Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 22.03.2023

Restessbar: Opfer des Erfolgs

Nach acht Jahren schliessen die Türen am 2. Juni

Weil in den letzten Jahren sowohl Grossverteiler als auch Konsumenten in Sachen Food-Waste ein grösseres Bewusstsein entwickelt haben, bleiben weniger Lebensmittel für die Restessbar übrig. In den letzten Monaten mussten wegen der hohen Nachfrage – unter anderem durch Flüchtlinge aus der Ukraine – stetig Lebensmittel zugekauft werden. Das leerte die Vereinskasse. Als Konsequenz muss der Ausgabestandort in Frauenfeld nun geschlossen werden.

 

 

Eigentlich eine absurde Situation: Das Angebot der Restessbar ist beliebt und wird von Menschen mit tiefem Einkommen geschätzt. Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine wird es auch zunehmend von Flüchtlingen in Anspruch genommen. «Wir versorgen pro Woche etwa 500 Personen», sagt Vereinspräsident Urs Geser. Er bedauert die Schliessung der Restessbar in Frauenfeld sehr, sagt aber: «Auch wenn das Angebot beliebt ist, so ist es eigentlich auch ein Erfolg, dass wir das Projekt jetzt abschliessen können. Denn es hat sich die letzten Jahre viel in Sachen Bewusstsein für Food-Waste getan. Das ist erfreulich».

Ein Umweltprojekt
Und genau das macht die Sache auf den ersten Blick so paradox. Das Beenden eines Angebots, das so gut genutzt wird wie das der Restessbar, ist für viele unverständlich. Urs Geser bringt Licht ins Dunkel: «Der Verein Restessbar ist in erster Linie kein soziales Projekt, vielmehr steht für den Verein der Umweltschutz im Vordergrund».
Und da hat sich seit der Vereinsgründung 2015 einiges getan. «Klar, Food-Waste gibt es noch immer. Aber Konsumenten kaufen heute bewusster ein, das hat wohl auch finanzielle Gründe. Ausserdem haben Grossverteiler Strategien entwickelt, um Food-Waste zu vermeiden», sagt Urs Geser dazu. Aldi beispielsweise beliefert den Plättli-Zoo mit tiergerechten Lebensmitteln von gestern. Coop und Migros haben eigene Weitergabekanäle aufgebaut. Dazu kommen auch Angebote wie das der «Too-good-to-go»-App, die sich steigender Beliebtheit erfreut.

Immer weniger Lebensmittel
Das alles hat zur Folge, dass die Restessbar immer weniger Lebensmittel zur Weitergabe erhält. «Vor dem Krieg kamen an zwei Ausgabetagen pro Woche etwa 40 bis 50 Personen. Heute ist eine Registrierung nötig», erklärt Urs Geser. Das Limit beträgt 160 Karten, also eine pro Haushalt. Und diese Anzahl ist ausgeschöpft. Der Verein musste mittlerweile sogar auf vier Ausgabetage pro Woche erhöhen, um dem Ansturm gerecht zu werden. Wegen der gestiegenen Nachfrage mussten jeden Monat für etwa 1500 Franken Lebensmittel zugekauft werden. «Das ist nicht der Sinn und Zweck des Vereins», sagt Urs Geser.

Spenden aufgebraucht
Nach dem Gang an die Öffentlichkeit im letzten Frühling kamen rund 50 000 Franken an Spenden zusammen. Dieses Geld wird voraussichtlich Ende Mai aufgebraucht sein. Darum wird die Lebensmittelausgabe im Thurdruck-Gebäude an der Grabenstrasse 12 am Freitag, 2. Juni, von 19 bis 20.30 Uhr, zum letzten Mal erfolgen. «Der Zeitpunkt für das steigende Bewusstsein gegenüber Food-Waste ist eine super Sache, kommt aber mit Blick auf den Ansturm zum falschen Zeitpunkt», so Urs Geser. Trotzdem ist er überzeugt, dass es der richtige Schritt ist. «Ich will es nicht unterlassen, unseren rund 20 freiwilligen Helfenden und dem Vorstand meinen Dank auszusprechen. Ohne diese Menschen, wäre das Projekt Restessbar gar nicht erst möglich gewesen».

Michael Anderegg

Verein bleibt bestehen
Auch wenn der Restessbar-Standort in Frauenfeld geschlossen wird, so bleibt der Verein Restessbar vorerst noch bestehen. «Wir werden die Situation in zwei Jahren nochmals analysieren und dann entscheiden, ob es den Verein noch braucht oder ob er aufgelöst werden kann», sagt Vereinspräsident Urs Geser. Er hofft natürlich, dass das Bewusstsein gegenüber Food-Waste sich weiterhin verbessern werde, aber er sagt auch: «Man kann nie wissen. Zwei Jahre sind eine lange Zeit». 

(mra)