Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 10.05.2023

Casino-Pläne unter Druck

Soll das vertraute Bild am Bahnhofplatz einem Betonklotz weichen?

Die Mitteilung des Stadtrats vom 10. Oktober 2022 mit dem Titel «Einmalige Chance packen und Frauenfeld weiterbringen» hat viel Unbehagen ausgelöst. Spätestens seit der nachfolgenden Medieninformation vor Ort am 1. Dezember 2022 hat sich eine kräftige Opposition formiert – die Unzufriedenheit im Vorfeld der Abstimmung zum Casino-Verkauf am 18. Juni 2023 ist gross.

 

 

Da haben sich etliche Frauenfelderinnen und Frauenfelder die Augen gerieben, als sie im Oktober letzten Jahres die Medienmitteilung der Stadt gelesen haben. Das im Jahr 1959 eröffnete Casino am Bahnhofplatz soll für 14 Mio. Franken an die Credit Suisse Anlagestiftung veräussert werden. Diese besitzt bereits den benachbarten Gebäudekomplex bis zur Oberstadtstrasse hin. In der Medienmitteilung war von einem «Glücksfall aus städtebaulicher Sicht» die Rede, könne mit einem Verkauf doch ein einheitlich gestalteter Gebäudekomplex entstehen, der auch den Bahnhofplatz wesentlich belebe und aufwerte.
Geplant wären Büro- und Gewerbeflächen mitten im Herzen von Frauenfeld. Das war es dann aber auch schon, mehr über diesen «einheitlich gestalteten Gebäudekomplex» war nicht zu erfahren.

Standort aufgeben
Davon lässt sich immerhin die Absicht ableiten, dass dieser zentralste aller Standorte für ein Casino aufgegeben werden soll. Damit verbunden ist es offensichtlich auch geplant, die historische Häuserzeile des ehemaligen Hotels Bahnhof, die vor rund 20 Jahren an den neu gestalteten Bahnhofplatz eingebettet worden war, einem Betonklotz zu opfern. Soll also das identitätsstiftende Bild an zentralster Stelle mit der Mischung von alt – Stadtkaserne, Casino und angrenzenden Gebäuden – und neu – Einkaufszentrum Passage – verschwinden? Wenn das so ist, so sollte der Stadtrat die Karten auf den Tisch legen und informieren. Zumal ja kaum davon auszugehen ist, dass jemand 14 Mio. Franken zahlt für das Casino, um es zu erhalten.

«Optionen abwägen»
Da drängt sich eine Nachfrage bei der potenziellen Käuferschaft auf. Gemäss Dominic Elliott, Head of AM & ESG Communications von Credit Suisse Services AG, kann man zum «jetzigen Zeitpunkt nur sagen, dass unser Gebäude saniert werden muss und wir Optionen abwägen.» Mit «unser Gebäude» ist eben der Gebäudekomplex bis zur Oberstadtstrasse hin gemeint, in dem zuletzt der Migrolino drin war und früher einst das Hotel / Restaurant Bahnhof. Einige mögen sich vielleicht auch noch daran erinnern, dass sich im Gebäude an der Ecke Oberstadtstrasse / Bahnhofplatz einst der erste Migros-Laden in der Stadt befand.
Dieser zog später in die Grubag-Überbauung zwischen der Murg und dem Schlossberg, dort wo heute das Möbelhaus JYSK drin ist. 1993 dann wurde das Einkaufszentrum Passage am Bahnhofplatz mit der Hauptmieterin Migros eröffnet. Stadtgeschichte pur.

Zwei Nein-Komitees
Die stadträtlichen Pläne haben für viel Kopfschütteln gesorgt und postwendend wurden zwei breit abgestützte, prominent besetzte Nein-Komitees gegründet. Das erste Komitee lancierte die Petition «Casino nicht ins Ungewisse planen!» und sammelte innerhalb von zwei Monaten rund 2000 Unterschriften. Präsidentin dieses Komitees war Stadtratskandidatin Regine Siegenthaler, die das Präsidium nach ihrer Wahl in die Exekutive an Christoph Regli weitergab. Ein zweites, ebenso prominent besetztes Komitee, trägt den Namen «Nein-Komitee zum überstürzten Casino-Verkauf» und trat Mitte April nach der stadträtlichen Präsentation der Abstimmungsbotschaft zum Casino-Verkauf an die Öffentlichkeit.

Stadtsaal in einer Armee-Halle
Mittlerweile wird von Seiten der Stadt ein neuer Stadtsaal in einer Halle auf dem Gelände der Stadtkaserne in Aussicht gestellt. Allerdings gibt’s dort bereits Pläne für den Markt Thurgau, der mitunter auch beide Hallen belegen soll. Für diese Umnutzung in einen Markt Thurgau soll die Stadt insgesamt 20 Mio. Franken aus dem Erlös der TKB-Partizipationsscheine erhalten. Aber: Gibt’s nach dem Bau eines neuen Stadtsaals dann überhaupt noch genügend Platz für den Markt Thurgau?

Nachholbedarf vorhanden
Was viele auch stutzig macht: Das Casino wurde nach einer Totalrenovation vor zwei Jahrzehnten als eine der modernsten Veranstaltungsstätten der Ostschweiz wiedereröffnet und seither baulich unterhalten – nun wird sie unvermittelt als Bauruine bezeichnet. Um dieser Einstufung Nachdruck zu verschaffen, wurden im März und April der Bevölkerung die Gelegenheit geboten, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen – was gut genutzt wurde. Dabei wurden etliche Mängel offenkundig – darunter der ungenügende Fluchtweg vom Balkon im Saal hinunter in den Hinterhof. Beim Blick hinter die Kulissen wurde auch der Nachholbedarf betreffend Infrastruktur und Technik offenkundig.
Dies überrascht freilich, schliesslich weist die Stadt doch stets darauf hin, wie wichtig ihr der Unterhalt der städtischen Liegenschaften ist. Zwar gehörte das Casino einst der Casino AG, die somit auch für den Unterhalt zuständig war, deren Hauptaktionärin war allerdings die Stadt. Was die aktuellen Publikumsräume des Casinos betrifft, so sind sie zeitgemäss – was auch immer wieder zu positiven Rückmeldungen von Veranstaltern führt. Auch der Autolift im Gebäude wird immer wieder gelobt, denn er ist weitherum einzigartig bei Veranstaltungsstätten und ermöglicht einen zügigen Ablad und Auflad von Utensilien von Veranstaltern. Andreas Anderegg

Lob von Unternehmermagazin
In der März-Ausgabe des Ostschweizer Unternehmermagazins «Leader» wird das Casino unter dem Titel «Die schönsten Locations der Ostschweiz» wie folgt beschrieben: «Ob Fach-, Firmen- oder Vereinsanlässe, ob Kulturelles, Show oder Promotion: Im Casino Frauenfeld finden Sie optimale Voraussetzungen für bis zu 700 Personen. Es ist ideal gelegen, direkt am Bahnhof und mit ausreichend Parkplätzen in nächster Umgebung. Die Räume und Infrastruktur lassen sich nach allen Bedürfnissen einrichten, die Grossbühne bietet professionellen Standard.» Mehr Lob geht kaum. (aa)