Frauenfeld · 18.12.2024
Stadtpräsident Stokholm über Finanzen, Erfolge und seine Pläne

Nach einem turbulenten Start ins Jahr 2024, in dem Frauenfeld zunächst ohne Budget auskommen musste, zieht Stadtpräsident Anders Stokholm Bilanz. Im Gespräch erklärt er seinen überraschenden Entschluss, das Amt im Mai 2025 niederzulegen, und blickt auf die Herausforderungen des vergangenen Jahres zurück.
Herr Stokholm, Sie haben sich entschieden, nach zehn Jahren als Stadtpräsident einen neuen Weg einzuschlagen. Was bewegt Sie zu diesem Schritt?
Der Zeitpunkt erscheint mir ideal für einen Neuanfang. Mit 58 Jahren fühle ich mich noch jung genug, um etwas Neues aufzubauen. Hätte ich bis zum Ende der Legislaturperiode gewartet, wäre ich bereits 61 – ein Alter, in dem man sich beruflich ungern neu orientiert. Neben meiner künftigen Tätigkeit als Pfarrer in Erlenbach plane ich auch den Aufbau eines eigenen Unternehmens.
Der Wechsel vom Stadtpräsidenten zum Pfarrer ist ungewöhnlich. Sehen Sie Parallelen zwischen beiden Ämtern?
Durchaus. In beiden Funktionen bin ich Ansprechpartner für alle Bevölkerungsgruppen. Der wesentliche Unterschied liegt im Handlungsspielraum: Als Stadtpräsident bin ich an das Legalitätsprinzip gebunden – jede Entscheidung muss sich auf geltendes Recht stützen. Als Pfarrer hingegen kann ich im Bereich des Glaubens freier agieren. Was die Politik betrifft: Ich freue mich ehrlich gesagt auf etwas Distanz zum politischen Tagesgeschäft.
2024 begann für Frauenfeld mit einer aussergewöhnlichen Situation – die Stadt stand ohne Budget da...
Das war in der Tat eine grosse Herausforderung. Wir konnten nur gesetzlich vorgeschriebene Ausgaben tätigen, viele Bereiche liefen auf Sparflamme. Der Begriff «Notbudget» ist eigentlich irreführend – wir hatten schlicht kein Budget. Ein längerer Stillstand hätte einen erheblichen Rückschritt bedeutet. Zum Glück wurde das Budget dann noch genehmigt.
Welche Erfolge konnten Sie 2024 verzeichnen?
Besonders stolz bin ich auf zwei erfolgreiche Abstimmungen: zur IKT und zu den Neubaubewertungsreserven. Die Bevölkerung stimmte der Vorlage «Erneuerung und Auslagerung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) der Stadtverwaltung und des Alterszentrums Park» zu. Ausserdem der Verwendung der Neubaubewertungsreserven im Umfang von über 36 Millionen Franken. Auch die Bewältigung der budgetlosen Zeit war letztlich ein Erfolg, für den ich besonders unseren engagierten Mitarbeitenden danken möchte.
Eine weitere Herausforderung war die gescheiterte Steuerfussanpassung...
Im Nachhinein müssen wir selbstkritisch eingestehen, dass wir die Notwendigkeit der Anpassung nicht überzeugend genug kommuniziert haben. Die Erhaltung der städtischen Infrastruktur, wie beispielsweise die Sanierung des Casinos, erfordert finanzielle Mittel. Durch die abgelehnte Steuerfussanpassung fehlen uns nun jährlich 2,1 Millionen Franken Einnahmen für diese wichtigen Aufgaben.
Beim Thema Finanzen kommt auch gleich das Thema Sparen ins Spiel.
Der Stadtrat hat im Herbst 2023 eine Finanzstrategie bis ins Jahr 2027 entwickelt. Da geht es darum, zum Beispiel mehr Steuern zu generieren, die Personal- und Sachausgaben stabil zu halten, die Infrastruktur zu stärken. Zudem haben wir vom Parlament die von uns mitgetragene Aufgabe erhalten, einen Bericht zu den Leistungen und Aufgaben der Stadtverwaltung zu erstellen. Dabei werden wir auch konkretere Anhaltspunkte dafür erhalten, wo und wie die finanziellen Mittel am besten eingesetzt werden, um dem Gebot der Sparsamkeit zu entsprechen.
Was wird die Stadt 2025 beschäftigen?
Projekte wie die Stadtkaserne, das Betriebsgestaltungsprojekt Innenstadt, das Alterszentrum Park, Wohnen im Alter... sind nur einige der Projekte.
Wie nehmen Sie aktuell die Stimmung in der Bevölkerung wahr?
Die Bürgerschaft ist vielfältig, eine einheitliche Stimmung gibt es nicht. Was mich beunruhigt, ist die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft. Oft basiert Unzufriedenheit auf mangelnder oder falscher Information. Ich wünsche mir, dass die Menschen ihre eigene Unzufriedenheit kritischer hinterfragen und eine gewisse Distanz dazu entwickeln.
Was wünschen Sie den Frauenfelder Bürgern?
Am Chlausmärt-Gottesdienst fragte der Seelsorger nach den Wünschen. Und es kam zur Sprache: Mehr Für- und Miteinander statt Gegeneinander. Da kann ich mich nur anschliessen.
Wie feiern Sie Weihnachten? Wie haben Sie Weihnachten gefeiert?
Ganz traditionell: Wir sind eine grosse Familie und da gibt es immer grosse Familienzusammenkünfte. Allerdings lassen wir das Tanzen um den Weihnachtsbaum aus, das ist eine Tradition aus meinem Heimatland Dänemark.
Elke Reinauer