Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 03.07.2024

Frauenfelder Gemeinderat folgt zweimal dem Stadtrat

Der Frauenfelder Gemeinderat befand an seiner letzten Sitzung am letzten Mittwoch über zwei Geschäfte: Mit 28 Ja und 9 Enthaltungen stimmte er dem stadträtlichen Antrag zur Zonenplanänderung der Überbauung Fliederpark zu. Zudem wurde die kommunale Volksinitiative «Frauenfelder Veloinitiative» einstimmig für gültig erklärt. Alsdann wurde sie aber mit 20 Ja zu 17 Nein dem Volk zur Ablehnung empfohlen. Ein Änderungsantrag der Fraktion CH Grüne GLP, der sie zur Annahme empfahl, mit 14 Ja und 20 Nein bei 3 Enthaltungen verworfen. 

 

 

Auszüge aus den Positionsbezügen, die doch einige Zeit in Anspruch nahmen und mitunter nicht nur ein Gesäusel darstellten, sondern auch schon mal hochkochten, seien hier abgebildet.


 


Zonenplan geändert


Die Zonenplanänderung der Überbauung Fliederpark betrifft die Liegenschaften Nrn. 784, 1735 und 2097 und deren Umzonung von den Wohnzonen W2a, W2b und W3 in die Wohnzonen W3 und W4. Dieser Erlass untersteht dem fakultativen Referendum der Stimmberechtigten nach Art. 3 Abs. 2 des Baureglements bzw. Art. 11 der Gemeindeordnung.


 


Fraktion Die Mitte/EVP 


Für die Fraktion Die Mitte/EVP dankte Stefan Eggimann dem Stadtrat für die gut ausgearbeitete, kurze und klare Botschaft. Die Stadt wolle und müsse verdichten. Die Aufzonung im Bereich des «Fliederparks» sei ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Damit könnten auf diesem Gebiet 142 neue Wohneinheiten erstellt werden. Der Gestaltungsplan «Fliederpark», der auf der Aufzonung basiert, sei gut ins Quartier integriert. So entstünden ein neuer Fuss- und Veloweg und eine neue Stadtbushaltestelle.


 


SP-Fraktion 


Auch die SP-Fraktion liess durch Sprecher Christoph Tobler verlauten, man befürworte verdichtetes Bauen im Stadtgebiet. Die Überlegungen zur Umzonung seien nachvollziehbar, auch die SP-Fraktion werde zustimmen. Man hätte aber gerne auch einige 5.5 Zimmer-Wohnungen für etwas grössere Familien gesehen. Zudem dürften es auch weniger Parkplätze sein, stattdessen könnte man den öffentlichen Verkehr verstärken und Mobility flexibel ermöglichen.


 


Fraktion CH/Grüne/GLP


Für die Fraktion CH/Grüne/GLP gab Roland Wetli grünes Licht für die Abstimmung. Schaue man aber genauer hin, sei die Planung Fliederpark ein Lehrstück dafür, was in der Stadtentwicklung in Frauenfeld alles schieflaufen könne. Insbesondere die Frage der Mehrwertabschöpfung sei nicht befriedigend gelöst. Es gebe ja den bewährten Grundsatz der Liberalen und Freisinnigen, dass jeder Franken durch harte Arbeit erwirtschaftet werden müsse: «Dieser Grundsatz ist beim vorliegenden Geschäft weitgehend ausser Kraft gesetzt.» Es müsse sichergestellt werden, dass auch die Allgemeinheit von der Aufzonung profitiere. Den vorliegenden Einnahmeverzicht könne sich die Stadt Frauenfeld nicht leisten. Auch die Parkplatzfrage (zu viele) und die Zahl von günstigen Wohnungen (zu wenige) brachte der Votant aufs Tapet.


