Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 27.11.2024

Im Reich der 10 000 Kennedy-Erinnerungen

Objekte von John F. Kennedy werden versteigert

Wenn seine Kennedy-Sammlung am 5. Dezember unter den Hammer kommt, wird der Frauenfelder Valentin Alessi keine Träne vergiessen.  «Als ich mich dafür entschieden hatte, die Sammlung zur Auktion freizugeben, war es für mich abgeschlossen.» Doch Zeit gelassen für die Entscheidung hatte er sich schon. Die Entscheidung sei gekommen, jetzt mit 77 Jahren. Seine Enkel und Urenkel könnten mit Kennedy nichts anfangen, und bevor die Sammlung am Ende im Abfall landet, darf er auf einen guten Platz für die 10 000 Objekte hoffen. «Aber das liegt nicht in meiner Hand», sagt Alessi. 


 

 

 

Das Auktionshaus Rapp in Wil wird die Sammlung versteigern. Die mehrere tausend Briefe, Fotos, Zeitschriften, Dokumente, Gästelisten und andere Dokumente könnten möglicherweise unbekannte Facetten der Kennedy-Saga ans Licht bringen, heisst es in einer Pressemitteilung des Auktionshauses. Ein Besuch bei Valentin Alessi zeigt, wie faszinierend die Geschichte des ehemaligen US-Präsidenten (1961 bis 1963) ist.


Ein Mythos unter dem Hammer


An diesem Tag Anfang November sind die Objekte bisher nicht alle im Auktionshaus Rapp, sondern befinden sich in Valentin Alessis Haus. Hier wird der Besucher von John F. Kennedy – Spitzname Jack – begrüsst. Es ist zwar nur ein Pappaufsteller, doch die lebensgrosse Nachbildung hinterlässt Eindruck. Im Sammelzimmer reihen sich die mit dem Konterfei von Kennedy bedruckten Teller, Gläser und Tassen in einem Regal aneinander. Bücher, DVDs, stehen ordentlich im Regal. In einem weiteren bewahrt Alessi seine Ordner auf. Darin Briefe, Karten, Unterschriften. An den Wänden hängen zahlreiche Fotos von Kennedy in verschiedenen Lebenslagen, als Präsident, Senator oder als junger Mann auf einem Boot und dann natürlich mit Jackie...» John F. Kennedy hatte eine sehr hübsche Frau», fand Alessi schon als 12-Jähriger, als er einen Brief an Kennedy schrieb, um ihm zur Wahl zu gratulieren. Tatsächlich bekam er eine Antwort: Eine Dankeskarte und Unterschrift von Jackie Kennedy persönlich. «Kennedy hat mich damals schon fasziniert und interessiert.» Auch die gerahmte Dankeskarte wird vom 5. bis 7. Dezember unter den Hammer im Auktionshaus Rapp kommen. Sie war sein erstes Sammlerstück von Kennedy. Als 12-jähriger sammelte Alessi Unterschriften von weiteren Prominenten, doch dann verlagerten sich seine Interessen auf Fussball und Sport. 


Funke ist gezündet


Erst 1978 fand Alessi während des Umbaus seines Elternhauses die Unterschrift und Dankeskarte von Kennedy wieder. Der Funke war erneut gezündet: Er las ein Buch über die Kennedys und begann, die Sammelleidenschaft zu beleben. Inzwischen hat Alessi 200 Bücher über Kennedy gelesen. Was genau faszinierte ihn an dem ehemaligen US-Präsidenten? «Er war eine schillernde Persönlichkeit, wenn er den Raum betrat, zog er die Aufmerksamkeit auf sich», sagt er. Und ja, die Skandale der Kennedy-Familie und des Präsidenten hätten dazugehört zur Faszination, die er auslöste. Alessi führt weiter aus: «So einer wie Kennedy würde heutzutage nicht mehr Präsident werden», sagt er. Heutzutage werde erwartet, dass ein Präsident fit sei. Aber Kennedy litt zeit seines Lebens an verschiedenen Krankheiten, war schon als Kind kränklich und schwach. Eigentlich hatte sein Vater, Joseph Kennedy, Johns Bruder Joe junior als Präsidentschaftskandidat vorgesehen, weil dieser fitter war als Jack. Doch Joe junior fiel im Zweiten Weltkrieg. 


Nachts bei der Versteigerung


Für seine Sammelleidenschaft stand Alessi früh auf. «Manchmal nachts um zwei, um an einer Auktion im Internet teilzunehmen», sagt er. Viele Sammelstücke ersteigerte er online. Einige bekam er geschenkt, so etwa eine goldene Kennedy-Münze, die ihm eine Frau schenkte, als sie einen Bericht über ihn in einem regionalen TV-Sender gesehen hatte. Oder eine Zeichnung, die Kennedy zeigte, wurde ihm vor die Tür gelegt. Er besuchte zahlreiche Flohmärkte, auch in den USA. Manchmal ergaben sich nette Begegnungen: «Viele Objekte ersteigerte ich aus Amerika. Ich bedankte mich dann, indem ich einen Brief und eine Schoggi schickte, das kam bei den Amis gut an.» Eine Frau schrieb ihm daraufhin einmal, sie besitze die Sammlung von Evelyn Lincoln. Und so sei er zu ein paar weiteren schönen Kennedy-Stücken gekommen. Eines seiner Lieblingsstücke: Klischees, also Vorstufen von gedruckten, offiziellen Fotos, von denen früher Abzüge gefertigt wurden, die dann an die Medien gingen. Davon besitzt er eines von Jack und Jackie. Ein weiteres Lieblingsstück: die Unterschrift von Marilyn Monroe auf einer Karte für Jack. Mit dieser soll Kennedy eine Affäre gehabt haben. 


