Frauenfeld · 20.11.2024
Von Handpressen und Papier aus Elefantendung
16. Buch- und Druckkunstmesse im Eisenwerk zog viele Besucher an
Vor über 30 Jahren gründete Beat Brechbühl – Verleger, Schriftsteller und Druckkünstler – die Buch- und Druckkunstmesse, auch als Handpresse-Messe bekannt. Die Veranstaltung findet seither alle zwei Jahre im Eisenwerk statt und öffnete am vergangenen Wochenende zum 16. Mal ihre Türen. In einer Zeit, in der viele Menschen eher durch Instagram, TikTok und Co. scrollen, statt ein Buch in zur Hand zu nehmen, setzt die Messe ein wichtiges Zeichen für die Buchdruck-Kultur. Ob sie sich dabei dem Zeitgeist widersetzt oder ihn vielmehr verkörpert, konnten die Besucher in den Hallen des Eisenwerks selbst erkunden. Aussteller aus der Schweiz, Österreich, Deutschland und Lichtenstein präsentierten ihre vielfältige Arbeit. Der diesjährige Ehrengast Dafi Kühne, 1982 in Glarus geboren, verkörpert die Verbindung zwischen Tradition und Moderne. Als Plakatgestalter und Buchdrucker balanciert seine grafische Kunst gekonnt zwischen digitaler und analoger Welt. Die diesjährige Messe bot zahlreiche sinnliche Eindrücke: Vom eigenhändigen Drucken über das Durchblättern kostbarer Bücher bis hin zum fachlichen Austausch.
Das rhythmische Rattern einer hundertjährigen Setzmaschine erfüllt die Messehalle. Heisses Blei fliesst, während Matrizen durch Tastendrücke ausgelöst werden. «Die Setzmaschine war die zweite Revolution in der Druckwelt nach Gutenberg», erklärt Percy Penzel vom Typorama Bischofszell, einer der Aussteller auf der 16. Buch- und Druckkunstmesse. Vor der Einführung der Setzmaschinen mussten Buchdrucker ihre Texte mühsam von Hand über einen Setzkasten zusammenstellen. Die Setzmaschine beschleunigte diesen Prozess um das 32-fache – eine wahre Revolution für die damalige Zeit, erläuterte er.
Bewahren eines Handwerks
Der einst angesehene Beruf des Schriftsetzers ist heute nahezu verschwunden. Doch im Typorama leben diese Traditionen weiter: Percy Penzel und seine Kollegen beherrschen nicht nur die Bedienung der historischen Maschinen, sondern auch deren Wartung. «Viele dieser Maschinen gehen verloren, weil es an Menschen fehlt, die sie bedienen können», bedauert Penzel. Das Typorama vereint dabei zwei Welten: Als aktiver Produktionsbetrieb stellt es noch heute Drucksachen im traditionellen Bleisatz-Handwerk her, fungiert aber gleichzeitig als lebendiges Museum für Bleisatz und Buchdruck.
Während der Messe konnten Besucher selbst Hand anlegen und unter fachkundiger Anleitung Visitenkarten drucken. Das Handwerk in seiner ursprünglichen Form zu erleben, bedeutete auch, sich die Finger schmutzig zu machen – begleitet vom charakteristischen Geruch des Bleis und dem nostalgischen Rattern der Maschinen.
Kunsthandwerk in vielfältiger Form
Die Messe bot eine beeindruckende Vielfalt an Kunstwerken und handgefertigten Büchern. Besonders bemerkenswert war der Stand von Hanspeter Leibold aus Lichtenstein, der handgeschöpftes Papier mit eingearbeiteten Blüten und Blättern präsentierte. Stolz führte er seinen selbst nachgebauten «Holländer» vor – eine Papierschöpfmaschine, die er nach einem historischen Stich von 1780 rekonstruierte. Seine innovativen Materialexperimente reichten von recycelter Jeans bis zu ungewöhnlichen Rohstoffen wie Elefantendung, dessen grob verdaute Pflanzenfasern sich hervorragend für die Papierherstellung eignen. Auch alte Bettwäsche aus einem Bad Ragaz Hotel fand neue Verwendung in seinen Kunstwerken.
Renaissance des Handwerks
Am Stand des Vereins Weiss- und Schwarzkunst wurde die bleibende Bedeutung des traditionellen Druckhandwerks deutlich. Die Vereinsmitglieder demonstrierten die Kunst des Hochdrucks und präsentierten Druckerzeugnisse mit spürbaren, erhabenen Mustern. Trotz – oder gerade wegen – der zunehmenden Digitalisierung wächst die Sehnsucht nach haptischen Erlebnissen. Die gut besuchten Workshops des Vereins und die Nachfrage nach handgefertigten Druckerzeugnissen für besondere Anlässe wie Hochzeiten oder Diplome bestätigen diesen Trend.
Ehrung der Druckkunst
Die Eröffnung der Messe durch Karin Gubler wurde durch die Anwesenheit des Ehrengasts Dafi Kühne bereichert, dessen Werk aktuell im Gewerbemuseum Winterthur ausgestellt wird. Mario Pellin, Kurator des Museums, würdigte Kühnes aussergewöhnliche Verbindung von Design und traditioneller Drucktechnik. Kühnes Hingabe zum Handwerk zeigt sich in seinen aufwendig produzierten Plakaten: Während das Ausstellungsplakat für Winterthur 13 Druckdurchgänge erforderte, entstanden die Plakate für die Frauenfelder Messe in drei Durchgängen. Er präsentierte seine Plakate und kam mit vielen Messebesuchern ins Gespräch.
Karin Gubler bedankte sich während ihrer kurzen Rede zur Eröffnung bei allen Beteiligten. Es gibt ein neues Messe-Team des Vereins Bodoni-Club: Karin Gubler bildet zusammen mit Berrit Fuhrmann-Stiehler das Co-Präsidium des Vereins Bodoni-Club und ist in dieser Funktion unter anderen für die Finanzen verantwortlich. Weitere Team-Mitglieder sind: Claudia Demel, Sonja Feuz, Monika Oertner, Percy Penzel und Predrag Tatalovic. Der Verein verschlankte sich auf ein Team, das sich ausschliesslich um die Messe kümmert und so dem Erbe von Beat Brechbühl eine Zukunft verleiht. Es macht dem bisherigen Leitungsteam grosse Freude, die gute alte HPM in kompetenten Händen zu wissen. Präsident Urs Heinz Aerni und Organisationsleiterin Esther Menzi wurden verabschiedet. Gründer der Messe, Beat Brechbühl, war nicht anwesend, seine Bücher wurden aber ausgestellt.
Die Messe bot allen Besuchern ein multisensorisches Erlebnis, bei dem das Sehen, Fühlen und sogar Riechen der traditionellen Druckkunst im Mittelpunkt stand.
Elke Reinauer