Frauenfeld · 03.07.2024
Erleben & Verstehen: Ein Tag der Begegnung im Schloss Herdern
Im Zeichen der Akzeptanz und Menschlichkeit
Am vergangenen Samstag öffnete das erhabene, geschichtsträchtige Schloss Herdern seine Tore und lud die Bevölkerung zu ihrem Tag der offenen Tür ein. Mit dem Wunsch der bedeutsamen Tugendenden «Erleben und Verstehen», bot die seit 1895 bestehende Institution einen besonderen Einblick in ihre kostbare Tätigkeit. Menschen, die aufgrund psychischer, sozialer oder alkoholbedingter Probleme vor Hürden stehen und Schwierigkeiten erleiden, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden, werden hier mit wertschätzender beruflicher Integration und einem Zuhause voller Geborgenheit beschenkt. Das Schloss Herdern ermöglicht den Schlossbewohnenden eine sinnvolle Beschäftigung in Bereichen wie Administration, Land- und Forstwirtschaft, Rebbau und Gärtnerei, in der Schreinerei, Käserei und Wäscherei sowie im Kreativatelier und in der Werkstatt.

Von den warmen Sonnenstrahlen und dem passionierten Team des Schloss Herdern herzlich empfangen, fanden sich zahlreiche Gäste in den «altehrwürdigen Gemäuern» ein, um einen Tag der Begegnung und des Austauschs zu erfahren. «Mit dieser integrativen Einladung wünschen wir uns, letzte Hemmschwellen überwinden zu können und die Akzeptanz gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen zu fördern», erklärte einer der Fachpersonen in der Betreuung.
Auf geführten Rundgängen erhielten die Besucherinnen und Besucher einen umfassenden Überblick in die vielfältigen Arbeitsbereiche. Fachkundige Erklärungen wie informative, persönliche Gespräche vermittelten ein Verständnis für den Alltag der Schlossbewohnenden.
Selbst aktiv mitgestalten
Besonders eindrucksvoll war die Chance, selbst kreativ mitzuwirken und Produkte wie Zündholzschachteln zu verzieren oder Windräder aus Holz herzustellen, die als Andenken mit nach Hause genommen werden durften. Ebenso war das aufschlussreiche Quiz ein Highlight auf dem vielseitigen Schlossrundgang. Diese aktive Teilnahme förderte nicht nur die Einfühlungsgabe, sondern schuf auch eine direkte Verbindung zu den Betroffenen, die dort leben und arbeiten.
Um zu den einzelnen Stationen zu gelangen, stand ausserdem das «Festzügli» bereit – eine Attraktion, die sowohl Jung als auch Junggebliebene begeisterte.
Unterhaltung und Genuss
Zwei gemütliche Festwirtschaften luden zum Verweilen ein und boten ein reichhaltiges Angebot an Speisen und Getränken. In entspannter Ambiance konnten die Anwesenden ihre Eindrücke austauschen und den Tag in geselliger Runde geniessen. Der beliebte Schlossladen präsentierte seine beachtliche Vielfalt an betriebseigenen Produkten und beeindruckte einmal mehr mit seinem hohen Qualitätsstand.
Ebenso brachten unterhaltsame Spiele wie «Milchkannenrollen» und «Schiffli-Wettrennen» freudige Stimmung unter der Gästeschar.
Die Backstube verzauberte den Gaumen mit handgemachtem Früchtebrot, Dörrobst, Chutney oder anderen liebevoll zubereiteten Delikatessen und in der Käserei genossen die Besuchenden den Schloss-Halbhartkäse, Tilsiter sowie die Frischkäsespezialität, das «Schloss Gspänschtli».
«Wir stellen unseren Käse aus der eigenen Milch her und bieten zwölf verschiedene Joghurtsorten an», erzählte Karoline Schweingruber, Abteilungsleiterin der Molkerei. Weiter offenbarte sie, dass das Anbringen der Etiketten, beispielsweise auf den Milchflaschen, Teil der Aufgaben der Schlossbewohnenden sei. Jährlich werden über 200 000 Etiketten geklebt.
In der Genussküche wurden fleissig Urdinkel-Grissini gerollt und anschliessend eigens abgepackt. «Unser ältestes Werk sind die getrockneten Öpfelringli, wir verarbeiten rund 4,3 Tonnen Äpfel im Jahr», berichtete eine fleissige Bewohnerin stolz.
Nachhaltigkeit im Zentrum
Nachhaltigkeit wird im Schloss Herdern grossgeschrieben. An den Rüstabfällen erfreuen sich die Schweine und Trockenfrüchte, die für den Verkauf nicht geeignet sind, werden in einem exzellenten Früchtebrot verbacken. Das Schloss Herdern unterhält zudem ein durchdachtes Gesamtenergiekonzept mittels Biogasanlage sowie einer Photovoltaik-Anlage.
Weitere unvergessliche Erlebnisse für Gross und Klein schenkten Erkundungen bei den Ferkeln und ihrer Mutter, beim Rindvieh im Stall und beim Lauschen von spannenden Informationen über die regenerative Landwirtschaft, abgerundet mit einem erfrischenden Milchshake.
Der Forstbetrieb gestattete Einblicke in den Schlosswald und die notwendigen Forstwart-Dienste. Dabei konnten Interessierte die verschiedenen Werkzeuge kennenlernen und zum Abschied Baumsamen entgegennehmen, um einen Baum zu pflanzen.
Die Gärtnerei unterhielt mit Schnüffelparcours, gewährte die Gelegenheit, Sukkulenten oder Gewürze zu topfen und faszinierte mit ihrer Ausstellung «Vom Samenkorn zum Setzling» sowie der imposanten Schloss-Plantage.
Musikalisch sorgte die A-Capella-Formation «à la quarte» für eine spontane Show-Einlage, dazu konnte der exquisite Schlosswein degustiert werden.
Mehr als eine offene Tür
Der Tag der offenen Tür im Schloss Herdern war weit mehr als nur eine Besichtigung: Ein Ereignis, welches dank der Atmosphäre des historischen Ortes, kombiniert mit dem liebevollen Engagement und den bewegenden Geschichten, hocherfreute, tief berührte und nachhaltig in Erinnerung bleiben wird.
Durch die Möglichkeit des «eigenen Erlebens» wurde das Verstehen gefördert und durch diese Empathie eine Brücke der Annahme, Anerkennung und somit der Menschlichkeit geschaffen.
Sarah Utzinger