Frauenfeld · 05.12.2024
Präsentation der Maturarbeiten an der Kanti Frauenfeld
Am Samstagmorgen präsentierten die Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Frauenfeld vor grossem Publikum ihre Maturarbeiten. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Reifeprüfung der angehenden Studentinnen und Studenten.
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Inwiefern spiegeln sich im schweizerischen Eherecht die gesellschaftlichen Veränderungen zwischen 1912 und der Gegenwart? Kann Kurzsichtigkeit mittels speziellem Augentraining behoben werden? Würde eine Zweistaatenlösung den Nahostkonflikt beenden? Wird generative KI das Lernen in Schweizer Schulen verändern? «Diese auf der Einladung aufgeführten Fragen veranschaulichen die Vielfalt der Themen, mit welchen sich unsere Gymnasiastinnen und Gymnasiasten im Rahmen ihrer Maturitätsarbeit vertieft auseinandergesetzt haben», betonte Chantal Roth, Rektorin der Kantonsschule Frauenfeld, Gastgeberin der alljährlich mit Spannung erwarteten, aber auch mit schlaflosen Nächten erduldeten Präsentation der Maturarbeiten des aktuellen Maturajahrgangs. Die Rektorin weiter: «Resultat sind differenzierte und eigenständige Aussagen, Ergebnisse und Produkte, welche wir gerne in 20-minütigen Präsentationen mit anschliessender Fragemöglichkeit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.» Und sie strömten zuhauf, Eltern, Grosseltern, Gottene und Göttis, Geschwister und Freundinnen und Freunde der Jungforscherinnen und Jungforscher. Während der Pausen wurden in den «Bistros» im Hauptgebäude und im Neubau kleine kulinarische Häppchen und erfrischende Getränke gereicht.
Wer vor der Programmübersicht stand, hatte die Qual der Wahl. Was darf es denn sein, fragte man sich, wenn man da las: «Untersuchung über die Bates-Methode zur natürlichen Heilung der Kurzsichtigkeit» oder «Porträt: Modellieren mit Ton» oder «Verhaltenstherapie bei einem Hund – Ein Training zur Reduktion einer Ballonangst durch gezielte Desensibilisierung». Schon bedient? Aber wer wollte sich folgende Leckerbissen entgehen lassen? «Inwiefern helfen digitale Apps zur Stressbewältigung?», «Wie eine Wiederwahl Donald Trumps den Ukraine-Krieg beeinflussen könnte», «Harnessing Exoelectrogens: Exploring the Role and Utility of Microbial Fuel Cells in Sustainable Energy and Environmental Applications», «Fleischalternativen: Proteine, Vitamine und Mineralien in der veganen Ernährung», «Die Qual der Wahl – Ein Blick hinter die Kulissen der Entscheidungsfindung, mit unseren unzähligen Möglichkeiten der heutigen Zeit», «Kryptografie – Die Entwicklung einer eigenen Verschlüsselungsmethode», «Der Fall der Credit Suisse – Ursachen, mediale Berichterstattung und die öffentliche Wahrnehmung der Übernahme durch die UBS» und so weiter und so fort.
Der Berichterstatter ist schliesslich hängengeblieben beim Thema «Die Protokolle der Weisen von Zion» vor Gericht – Eine Analyse antisemitischer Frontistenhetze rund um den Berner Prozess 1933 – 1935» von Dominik Seiler aus der 4mc mit seinem Betreuer, Geschichtslehrer Michael Jung. Seiler hatte sich an die Mutter aller antisemitischen Verschwörungstheorien gewagt und die Zuhörenden auf eine spannende Reise mit Blick in menschliche Abgründe mitgenommen. Wie er zu diesem belastenden Thema gekommen sei? Nicht verzagen, die Einleitung der Arbeit befragen. Da schreibt der junge Forscher: «Nach dem Überfall der Hamas auf Israel Anfang Oktober 2023 und dem aufkommenden Krieg zwischen Hamas, Palästina und Israel eskalierte auch erneut der Antisemitismus in den europäischen Ländern und wurde sowohl in Zeitungen als auch in vielen Fernsehsendungen von Politikexperten und Historikern diskutiert. Das weckte mein Interesse und führte mich zu Nachforschungen über den Antisemitismus, der ja bereits seit der Antike besteht, wobei ich mich bei der Recherche auf das letzte Jahrhundert konzentrierte.» Dabei habe er die «Protokolle der Weisen von Zion» bzw. «Die Zionistischen Protokolle» entdeckt, eine finstere antisemitische Verschwörungstheorie. Diese waren schon in den 1920er Jahren sowie während des Zweiten Weltkrieges eine der Grundlagen des Antisemitismus, wurden in den USA etwa vom Automobilkönig Henry Ford, einem fanatischen Antisemiten, dann von den Nationalsozialisten für Propagandazwecke verwendet. In der Schweiz griff vor allem die zum Glück nicht sehr mitgliederstarke rechtsextreme Gruppe der Frontisten diese Hetze auf. Hierzulande wurden diese ominösen Protokolle dann vor allem aufgrund zweier Prozesse, dem Basler sowie dem Berner Prozess, bekannt. Seiler konzentrierte sich auf den Berner Prozess. Er schreibt: «Aufgrund der Nachforschungen und gefundenen Quellen ergab sich für mich die Frage: Wie hetzten die Frontisten in ihren «Kampf- oder Parteiblättern» zwischen 1933 und 1935 bzw. während des Berner Prozesses gegen die Juden und wie wurde diese Propaganda in der Tagespresse wahrgenommen?» Für die Analyse der frontistischen Propaganda gegen die Juden konzentrierte er sich auf die Zeit von April 1933 bis Mai 1935 und Ausgaben von frontistischen Kampf- und Nachrichtenblätter jener Zeit. Die Quellen fand er im Zürcher Sozialarchiv und der Zentralbibliothek sowie in einer Sammlung von Gerichtsunterlagen und Beweismitteln zum sogenannten Zionistenprozess, die dem Gericht eingereicht wurden, im Gerichtsdossier enthalten sind und auf einer Webseite verlinkt hinterlegt sind.
Sein Fazit? «Die Hetze der Frontisten beinhaltete antisemitische Stereotypen, die grösstenteils aus dem nationalsozialistischen Deutschland importiert wurden. Die Verbindung von Juden mit angeblicher moralischer Verdorbenheit, wirtschaftlicher Gier und dem Streben nach der jüdischen Weltherrschaft zog sich wie ein roter Faden durch die Hetzschriften. Besonders auffällig ist die Darstellung des Juden als Bedrohung für die «reine» schweizerische Gesellschaft und Nation. Sie nutzten eine gezielte Strategie, nicht nur um den Juden als Feind der Schweiz darzustellen, sondern auch um antisemitische Vorurteile in der Gesellschaft zu verstärken.» Die tief verwurzelten Stereotypen, die bereits seit Jahrhunderten existierten, seien von den Frontisten gezielt verwendet worden, um die Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Leider zeige, so Seiler weiter, der wieder aufkommende Antisemitismus insbesondere seit Beginn des Israel-Hamas-Konflikts, dass diese alten Lügen erneut genutzt würden, um Hass zu schüren.
Wer Genaueres zu dieser, aber auch allen anderen Arbeiten wissen will, wird sie in der Schule einsehen können. Thomas Schaffner