 


Fraktion FDP 


Für die Fraktion FDP schloss sich Reto Brunschweiler der zustimmenden Tendenz an. Was die Forderung zur Mehrwertabschöpfung betraf, meinte er Richtung Wetli: «Ich bin erstaunt, die Forderung zur Mehrwertabschöpfung von Euch zu hören. Ihr, die sonst immer auf die genaue Umsetzung von Gesetzen pocht, auf welcher rechtlichen Basis sollen hier in dieser Vorlage Mehrwertabschöpfungen denn vollzogen werden? Gemäss gültigen Planungs- und Baugesetz ist diese Zonenänderung nicht Mehrwert-Abgabepflichtig. Ja, es gibt einen Bundesgerichtsentscheid, der bescheinigt, dass auch Gemeinden ohne Vorgaben des Kantons eine Mehrwertabschöpfung vollziehen können». Dazu brauche es aber entsprechende Gesetze, die aktuell in Frauenfeld nicht rechtskräftig seien.


 


Fraktion SVP/EDU 


Christa Zahnd tat für die Fraktion SVP/EDU kund, dass dieses Geschäft in der Fraktion unumstritten sei und man sich über die ausführliche Botschaft gefreut habe. Auch sie hätten rege über die Mehrwertabgabe diskutiert und festgestellt, dass auf diesen wichtigen Punkt in der Botschaft zu wenig hingewiesen worden sei. Man vertraue aber den Verhandlungen des Stadtrates. Was die Parkplatzfrage betreffe, entscheide die Bauverordnung und der Investor selbst. Aussagen der linken Ratseite, Parkplätze zu bauen sei nicht mehr zeitgemäss, gründe auf rein ideologischen Haltungen mit erzieherischer Absicht: «Sie verwehrt auch Gutmenschenfahrzeugen den Platz und führt dazu, dass Fahrzeuge willkürlich in den Quartieren verteilt abgestellt werden.»


 


Stadträtliche Entschuldigung


Stadträtin Andrea Hofman Kolb entschuldigte sich dafür, dass das Thema Mehrwertabschöpfung in der Botschaft nicht erwähnt wurde: «Sie hätte erwähnt werden sollen!» Für Aufzonungen gebe es im TG keine gesetzlichen Grundlagen. Dennoch habe man mit dem Grundeigentümer intensiv über eine Abgeltung eines Planungsmehrwerts verhandelt. Es gebe so einerseits eine finanzielle Abgeltung von CHF 850 000, andererseits auch diverse Realleistungen zugunsten der Öffentlichkeit: so etwa ein öffentlicher Fuss- und Veloweg durchs Areal als auch die auf dem Areal offen geführte Entwässerungsrinne zum Abfluss des Oberflächenwassers / der Hitzeminderung. Wichtig zu betonen sei, dass die Mehrwertabgabe einem Spezialfinanzierungsfonds zugewiesen werde und zweckgebunden sei, ähnlich wie Ersatzabgaben bei Verzicht auf die Erstellung von Abstellplätzen. Man lege grossen Wert darauf, bei Entwicklungen für die Öffentlichkeit einen Nutzen zu generieren.


 


Enthaltungen mit Ansage


Als zur Abstimmung geschritten wurde, war das Ergebnis klar: Mit 28 Ja und 9 Enthaltungen stimmte der Rat dem stadträtlichen Antrag zur Zonenplanänderung der Überbauung Fliederpark zu. Die Enthaltungen waren von Roland Wetli für die Fraktion CH/Grüne/GLP angekündigt worden, mit den Worten: «Der frühere Stadtrat hat es versäumt, rechtzeitig einen rechtlichen Rahmen für eine geordnete, zeitgemässe und gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung zu schaffen. Dafür zahlen wir jetzt einen hohen Preis. Um unsere Kritik deutlich zu machen, wird sich unsere Fraktion bei der Schlussabstimmung grossmehrheitlich der Stimme enthalten.»


  


Frauenfeld – eine Velostadt?


Mit-Initiant der Veloinitiative Tobias Lenggenhager hatte schon im Vorfeld der Debatte im Rat gegenüber dieser Zeitung das Anliegen der Initianten und der über 1500 Unterzeichnenden wie folgt auf den Punkt gebracht: «Der wohl wichtigste Punkt ist, dass es in der Vorlage um die Grundsatzfrage geht: Will Frauenfeld eine Velostadt sein?» Wenn ja, dann müsse das in die Gemeindeordnung (GO). Denn nur damit sei langfristig gesichert, dass Frauenfeld nachhaltig sichere Infrastrukturen für die Mikromobilität (Velo, E-Bike, E-Scooter, Mofa, Kleinstfahrzeuge, usw.) vorantreibe.


