Frauenfeld · 04.12.2024
Unterwegs mit Samichlaus
Ein Besuch beim Verein «Chlaus vom Sunneberg» in Stettfurt
Schon früh sind sie an diesem Samstag auf den Beinen: Samichlaus und seine Schmutzli. In einer gemütlichen Hütte zwischen Weinreben oberhalb des Sunnebergs hängen die prächtigen roten und schwarzen Roben, während sorgsam gepflegte Bärte in Schachteln auf dem Tisch zwischen Abschminktüchern und Handspiegeln ruhen. Hier ziehen sich die Mitglieder des Vereins Chlaus vom Sunneberg um, wärmen sich in der morgendlichen Kälte auf und teilen ausgelassene Momente miteinander. In voller traditioneller Montur machen sie sich dann den Berg hinunter auf den Weg. Die metallenen Handschellen bimmeln melodisch, als Samichlaus und seine Schmutzli den verschlungenen Weg ins Tal nehmen. «Samichlaus», rufen zwei aufgeregte kleine Jungen, die neugierig am offenen Fenster stehen, als die Gruppe ein Wohngebiet passiert. Sie winken begeistert und wollen wissen, wohin er unterwegs ist. «Auf den Weihnachtsmarkt», antwortet Samichlaus freundlich, und die Kinder versprechen eifrig, nachzukommen. Sie können es kaum erwarten, eines der Säckli zu ergattern, die der Samichlaus und seine Schmutzli dort verteilen werden.
Auf dem Weg müssen noch die beiden treuen Esel abgeholt werden, die seit Jahren fest zum Weihnachtsmarkt-Ritual der Chlausen gehören. Sie werden von der «Begegnungsoase» Islikon zur Verfügung gestellt. Früher begleiteten die Esel die Chlausen noch bei ihren Hausbesuchen, doch nach einem denkwürdigen Vorfall beschlossen die Chlausen wohlweislich, die Esel nicht mehr überall dabei zu haben. Einst brannte nämlich ein Esel samt erschrockenem Schmutzli durch. Eigentlich sollte das eingespielte Eselspaar nie getrennt werden. An einem besonders düsteren Abend während der Samichlaus-Runde verlor ein Esel seinen Gefährten im Dunkeln aus den Augen und ging in Panik durch, einen kreischenden Schmutzli hinter sich herziehend. «Es herrschte grosser Aufruhr, aber schliesslich konnte das aufgebrachte Gemüt des Esels beruhigt werden.» Seit diesem aufregenden Ereignis finden sich die Esel in einem abgetrennten Bereich beim Gemeindehaus ein, wo Samichlaus die Säckli an die erwartungsfrohen Kinder verteilt. Doch an diesem Tag zeigt sich besonders der grössere der beiden Esel von seiner störrischen Seite, und die geduldigen Schmutzlis müssen ihn immer wieder sanft anschieben, damit er überhaupt ein paar widerwillige Schritte macht.
Samichlaus seit 30 Jahren
Samichlaus, das ist unter anderen Werner Staubli. Er ist seit 30 Jahren als solcher unterwegs. Mit 15 Jahren begann er in seiner Kirchengemeinde im Aargau, damals zuerst als Schmutzli, erzählt er. Als er nach Stettfurt zog, machte er hier weiter. «Ich stellte fest, dass es dieses Samichlaus-Angebot hier bisher nicht gab. So habe ich vor genau zehn Jahren mit Samichlaus-Besuchen im Dorf begonnen», erzählt Werner. Mit dabei war auch seine jetzige Ex-Frau Brigit Staubli, die heute immer noch als Schmutzli unterwegs ist. Als einzige Frau. «Ich sage als Schmutzli nichts, dann fällt es nicht so auf», schmunzelt sie. Aus Werner Staublis Initiative entstand der «Verein Chlaus vom Sunneberg», der nun sein fünfjähriges Bestehen feiert. «Ich habe Gleichgesinnte gefunden, und ich hoffe, es folgen noch viele Jahre. Auch Ideen für neue Projekte gibt es bei mir noch einige, aber diese möchte ich jetzt noch nicht verraten», sagt Werner Staubli. Der Verein feiert in diesem Jahr sein fünfjähriges Bestehen.
