Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 12.06.2024

Klangvolle Zeitreise

125 Jahre Stadtorchester Frauenfeld

Heuer begeht das Stadtorchester Frauenfeld ein bemerkenswertes, geschichtsträchtiges Jubiläum: 125 Jahre musikalische Exzellenz, kulturelle Bereicherung und leidenschaftliches Engagement. Das Ensemble, welches auf eine bewegte und faszinierende Historik zurückblickt, präsentiert sich lebendiger und vielfältiger denn je.

 

 

Ich treffe Präsidentin Aurelia Griesemer, gemeinsam mit Dirigent Konradin Herzog, und deren Stadtorchester während ihren intensiven Vorbereitungen für die vielversprechenden Jubiläumskonzerte. Im persönlichen Gespräch für diese Zeitung schenken die Künstlerinnen und Künstler Einblick in ihre langjährige musische Arbeit.


 


Frau Griesemer, das Stadtorchester Frauenfeld feiert sein 125-jähriges Jubiläum. Wie fühlt es sich an, Teil einer so langen und traditionsreichen Geschichte zu sein? 


Es fühlt sich toll an und macht auch ein wenig stolz, dass zahlreiche Musikbegeisterte in einer sich verändernden Zusammensetzung heute noch in diesem Rahmen musizieren.


Unser «ältestes» Mitglied ist mit rund 75 Jahren weiterhin voller Elan mit dabei, wobei das «jüngste» unter uns erst in den 20er ist. Ebenfalls freut uns die bewundernswerte Treue. Unsere «langjährigste» Begleitung beehrt uns bereits seit 44 Jahren.


 


Herr Herzog, was hat Sie dazu bewogen, Dirigent des Stadtorchesters Frauenfeld zu werden und was motiviert Sie, stets neue Konzerte zu gestalten?


Mit einem Laienorchester wie dem Stadtorchester Frauenfeld zu arbeiten, ist etwas ganz Besonderes. Die Mitglieder sind unglaublich begeistert vom Musizieren und motiviert, auch bisher (noch) nicht Bekanntes zu erkunden. Es steckt dann natürlich sehr viel Arbeit dahinter, bis ein Programm aufführungsreif ist. Den Weg dahin erlebe ich als sehr kostbar. Dank der geschätzten Offenheit können und werden wir immer wieder Neues wagen, was Klang und Programme betrifft.


 


Frau Griesemer, gibt es Momente der letzten Jahrzehnte, auf die Sie und Ihre Kolleginnen wie Kollegen äusserst gerne zurückblicken? 


Wir erinnern uns an emotionale Geschehnisse, in denen man sich innerhalb des Orchesters und mit dem Dirigenten eins gefühlt hat. Dabei verspürten wir die Musik allesamt gleich und das Eingeübte konnte so abgerufen werden, wie wir uns das erhofft hatten. Wenn eine magische Stimmung erzeugt wird, die unter die Haut geht und einen selbst sowie das Publikum berührt, ist das Ziel eines Konzertes erreicht.


Weiter erzählt Aurelia Griesemer von den bescheidenen Anfängen bis hin zur heutigen Grösse: Ihre Anfänge nahm das Stadtorchester 1899, als es zunächst als reine «Männergesellschaft» ins Leben gerufen wurde und Abendunterhaltungen wie Veranstaltungen der «fünften Jahreszeit» untermalte. Erst nach rund drei Jahrzehnten wurden Frauen aufgenommen. Diese Eröffnung führte nicht nur zu einer Veränderung in der Besetzung, sondern gestaltete zugleich den Beginn einer neuen Epoche in der musikalischen Ausrichtung. So widmete sich das Orchester vermehrt der gehobenen Klassik.


Dieser Wandel und die stetige Weiterentwicklung haben die Formation zu dem gemacht, was sie heute ist: ein lebendiges, dynamisches Ensemble, das klassische als auch zeitgenössische Musik in sein Repertoire integriert.