 


Fraktion FDP 


Im Namen der Fraktion FDP räumte Sandro Erne ein, es sei absolut berechtigt, diesen Verkehrsteilnehmern genügend Beachtung zu schenken. Doch die Initianten wollten eine Verbindlichkeit erzwingen, indem sie die Forderungen in der GO festhalten möchten. Ihnen gehe es einfach zu langsam. Doch die hehren Ziele können mit mehr Geld und mit einer Eintragung in der GO nicht erreicht werden: «Die Probleme liegen nämlich nicht am gesprochenen Geld und der GO. Vielmehr liegt es daran, dass Direktbetroffene Einsprachen machen und so die Umsetzung verzögern.» Oder übergeordnete bürokratische Abhandlungen mit Kanton und Bund einfach die Agilität störe. Die Vorwürfe an den Stadtrat, dass zu wenig gemacht werde, könnten sie nur schwer nachvollziehen. Leider zeige die Initiative auch nicht auf, wie die Gelder budgetneutral eingesetzt werden sollten. «Jetzt, nachdem das Volk deutlich NEIN zu einer Steuererhöhung gesagt hat, sehen wir es als am Volkswillen vorbei gezielt nun weitere zusätzliche Kosten für die Stadt zu generieren und den Druck auf Steuererhöhung zu intensivieren.» Die FDP sei gegen eine unnötige Regulierung, die am Ende nicht den Erfolg bringe, den man sich verspreche. Man erkenne den Mehrwert gegenüber dem heutigen Vorgehen nicht.


 


SP-Fraktion 


Pascal Frey betonte im Namen der SP-Fraktion: «Die Veloinitiative spricht uns aus dem Herzen.» Zu reden gegeben habe in der Fraktion der Artikel 62a, in dem der Kreditrahmen und der Umsetzungszeitpunkt beschrieben ist. Insbesondere sei – wie auch andernorts – die Niederschreibung in der Gemeindeordnung angezweifelt worden: «Nein, der Ort ist eigentlich nicht geeignet. Aufgrund des gewählten Instrumentes ist es aber der einzige Ort, an dem Einfluss genommen werden kann». In der Fraktion seien dazu die staatspolitischen Bedenken durchaus vorhanden, auch ob es sich um ein Präjudiz handeln würde.


Sollte die Initiative vom Volk angenommen werden, führe das zu einer Erhöhung der Planungssicherheit. Auch wenn der Stadtrat verspreche, sowieso Massnahmen zu ergreifen, müssten diese zuerst den Budgetprozess überstehen. Und da habe sich schon in der Vergangenheit gezeigt, dass die Veloprojekte nicht immer prioritär behandelt wurden. Mit einer Annahme sei die Garantie höher, dass Projekte umgesetzt würden: «Der Druck steigt. Und zu den beschriebenen Problemen, die zu Verzögerungen führen, wäre das dann ebendieser Druck, der Lösungen ermöglichen würde.» Auch die SP-Fraktion habe Bedenken: «Aber sagen wir zusammen ja für ein lebenswerteres Frauenfeld, das weniger lärmig ist und mehr Sicherheit bietet.»


 


Fraktion Die Mitte/EVP 


Ruth Krähenmann sprach im Namen der Fraktion Die Mitte/EVP den Verantwortlichen den Dank aus für die sauber ausgearbeitete Botschaft mit Fotos der umgesetzten Massnahmen und den tabellarischen Übersichten der Investitionskosten von umgesetzten und geplanten Massnahmen. «Wir zollen auch den CH-Initiantinnen Respekt für den Erfolg der Unterschriftensammlung im letzten Frühling.» Die Initiative fordere aber, dass die Gemeindeordnung mit zwei Bestimmungen ergänzt werden solle: Dem Art. 2 werde explizit das Thema Velo und die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden angefügt. Damit hätte man sich anfreunden können. Anders bei Art 62a, der einen zusätzlichen Rahmenkredit von 3 Mio. Franken umfasse und in den ersten 3 Jahren nach Inkrafttreten mindestens zwei bauliche Infrastrukturmassnahmen fordere. Hier folgte man den Argumentationen des Stadtrates: «Die Fraktion ist klar der Meinung, dass mit mehr Geld nicht schneller oder besser Massnahmen umgesetzt werden können. Die 3 Mio. sind zwar eingestellt, ohne genau zu wissen, wann sie gebraucht oder eingesetzt werden. Die Wirkung mit mehr Geld ist nicht garantiert.» Man sei eine velofreundliche Fraktion: «Es liegt uns fern, irgendetwas, was mit Velo und auch Fussgänger zu tun hat, zu verhindern. Dennoch meinen wir, dass es eher eine Selbsttäuschung ist und das Festnageln eventuell sogar kontraproduktiv sein könnte.»


