Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 09.10.2024

Kommt das grosse Sparen?

Budgetprozess für 2025

Die Stadt Frauenfeld muss sparen. So hat es der Souverän bestimmt. Davon werden diverse Kulturinstitutionen in der Kantonshauptstadt betroffen sein. Doch was bedeutet das genau? Die «Frauenfelder Woche» hat sich umgehört.

 

 

Der Budgetprozess für das Jahr 2025 hat begonnen – und die Kulturinstitutionen der Stadt Frauenfeld bangen um Subventionen. Insgesamt 19 Vereine – sogar 20, wenn man das Jazzfestival «generations» mitzählt, welches alle zwei Jahre stattfindet – werden mit jährlich wiederkehrenden Beiträgen unterstützt. Die Leistungen, die sie dafür erbringen, sind in Leistungsvereinbarungen festgelegt. Fast 650 000 Franken sind im Budget 2024 auf diese Weise vorgesehen; manche Vereine erhalten grosse Beträge, manche vergleichsweise kleine. Zu den von der Stadt Frauenfeld unterstützten Vereinen zählen, um nur einige zu nennen, «Kultur im Eisenwerk» (was den Gesamtbetrag betrifft, ist das Eisenwerk der grösste Player mit jährlich 120 000 Franken) oder das jüngst vom Brand auf dem Unteren Mättli betroffene Kindertheater Floh (mit jährlich 5000 Franken der Verein, der am wenigsten erhält).


Jeder Franken tut weh
Wie sich diese gewohnten Beiträge im kommenden Jahr ändern, steht noch in den Sternen. Details sind keine bekannt und werden weder vom Kultur- noch vom Finanzamt der Stadt weitergegeben, bevor das Budget steht. Dafür sei es noch zu früh, ist zu hören. Auch die Vereine können zum jetzigen Zeitpunkt bisher nicht viel sagen. Eine Umfrage der «Frauenfelder Woche» stiess auf wenig bis keine Resonanz. Klar ist aber, das bestätigen Kulturschaffende aller Couleur: Jeder gekürzte Franken tut weh.


Es trifft nicht alle 
Eine gute Nachricht gibt es dennoch. Pauschale Kürzungen, also über alle Leistungsvereinbarungen hinweg, sind im Haushalt des kommenden Jahres nicht vorgesehen. «Wir werden Gespräche mit einzelnen Vereinen führen, die viel Eigenkapital haben, und dort schauen, wo eine Reduktion des städtischen Beitrags möglich ist», erklärt Kulturamtsleiter Christof Stillhard das Vorgehen auf Anfrage. Da die Vereine ihre Finanzen für die Leistungsvereinbarungen offenlegen müssen, ist die Stadt gut im Bilde, wer wo steht. Welche Vereine betroffen sind, kann Stillhard allerdings bis jetzt nicht sagen. Er stellt aber klar: Ans Eingemachte soll es nirgendwo gehen. Kein Verein soll dadurch Probleme bekommen, kein Programm leiden. Möglicherweise könne das Kulturamt zudem bei der Werbung sparen, so Stillhard. 


Kulturszene bangt vor Kürzungen 
Die Angst vor dem Sparprogramm der Stadt geht indes nicht erst seit gestern um. Im Dezember 2023 wollte der Frauenfelder Gemeinderat das Budget fürs kommende Jahr nicht genehmigen. Zurück an den Absender, entschieden die Volksvertreter, mit dem klaren Auftrag an den Stadtrat, mehr Sparwillen zu zeigen. Im März 2024 kam dann das neue, überarbeitete Budget ins Stadtparlament. Der Stadtrat hatte den Rotstift unter anderem im Kulturbereich angesetzt, wo der Voranschlag einmalige Kürzungen um 5 Prozent über alle Leistungsvereinbarungen vorsah. Das liess die Geschäftsprüfungskommission, zur Freude der Kulturvereine, nicht durchgehen: Ihr Änderungsantrag wurde angenommen. 
Stadtpräsident Anders Stokholm hatte die Kürzungen in der Debatte verteidigt. Als einmalige Massnahmen seien diese für die betroffenen Institutionen vertretbar, dies auch vor dem Hintergrund, dass die Stadt in der Vergangenheit viel in Kultur investiert habe, was nicht im vorliegenden Budget oder in den Rechnungen erscheine. «Beispielsweise haben wir in den letzten zwei Jahren im Kulturbereich aus dem Covid-19-Fonds mehrere Hunderttausend Franken investiert», sagte Stokholm vor dem Gemeinderat. Stokholm wies zusätzlich darauf hin, dass Frauenfeld den Vorteil habe, dass der Kanton relativ viel investiert. «Andernorts werden Museen zum Beispiel durch Städte betrieben, wir haben drei, die durch den Kanton finanziert werden, wovon wir Nutzniesser sind», sagte er. 
Ansonsten ist die Frauenfelder Kulturförderung, mit etwa 62 Franken pro Kopf, vergleichsweise sparsam und sogar weit weg von dem, was Städte im Durchschnitt in die Kultur investieren. Man nehme beispielsweise Kreuzlingen, das mehr als doppelt so viel in Kultur investiert. Obendrauf genehmigte der Gemeinderat der Hafenstadt erst vor Kurzem den Ausbau des Kulturzentrums Kult-X für 7 Millionen Franken.


