Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 06.11.2024

Wie viel ist die Einbürgerung Jugendlicher wert?

In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats wurde über die Motion betreffend «Senkung finanzieller Hürden bei der Einbürgerung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen» von den Gemeinderatsmitgliedern Roland Wetli, Priska Brenner-Braun, Stefan Leuthold, Christoph Regli und Susanne Weibel Hugentobler abgestimmt.

 

 

Die Motion in Kürze


Der Auslöser für die Motion waren die sehr tiefen Einbürgerungszahlen in Frauenfeld. Seit 2016 sind die Einbürgerungszahlen stark rückläufig (mit Ausnahme 2021): von 124 Einbürgerungen im Jahr 2016 auf nur noch 43 in den Jahren 2022 und 2023. Von den über 4.100 Personen mit C-Bewilligung lässt sich nur etwa jeder Hundertste einbürgern. Besonders bei Jugendlichen sind die Zahlen niedrig: 2023 nutzten nur 13 Jugendliche (drei Prozent) zwischen 10 und 19 Jahren diese Möglichkeit.


Die hohen Kosten werden als Hindernis gesehen: Jugendliche zahlen 1.230 Franken. Fünf Gemeinderäte haben deshalb eine Motion eingereicht, die vorsieht: Für Jugendliche bis 20 Jahre soll die Gebühr maximal 200 Franken enthalten. Für 20- bis 25-Jährige 500 bis 600 Franken. Geprüft werden soll eine Variante der Gebührenbefreiung nach Vorbild Basel-Stadt und Zürich.


Die Motion wurde von 22 Gemeinderäten unterstützt und soll jungen Menschen den Weg zum Schweizer Pass erleichtern.


Die Antwort des Stadtrats 


Der Frauenfelder Stadtrat spricht sich gegen eine Senkung der Einbürgerungsgebühren aus. Ein kompletter Gebührenverzicht würde die Stadt jährlich 25.600 Franken kosten, während halbierte Gebühren zusammen mit der erwarteten Mehrarbeit zu einem Verlust von 14.100 Franken führen würden, rechnet der Stadtrat in seiner Antwort aus. Angesichts der aktuellen Finanzlage sei es schwierig, dies gegenüber den Steuerzahlenden zu rechtfertigen. Der Stadtrat sei der Ansicht, dass die Gebühren für Einbürgerungen grösstenteils kostendeckend sein sollten und nicht über Steuern finanziert werden sollten, heisst es weiter in der Antwort.


 Auch zweifelt der Stadtrat an der Wirksamkeit der Massnahme: Das Beispiel Zürich zeige, dass gebührenfreie Einbürgerungen nicht zu mehr Gesuchen führen. Er verweist dabei auf bereits bestehende Vergünstigungen wie die kostenlose Miteinbürgerung von Minderjährigen im Familienverbund sowie günstigere Tarife für die dritte Ausländergeneration. Entsprechend empfiehlt er, die Motion abzulehnen.


Die Diskussion 


Roland Wetli (CH) kritisiert im Namen der Motionäre die Antwort des Stadtrats als enttäuschend. Der Fokus auf finanzielle Aspekte sei übertrieben, da eine Halbierung der Gebühren nur 12.000 Franken ausmachen würde. Mit einer Einbürgerungsziffer von 1,42 (Zahl der Einbürgerungen geteilt durch die Zahl der Ausländer mit Ausweis B und C)  liegt Frauenfeld deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt von 1,9. Besonders problematisch sei, dass Einbürgerungen zunehmend zum «Privileg gut ausgebildeter Deutscher» werden, während weniger qualifizierte Personen sich den Schritt seltener leisten könnten. «Wir haben Interesse daran, dass sich alle hier lebenden Personen mit unserer Stadt verbunden fühlen und am politischen Leben teilnehmen», betont Wetli. Zudem widerspricht er der Aussage des Stadtrats, dass Personen mit C-Bewilligung fast die gleichen Rechte wie Schweizer hätten.


