Sänger
Neue Mitglieder dürfen dreimal zu Schnupperproben kommen, bevor sie sich entscheiden. «Es muss niemand vorsingen», sagt Urs Müller. Die meisten sind nach den ersten Proben begeistert – auch von den Aussichten auf die gemeinsamen Reisen. Denn was den Chor von anderen unterscheidet: Hier gibt man sich nicht mit einem eintägigen Ausflug zufrieden. Der Chor lebt für seine Reisen, die ihn schon nach Estland, Russland oder Irland führten. Hier sind die Männer unter sich, stärken ihren Teamgeist und belohnen sich für die harte Arbeit. «Wir veranstalten die Unterhaltungsabende für unsere Reisen», erklärt Müller. Mit den Einnahmen werden diese Ausflüge finanziert.
Der Erfolg des Chors hat viele Väter – einer davon ist René Aebi, der seit 1999 den Taktstock schwingt. Er lobte den Chor in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum für sein Engagement, seine Hilfsbereitschaft und Offenheit für Neues.
Diesem Geist folgen die Sänger: Von 32 bis 82 Jahren reicht das Altersspektrum – ein lebendiger Beweis für das Miteinander der Generationen. «Der Teamgeist ist enorm», sagt Urs Müller. Hinter den Kulissen packen alle mit an: Partner, Freunde und die Sänger selbst, sei es beim Aufbau oder beim Wirten. «Heute sind wir mit 40 aktiven Sängern der grösste Männerchor im Thurgau», stellt Müller nicht ohne Stolz fest.
Davon zeugt auch die Sonntagsprobe im Alten Schulhaus. Nach der Probe trifft man sich traditionell im «Hirschen» auf ein Bier und ein Mittagessen. Das Gasthaus ist eng mit der Geschichte des Chors verbunden – hier fanden einst die Abendunterhaltungen statt, bis in den 50er-Jahren mit der Einweihung des neuen Schulhauses auch die Mehrzweckhalle als Probenlokal hinzukam. Während René Aebi eine weitere Passage des «Sieben Brücken»-Liedes wiederholen lässt, wird klar: Hier probt nicht einfach ein Chor – hier lebt eine Gemeinschaft ihr Motto: «Einer für alle, alle für einen.»

Elke Reinauer


 


Vorstellungen


Sämtliche Abendvorstellungen sind für dieses Jahr ausverkauft. Besuchen Sie unsere Nachmittagsvorstellung vom Samstag, 8. Februar, um 13.30 Uhr. 
Eintritt frei