Viele Besuche
Jedes Jahr sind drei Samichläuse und neun Schmutzlis in Stettfurt unterwegs. In Begleitung der beiden Esel Angelo und Maus besuchen sie Kindergärten, Schulen und den Weihnachtsmarkt. Die Chläuse machen Halt bei 25 – 30 Haushalten mit 35 – 45 Familien und etwa 70 – 100 Kindern. Zusätzlich besuchen sie Kindergärten, Schulen, Spielgruppen, ein Altersheim und verschiedene Vereine.
«Wir beschränken unsere Besuche auf Stettfurt und sind, wenn immer möglich, zu Fuss unterwegs. Die spontanen Treffen und Gespräche auf der Strasse bereiten uns immer wieder grosse Freude», berichtet Werner. «Manchmal macht der Samichlaus auch spontane Besuche, zur Freude von Kindern und Erwachsenen gleichermassen. Auch im Altersheim hat er viele Freunde gewonnen.»
Vorbereitungen im Herbst
Die Vorbereitung beginnt bereits im September, wenn Werner die Samichlaus-Kostüme aus der Garage eines Kollegen holt. «Wichtig ist, dass sie nicht bei jemandem aufbewahrt werden, der Kinder hat.» Denn die Kleinen sollen nichts merken. Sie erkennen zum Beispiel auch die eigenen Väter nicht, wenn diese als Schmutzli oder Samichlaus unterwegs sind. Die drei Bärte aus Büffelhaar und neun Schmutzli-Bärte werden zur Reinigung gebracht. Ab November können sich Familien über die Vereinswebsite anmelden und einen Termin ausmachen. Die Eltern teilen dabei wichtige Details über ihre Kinder mit - von Namen über Lieblingskuscheltiere bis hin zu «Lob und Tadel». Diese Informationen helfen dem Samichlaus, gut vorbereitet zu sein. «Manche Kinder haben Angst oder Respekt», sagt Werner Staubli. Aber das gehöre nun mal dazu. Er erinnert sich an seine eigene Kindheit, damals waren die Schmutzli noch wilder und frecher.
Gerne mag er die Atmosphäre dieser Zeit: «Es ist einfach eine besondere Stimmung, wenn wir durch Stettfurt in voller Montur laufen.» «Die Kinder freuen sich wirklich immer, uns zu sehen», berichtet Werner. «Auch wenn sie nervös sind, ist es stets ein Highlight in der Adventszeit. Die strahlenden Augen machen immer wieder grosse Freude.» Besonders schätzt er die Familienbesuche: «Der intime Rahmen mit nur der Chlausengruppe und der Familie gibt uns Zeit, auf die Kinder einzugehen. Natürlich gehören Lob und Tadel dazu, aber sie bekommen auch immer ein Säckli von uns, das jährlich von der Raiffeisenbank Wängi-Matzingen gesponsert wird.»
Die Mitglieder des Vereins geniessen diese zwei intensiven Wochen im Jahr. Und das Beisammensein: «Wir haben es gut miteinander», sagt Werner Staubli. Auch wenn es zum fünfjährigen Bestehen keine offiziellen Jubiläumsfeiern gibt, wird intern am 7. Dezember gefeiert. «Eigentlich ist für uns jedes Jahr wie ein Jubiläumsjahr», sagt Werner. «Wir erleben jedes Jahr wieder neue Sachen zusammen, haben einen super Zusammenhalt, und alle freuen sich auf das Chlausen und vor allem auch auf die gemütlichen Stunden danach.»
Woher kommt Samichlaus?
Die Tradition des Samichlaus geht auf den heiligen Sankt Nikolaus zurück, der in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts als Bischof von Myra in der heutigen Türkei lebte. Er war für seine Grosszügigkeit bekannt. Der Brauch des nächtlichen Beschenkens basiert auf der Legende, dass er mittellosen Jungfrauen für ihre Mitgift Geld durchs Fenster warf. Sein Todestag am 6. Dezember wird bis heute gefeiert.
Elke Reinauer