Susanne Hugentobler von der SP-Fraktion teilt die Enttäuschung über die Antwort des Stadtrats. Die städtischen Gebühren für Einbürgerungen seien der einzige Hebel, an dem die Stadt ansetzen könne. «Einbürgerungen haben einen positiven Langzeiteffekt», betont sie und zeigt sich verwundert über die ablehnende Haltung des Stadtrats. Die Gebühren sollten zwar kostendeckend sein, aber die aktuellen Sätze lägen bereits an der maximalen Obergrenze. Hugentobler weist darauf hin, dass gerade die Anträge von Jugendlichen einfach zu bearbeiten seien. Eine Kostensenkung wäre ein starkes Signal und würde junge Menschen integrieren, statt abschrecken.


Christoph Regli (Mitte/EVP) sagte: «Junge Erwachsene sollen überlegen, ob sie Schweizer werden wollen und nicht bestraft werden.» Er nannte die Gemeinde Arbon als Beispiel für ein Stufenmodell. Hier gebe es eine Differenzierung zwischen 18- bis 20-Jährigen und ab 20-Jährigen. Die Fraktion wünsche sich drei Stufen, welche diese seien, wäre nach der Erheblichkeitserklärung herauszufinden. 


Lisa Badertscher (SVP) sieht andere Gründe als die Gebühren für den Rückgang der Einbürgerungen. Eine Gebührensenkung würde ihrer Meinung nach keinen zusätzlichen Anreiz für Jugendliche schaffen. Sie verweist dabei auf das Beispiel der Stadt Zürich, wo trotz Gebührensenkung die Einbürgerungszahlen nicht gestiegen sind. «Was nichts kostet, ist nichts wert», betont Badertscher und argumentiert, dass man das Bürgerrecht aus demokratischer Überzeugung wollen sollte. Die SVP-Fraktion lehnt eine Senkung daher ab.


Selbst vom Thema betroffen war Gemeinderat Fatmir Sanakosi (FDP). Die Rechte und das System in der Schweiz seien für viele selbstverständlich, sagte er. Doch «Leider ist es nicht überall auf der Welt so wie in der Schweiz.» Hinter der Einbürgerung steckten nicht nur Gebühren, sondern Werte. Er habe das Einbürgerungsverfahren mit seiner Familie und zwei Kindern durchlaufen. «Die Werte der Schweiz sind mir viel wert, und das darf etwas kosten», sagte er. Die FDP sei überzeugt, die Kosten seien gerechtfertigt.


Klaudia Peyer (CH) betonte, dass diese Diskussion auch auf nationaler Ebene geführt werde. Ein Viertel der Frauenfelder Bevölkerung könne nicht mitbestimmen, weil sie keinen Schweizer Pass besitze. Zudem weist sie darauf hin, dass eine C-Bewilligung nicht mit dem Schweizer Pass gleichzustellen sei, da für manche Berufe die Schweizer Staatsbürgerschaft erforderlich sei.


Priska Brenner-Braun (GP) sprach als Motionärin, sie wies darauf hin, dass es in einigen speziellen Fällen sogar dazu kommen könne, dass Menschen mit dem C-Schein das Land verlassen müssten. Die Einbürgerung habe positive Langzeiteffekte, Menschen seien besser integriert oder hätten mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt, zählte sie als Beispiele auf.


Anders Stokholm verteidigt die Antwort des Stadtrats. Aus eigener Erfahrung kenne er das Einbürgerungsverfahren, das er durch Heirat in erleichterter Form durchlaufen habe. Bei der aktuellen Diskussion gehe es jedoch um junge Menschen. Die Stadt sei verpflichtet, kostendeckende Gebühren zu erheben.


Die Gründe für zurückhaltende Einbürgerungszahlen bei jungen Menschen seien vielfältig, wobei die Gebühren nur eine untergeordnete Rolle spielten: Einige Länder erlaubten keine doppelte Staatsbürgerschaft, für mobile junge Menschen sei eine Einbürgerung oft nicht prioritär, und viele hätten Respekt vor dem Einbürgerungstest.


Stokholm warnt: «Wenn wir die Motion für erheblich erklären, werden wir andere Gebühren anheben müssen.» Zudem weist er Kritik an der Stadtrat-Antwort zurück: Bei der Formulierung zu den Rechten von C-Bewilligungs-Inhabern stehe ausdrücklich «beinahe die gleichen Rechte wie Schweizer» – alles andere sei eine Unterstellung.Am Ende stimmten 21 Räte für die Erheblichkeit und 16 dagegen bei null Enthaltungen. Nun muss der Stadtrat eine Vorlage ausarbeiten.  Elke Reinauer