 


Künstlerische Leitung


Seit der Übernahme der künstlerischen Leitung durch Konradin Herzog (siehe «Under Üs» Seite 32) im August 2022 erlebt das Stadtorchester Frauenfeld mit aktuell 36 Musizierenden eine Phase der Erneuerung und des Wachstums. Dabei bringt Herzog frische und inspirierende Ansätze ein, welche fordern und gleichzeitig bereichern. «Jeder Dirigent hat seine eigene Art, ein Werk anzugehen», erläutert Präsidentin Aurelia Griesemer. Konradin Herzog lege besonderen Wert auf eine enge Verbindung zwischen Orchester und dessen Leitung. Diese Herangehensweise fördere eine Atmosphäre der Offenheit und Flexibilität.


Der damalige Wechsel in der Probenarbeit sei anfangs mit Unsicherheiten verbunden gewesen, offenbaren Angehörige des Vorstandes. Einige Mitglieder mussten ihre althergebrachten Gewohnheiten überdenken und sich auf neue Methoden einlassen. Trotz anfänglicher Herausforderungen habe diese Veränderung das Ensemble enger zusammengebracht und die klangliche Ausdruckskraft gestärkt. «Der starke Fokus auf die Interpretation und den Ausdruck der Musik hat uns gelehrt, uns von fixen Mustern zu lösen und eine fortschrittliche Aufgeschlossenheit zu entwickeln.»


 


Auswahl Konzertprogramm


Die Konzertprogramme des Stadtorchesters Frauenfeld werden von der zuständigen Musikkommission sorgfältig zusammengestellt. Diese setzt sich zum Ziel, neben den Laien-Streichern auch Laien-Bläser zu begeistern. «Wir legen grossen Wert auf gemeinsame Werke wie zum Beispiel Sinfonien», erklärt Griesemer. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit mit externen Musikschaffenden angestrebt, um das Konzertprogramm für das Orchester und das Publikum zu vervielfältigen.


Die Vorbereitung auf eine neue schöpferische Überbringung beginnt mit dem Einüben der Noten, was in der Verantwortung jedes Einzelnen liegt, gefolgt vom Zusammenfügen aller Stimmen zu einem sinfonischen Kunststück. In der Endphase werden die Solistinnen und Solisten integriert, worauf ein Intensiv-Wochenende kurz vor den Konzerten die Vorbereitungen festigen und vollenden. Dieser ausserordentliche Einsatz spiegelt sich in der Qualität der Aufführungen wider.


 


Von Barock bis Moderne


Das Stadtorchester Frauenfeld zeichnet sich durch ein breit gefächertes Repertoire aus, das Werke von Barock bis zur Moderne umfasst. Diese Vielfalt stellt für die Künstlerinnen und Künstler sowohl Komplexität als auch persönliche Erweiterung dar. «Man muss Neues ausprobieren und offen sein für Unbekanntes», betont ein langjähriges Mitglied während der Probe. Das abwechslungsreiche Spektrum ermögliche es, die individuellen Stärken einzubringen und sich kontinuierlich zu entwickeln.


Beliebt seien Werke bekannter Komponisten, da viele Orchestergenossen im Laufe ihrer musikalischen Laufbahn bereits vertraut mit deren Strukturen und Stilen geworden sind. Doch die Stücke unbekannter oder zeitgenössischer Tonkünstler finden ebenfalls ihren Platz und erzeugen «frischen Wind». «Die teils zu Beginn noch bestehende Skepsis sowie der Respekt gegenüber ‘unerfahrenen’ Rhythmen und Klängen wandeln sich im Verlaufe der Probenarbeit jeweils in Begeisterung um», verrät ein Instrumentalist augenzwinkernd.


 


Denkwürdige Augenblicke


Eines der denkwürdigsten Konzerte in der Historie des Stadtorchesters Frauenfeld war die Aufführung eines Filmprogramms im Jahre 2018, das in Kooperation mit der Stadtmusik Frauenfeld entstand. Filmausschnitte wurden live mit Musik untermalt – ein Erlebnis, das für die Klangkünstlerinnen und -künstler wie auch für die Gäste unvergesslich blieb und im November 2025 mit einer Fortsetzung glänzen wird. Solche Kooperationen und Konzerte sind einerseits melodische Highlights, andererseits wichtiger Bestandteil des kulturellen Reichtums der Thurgauer Kantonshauptstadt.