 


Fraktion SVP/EDU 


Christian Mader anerkennt im Namen der Fraktion SVP/EDU die mit 1502 gültigen Unterschriften eingereichte Initiative und das damit verbundene Anliegen. Die Einbindung des Wortlautes in die Gemeindeordnung sei für die Fraktion höchst fragwürdig: «Zum einen stören wir uns an der Aufnahme von Beginn an zeitlich beschränkten Regelungen in die höchste Rechtsgrundlage der Gemeinde, zum anderen wollen wir in der Gemeindeordnung keine weiteren Aufgaben für das Gemeinwesen platzieren, die 3 Mio. gehören da nicht hin.» In der städtischen Verwaltung würden bereits heute viele Massnahmen für den Velo- und Fussverkehr vorangetrieben und umgesetzt. Hemmend wirkten auch da teilweise lange Rechtsmittelverfahren, zudem die teilweise beschränkten personellen Ressourcen. An diesem «Flaschenhals» würde die Initiative nichts ändern. Auch zusätzliche finanzielle Mittel würden keine schnellere Umsetzung bringen, zumal nicht einmal die vorhandenen Mittel bisher ausgeschöpft werden konnten. «Mit dem Rahmenkredit von 11 Mio. für die Innenstadt stehen zudem weitere Mittel bereit, die dem Ziel der Initiative nahekommen, nochmals 3 Mio. zusätzlich kann bei der momentanen Finanzlage nicht verantwortet werden.»


 


Fraktion CH/Grüne/GLP


Tobias Lenggenhager konnte im Namen der Fraktion CH Grüne GLP die Ablehnung ohne Gegenvorschlag der Initiative nicht nachvollziehen. Dass die Initiative mit der Rekordanzahl von über 1500 gültigen Unterschriften eingereicht werden konnte, sei ein deutliches Zeichen, um sagen zu können: Ja, Frauenfeld möchte eine Velostadt sein! Der Eintrag in die Gemeindeordnung sei demzufolge der einzig richtige Weg: «Die Verfassung unserer Stadt soll die wichtigsten öffentlichen Aufgaben der Stadt abbilden, und dazu gehören auch die Ziele und Grundsätze der Veloförderung. Ohne die Verankerung in der GO bleibt die Veloförderung abhängig von den aktuellen politischen Prioritäten und läuft dabei Gefahr, erneut auf die lange Bank geschoben zu werden.» Der Stadtrat verweise zwar auf bestehende Konzepte und Planungen. Ohne konkrete und verbindliche Ziele blieben diese jedoch zahnlose Papiertiger: «Unsere Fraktion erachtet die Strategie des Stadtrates – ‘Weiter wie bisher’ – als verpasste Chance und ist überzeugt, dass die Annahme der Veloinitiative einen entscheidenden Impuls gibt, um die Mobilität und Lebensqualität in Frauenfeld für alle voranzubringen.»


 


Zur Ablehnung empfohlen


Das Abstimmungsergebnis überraschte nach der Debatte nicht: Nachdem die Initiative einstimmig für gültig erklärt worden war, wurde sie mit 20 Ja zu 17 Nein dem Volk zur Ablehnung empfohlen. Der Änderungsantrag der Fraktion CH/Grüne/GLP, der die Initiative dem Volk zur Annahme empfehlen wollte, wurde mit 20 Nein bei 14 Ja und 3 Enthaltungen verworfen. Nun wird also der Frauenfelder Souverän an der Urne zu bestimmen haben, wohin das Äpfelchen rollen soll respektive wie hoch im Gesetzeshimmel er das Anliegen der Velostadt hängen will.  


Thomas Schaffner