Viele Reisen unternommen 


Seine Sammelleidenschaft führte Alessi und seine Frau an viele Orte auf der Welt. Zum Beispiel an den Familiensitz der Kennedys nach Irland, zum Geburtshaus des Urgrossvaters von John F. Kennedy. Oder nach Berlin, wo Kennedy seine berühmte «Ich-bin-ein-Berliner-Rede»- hielt. Immer waren Alessi und seine Frau die Ersten, die warteten, bis das Museum öffnete. So auch vor dem Geburtshaus in Boston. «Wir waren eine halbe Stunde früher da. Sie öffneten gerade und baten uns herein. So bekamen wir eine Privatführung.» Sein Motto: Wenn man nicht schnell genug ist, kommt man zu nichts. So kam es, dass er und seine Frau vor 20 Jahren in Arbon auch schnell waren und sich Plätze bei einer Pressekonferenz ergatterten, bei der Kennedy-Neffe Robert Francis Kennedy Junior eine Rede hielt. Noch bevor die Journalisten ihre Fragen stellten, hatte sich Alessi schon eine Unterschrift des Kennedy-Neffen geholt. 


Die Kennedy-Sammlung erzählt die Geschichte eines politischen Lebens. Ordner voller Telegramme, Notizen, Briefe und Protokolle wie das des Besuchs des Schahs von Persien. Ausserdem ein Foto mit besonderer Bedeutung: Es zeigt die Besatzung des Boots, mit dem Kennedy im Zweiten Weltkrieg vor den Salomonen im Pazifik angegriffen wurde. Das U-Boot zerbrach in zwei Teile. Der Legende nach soll Kennedy einen Insassen mit einem Seil, das er mit dem Mund festhielt, zur nächsten Insel geschwommen haben. Alle Insassen konnten sich retten. Der erfahrene Segler und gute Schwimmer Kennedy zeigte sich als Überlebenskünstler. Der Legende nach beschriftete er eine Kokosnuss, warf sie in die See und seine Botschaft wurde empfangen. Die Geschichte wurde später besonders von seinem Vater aufgeblasen und liess John als Helden dastehen. Die Crew des Boots traf sich nach dem Krieg öfter. Bei einem dieser Anlässe entstand die Karte mit den Unterschriften aller Besatzungsmitglieder. So erzählen die Objekte der Sammlung ihre Geschichte. 


Mord bleibt mysteriös


Mysteriös ist bis heute der Mord an John F. Kennedy am 22. November 1963. Alessi besuchte den Ort des Geschehens in Dallas, Texas. Dort ist ein Kreuz an der Stelle aufgezeichnet, an der John erschossen wurde. Ein Museum befindet sich in unmittelbarer Nähe. «Ein düsterer Ort», so Alessi. Den Mord sollte man seiner Meinung nach nie aufklären, denn das Mysteriöse mache die Geschichte so interessant. Allein über die Ermordung Kennedys gibt es 42 Memorabilien in der Sammlung.


Wenn Alessi John zu Lebzeiten hätte treffen können und ihm eine Frage hätte stellen können, wie lautete diese? Alessi überlegt nicht lange: «Ich würde ihn zur Kuba-Krise (1962) befragen.» Während der Kuba-Krise stand die Welt kurz vor einem Atomkrieg. Kennedy hielt eine TV-Ansprache, in der er der Sowjetunion ein Ultimatum stellte und mit einem atomaren Gegenschlag der USA drohte, sollte die Sowjetunion angreifen. «Mich hätte interessiert, was er wirklich darüber dachte.» Doch seine Gedanken nahm John wohl mit ins Grab. Was bleibt, ist die Erinnerung, der Mythos und im Fall von Alessi eine Sammlung mit 10 000 Objekten, die einen neuen Besitzer suchen. Zeit gelassen hatte sich Alessi für seine Entscheidung, die Sammlung versteigern zu lassen. Dass er sich von den 10 000 Sammlerstücken trennt, heisst nicht, dass die Faszination für Kennedy aufhören wird. An diese wird ihn auch das Schild in seinem Garten erinnern, auf dem John F. Kennedy Platz zu lesen ist. Ein Geschenk seiner ehemaligen Arbeitskollegen. Die Auktion findet statt von 5. bis 7. Dezember im Auktionshaus Rapp in Wil. Weitere Infos auf:  https://www.rapp-auktionen.ch/de/10000-souvenirs-mit-john-f-kennedy.       Elke Reinauer

 

 

Im Reich der 10 000 Kennedy-Erinnerungen

 

 

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