«Das Engagement in der lokalen Kulturszene ist von wesentlicher Bedeutung für die Bevölkerung, unser Orchester sowie für die Präsentation von Frauenfeld», weiss die Präsidentin. Die zahlreichen Symbiosen sowie die Präsenz bei städtischen Veranstaltungen, beispielsweise den Kulturtagen und dem Mittsommerfest, zeigen dies eindrücklich.


 


Solisten und visionäre Projekte


Ein wesentlicher Fokus liegt auf dem Einbezug junger Kunstschaffenden mit solistischem Part, insbesondere aus der Region Thurgau. Die heranwachsenden Talente erhalten damit die Möglichkeit, wertvolle Konzerterfahrungen zu sammeln und ihr Können vor einem grösseren Publikum zu präsentieren.


Aktuell sehr erfreut sind die Instrumentalisten über die kommenden Jubiläumskonzerte mit dem spanisch-thurgauischen Duo Conrado Moya und Fabian Ziegler. Die beiden erfüllen die Bühne mit internationaler Klasse und Virtuosität. Mit dem Marimbaphon-Doppelkonzert «Spices! Perfumes! Toxins!» schaffen sie eine mitreissende Darbietung, die in Staunen versetzen wird.


«Durch die Synergien mit verschiedenen Musikerinnen und Musikern bleiben wir dynamisch wie innovativ», so Herzog. Zukünftig plant das Stadtorchester Frauenfeld noch mehr solcher Projekte. Im Juni nächsten Jahres steht unter anderem ein Konzert mit dem Vokalensemble Cantucci an.


 


Geteilte Leidenschaft


Was motiviert die Mitglieder zu ihrem formidablen Einsatz? «Das spannende Lernen in den Proben, die Inputs und die Magie der Tonschöpfung, die bewegt», lautet eine Antwort. «Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt sind dabei ebenso von unschätzbarem Wert», ist weiter zu vernehmen. Trotz Hürden und Veränderungen sei das Gefühl der Zusammengehörigkeit stets geblieben und der Erfolg beim Erklimmen von Komplexitäten das, was das Stadtorchester Frauenfeld auszeichne und präge.


«Egal mit welchen Sorgen und Nöten man zu einer Probe kommt – dank der Musik treten diese vollständig in den Hintergrund. Die Fokussierung auf das Instrument, das Miteinander und der gemeinsame Klang befreien den Geist und schaffen Momente, die unter die Haut gehen und lange in Erinnerung bleiben», eröffnet eine Künstlerin passend.


«Die Tonkunst als Einigkeit zu erleben und selbst einen Beitrag zu einem Ganzen zu leisten, ist das, was uns antreibt», ergänzt ein anderes Mitglied. Das Musizieren mit Kolleginnen und Kollegen biete nicht nur eine künstlerische Erfüllung, sondern auch eine bedeutsame soziale Erfahrung. «Werte wie Kohäsion, Kompromissfähigkeit und Stabilität werden durch die Arbeit an musischen Projekten gefördert und gestärkt», rundet Griesemer ab.


 


Streicher und Bläser gesucht


Spielen Sie ein Streich- oder Blasinstrument und haben Sie die gelesenen Zeilen neugierig gemacht? Das Orchester der Kantonshauptstadt freut sich über einen Besuch. Die Proben finden jeweils dienstags von 19.45 bis 22.00 Uhr in der Aula des Oberstufenzentrums Reutenen in Frauenfeld statt.


 


Ein Blick in die Zukunft


Die Kulturschaffenden blicken visionär und voller Zuversicht auf kommende Zeiten. Die Förderung des Nachwuchses und die Sicherstellung, dass Orchestermusik und ihre Instrumente einen festen Platz in der Gesellschaft behalten, stehen im Mittelpunkt der Bemühungen.


Das 125-Jahr-Jubiläum des Stadtorchesters schenkt zum einen erinnerungswürdige Rückblicke auf eine beeindruckende Geschichte, gleichzeitig einen Ausblick auf vielversprechende Perspektiven. Eine Künstlerschaft, die durch ihre Leidenschaft, ihre Gemeinschaft sowie ihre sonore Vielfalt belebt und die Herzen der Menschen berührt.


Die bevorstehenden Feierlichkeiten zu diesem glanzvollen Jubiläum sind somit eine Würdigung der Vergangenheit und eine Hommage an die Zukunft der Musik in Frauenfeld. Sarah Utzinger