Auch der Kanton muss sparen
Doch auch der Kanton hat diverse Investitionen aus seinem Haushalt 2025 herausgestrichen. So soll die lange geplante und dringend benötigte Sanierung des Schlosses Frauenfeld um vier weitere Jahre verschoben werden. Fix ist diese Sparmassnahme zum Nachteil des Historischen Museums bisher nicht. Der Grosse Rat hat noch nicht entschieden. Es gilt allerdings als nicht sehr wahrscheinlich, dass sich daran noch etwas ändert. Als Kantonsrat wird Stokholm an dieser Debatte nicht mehr teilnehmen, weil er auf Ende September aus dem Grossen Rat zurückgetreten ist. Sowieso ist Stokholm – das gilt es an dieser Stelle festzuhalten – keiner, dem der Wert der Kulturförderung nicht bewusst wäre. So sagte er gegenüber den Medien, dass die Gesellschaft verliere, wenn man im Kulturbereich spare. «Wenn Kultur und Veranstaltungen fehlen, dann zerbröckelt etwas in unserer Gesellschaft. Kultur kann in dem Sinn ein Kitt für die Gesellschaft sein und dafür müssen wir immer wieder einstehen und sagen, wie wichtig das für unser Zusammenleben ist.


Jeden Stein umdrehen
Dass die Sparrunde wie ein Damoklesschwert über den Kulturinstitutionen hängt, ist indes vom Volk so gewollt. Während der Gemeinderat das Budget 2024 nach monatelangen Diskussionen genehmigte – wohlgemerkt ohne Gegenstimme – sammelte die Gruppe «Besorgte Bürger» um den ehemaligen SVP-Gemeinderat Kurt F. Sieber Unterschriften für ein Referendum. Am Ende sagten die Stimmberechtigten zwar Ja zum Budget, aber Nein zu der beantragten Steuerfusserhöhung. Die Stadt muss also einen vom Volk verordneten Sparauftrag umsetzen – und interpretiert den Volksentscheid dahingehend, dass eine Steuererhöhung auch in Zukunft keine Mehrheit finden kann. Was bleibt, ist, die Ausgabenseite anzugehen und an den Kosten zu schrauben. Was das für Konsequenzen haben könnte, hat Stadtpräsident Anders Stokholm ebenfalls bereits benannt: «Wir werden nach dem Volkswillen grundsätzlich Leistungen überdenken müssen. Wir müssen jeden Stein umdrehen und auch Liebgewordenes zur Disposition stellen», sagte er gegenüber der «Thurgauer Zeitung». Und: «Die Bevölkerung muss konsequent sein und dann vielleicht auch die Kröten schlucken.»
Kulturamtschef Christof Stillhard steht jetzt vor der schwierigen Aufgabe, Sparpotential in einem Bereich auszuloten, wo sowieso meist am Limit gearbeitet wird und wo viel ehrenamtliche Arbeit geleistet wird. Einerseits soll nichts kaputtgehen. Andererseits soll die Bevölkerung spüren, dass gespart wird. Ebenso wie Stokholms Äusserungen dürften auch Stillhards Bekenntnisse zur Kultur Hoffnung bei den Kulturvereinen erzeugen. «Kultur ist keine Nebensache, darauf kann man nicht verzichten, sie betrifft alle», sagt er.


Nachgefragt bei Kurt F. Sieber
Darum gebe es den gesetzlichen Auftrag zur Kulturförderung. Und: Kultur sei volkswirtschaftlich entscheidend, was manchmal vergessen werde. «Wertschöpfung findet statt», stellt Stillhard klar. «Zum Beispiel beim Street-Art Festival. Da fliesst Geld in die Region.»
Nun sollte man meinen, wer den Sparauftrag erteilt, hat zumindest Ideen, wo gespart werden könnte. Deswegen hat die «Frauenfelder Woche» bei Kurt F. Sieber nachgefragt, wo die Stadt seiner Meinung nach zu viel ausgibt. Darauf könne er noch keine Antwort geben, so der selbsternannte besorgte Bürger. Konkret will sich Sieber erst äussern, wenn das Budget 2025 veröffentlicht wurde. Gibt es denn einen Bereich, in dem man in seinen Augen auf keinen Fall sparen sollte? Auch dazu will Sieber zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen. 



Stefan Böker


 


Das schreibt das Eisenwerk: «Jede weitere Kürzung des Kulturbudgets würde die kulturelle Landschaft unserer Stadt einschränken oder zum Teil total verunmöglichen. Für das städtische Budget wäre eine Kürzung des Kulturbudgets ein Tropfen auf den heissen Stein, wohingegen die Beträge für viele Kulturvereine und Kulturschaffende essenziell sind. Unsere Stadt ist lebendig wegen der vielen (oft ehrenamtlich geleisteten) Kulturarbeit und vieler Kulturevents. Kultur generiert Wertschöpfung und trägt zu Wohlbefinden und Gemeinschaftssinn bei, welcher der Kitt unserer Gesellschaft ist. Frauenfeld verdient Kultur. Und ein entsprechendes Kulturbudget.»


Der Kunstverein Frauenfeld hat sich mit einem Brief an Stadtpräsident Anders Stokholm gewendet. «Wir als Kulturveranstalter bitten Sie inständig, dass Sie keine oder möglichst wenig Kürzungen am schon eher bescheidenen Kulturbudget vornehmen», schreibt Präsidentin Rita Wenger. Im Folgenden listet sie Gründe auf, warum Kultur (und die damit verbundene Freiwilligenarbeit) wertvoll seien. «Kulturelle Veranstaltungen beleben die Stadt», schreibt sie. Das mache die Stadt attraktiv und ziehe Gäste und Touristen an, was wiederum Wertschöpfung generiere. Zudem schützten kulturelle Veranstaltungen junge Menschen vor Langeweile und Orientierungslosigkeit.