Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 22.03.2023

Wenig Vertrauen in Einbahnring

Gemeinderat erklärt Motion für nicht erheblich

Der Gemeinderat lehnt die Motion für einen Einbahnring zur Verkehrsentlastung der Innenstadt mit 24 gegen 10 Stimmen bei 5 Enthaltungen ab. Nun warten alle gespannt auf die Projekte der Stadt zur Aufwertung der Strassenräume in der Innenstadt, wofür im letzten Jahr ein Kredit über 11,3 Mio. Franken genehmigt wurde.

 

 

Stefan Leuthold (GLP), der die Motion gemeinsam mit seinem Parteikollegen Lorenz Weber eingereicht hatte, zeigte sich in seiner Stellungnahme im Gemeinderat enttäuscht von der Antwort des Stadtrats. Die Beantwortung der Motion «Einbahn als grosse Chance für die Entlastung der Innenstadt» (FW vom 8. März) liefere keine neuen Fakten. Vielmehr sei es eine Sammlung von Ausreden und Rechtfertigungen, weshalb man auf die Prüfung dieser Einbahn-Variante nicht eingehen will. Auch gebe es keine Angaben zu möglichen Kosten oder zum zeitlichen Aufwand einer solchen Studie. Damit würden dem Parlament wesentliche Entscheidungsgrundlagen fehlen.

Kaum Begeisterung
Leutholds Hoffnung, der Gemeinderat werde dem Stadtrat durch die Erheblich-Erklärung der Motion einen klaren Auftrag erteilen, zerschlug sich in der Folge allerdings. Denn er fand keine Mehrheit bei den 39 anwesenden Ratsmitgliedern. Nach der umfangreichen Diskussion waren gerade mal 10 Ratsmitglieder dafür, 24 lehnten die Motion ab und 5 enthielten sich der Stimme.
Dabei waren etliche Fraktionen gespalten und es herrschten hüben wie drüben geteilte Meinungen. Derweil eine Einbahn gemäss Kathrin Widmer Gubler namens der Fraktion FDP baulich bereits vertieft geprüft und für Frauenfeld als nicht geeignet bezeichnet wurde, hat ein Einbahnring gemäss Ralf Frei hingegen Potenzial, «das könnte funktionieren». Lisa
Badertscher äusserte namens der Fraktion SVP/EDU derweil ihre Zweifel daran, dass eine Einbahn zum gewünschten Ziel führen werde. Das Geld solle stattdessen für die Aufwertung der «Stadträume Innenstadt» eingesetzt werden.

Geteilte Meinungen
Heiner Christ äusserte mitunter die Befürchtung von mehr Verkehr in den Quartieren durch eine Einbahn-Regelung. Stefan Eggimann sagte namens der Fraktion «Die Mitte/EVP», der Stadtrat sollte das Thema noch einmal aufgreifen, auch ohne Auftrag durch die Motion. Im Weiteren wies
Eggimann auch auf die Verkehrssituation in der Vorstadt und auf der Ringstrasse hin, wo verkehrsberuhigende Massnahme seit vielen Jahren gewünscht werden.
Stadtrat Andreas Elliker schliesslich entschuldigte sich für die lange Zeit von elf Monaten, die zur Beantwortung der Motion gebraucht wurden. Zudem rief er dazu auf, die Motion für nicht erheblich zu erklären, «um eine weitere Zusatzschlaufe zu vermeiden. Wir wollen Frauenfeld weiter vorwärtsbringen.» Bekanntlich werden von der Stadt in einem nächsten Schritt die Projekte zur Aufwertung der Strassenräume in der Innenstadt vorgestellt, wofür die Stimmbürger im Mai letzten Jahres einen Kredit im Umfang von 11,3 Mio. Franken genehmigt hatten.

Renaturierung der Thur
Im Weiteren wurde die Diskussion der Interpellation «Renaturierung Thur auf dem Gemeindegebiet Frauenfeld» der Gemeinderäte Lorenz Weber und Stefan Leuthold beantragt und durchgeführt. Zudem reichte
Stefan Eggimann (EVP) eine Einfache Anfrage «Partnerstadt in der Ukraine» ein.

(aa)

D’Alelio geht
Letztmals dabei an der Sitzung als Protokollführer war Gemeinderatssekretär Giuseppe D’Alelio. Er übernimmt per 1. April 2023 die Leitung der Parlamentsdienste des Kantons Thurgau. Giuseppe D’Alelio wurde vom Gemeinderat mit einer Standing Ovation verabschiedet.

(aa)

Kommentar
Auf das Machbare konzentrieren
Die von den GLP-Vertretern Stefan Leuthold und Lorenz Weber ins Spiel gebrachte Einbahn-Variante hat eine lange Vorgeschichte: Bereits im Jahr 1989 hatte der Frauenfelder Jörg
Bierett eine solche Einbahnregelung vorgeschlagen. Und 1993 schlug eine FDP-Arbeitsgruppe ein Einbahnkonzept zwecks Belebung der Innenstadt vor. Seither gab es immer wieder Forderungen nach einer Einbahnregelung und das mit gutem Grund: Beim Einbahnverkehr gibt es keinen Gegenverkehr, der bei Verzweigungen und Kreuzungen den Verkehrsfluss hemmt und für Staus sorgt.
Eine dieser Einbahn-Forderungen kam interessanterweise vom damaligen Gemeinderat und heutigen Stadtrat und Bauvorsteher Andreas Elliker. Alle diese Anliegen wurden aber stets mit dem Hinweis auf erstellte Papiere und Planungen abgelehnt. Alles kam nie über die Papierphase hinaus. Bisweilen bekam man gar das Gefühl, man könnte Angst haben vom Erfolg mit einer solchen Verkehrsführung. Denn falls sich ein solcher einstellen würde, wären die jahrelangen, aufwändigen und kostenintensiven Planungen plötzlich Makulatur.
Auch Tempo 30 wurde schon vor Jahren vorgeschlagen, um den Verkehrsfluss in der Innenstadt zu optimieren. Nachdem die Verkehrsberuhigung auf Kantonsstrassen mit Tempo 30 lange Zeit tabu war, ist dieses generelle Verbot seit geraumer Zeit vom Tisch. Dies auch aufgrund von Bundesgerichtsurteilen, die Tempo 30 als Mittel zur Einhaltung der Lärmgrenzwerte explizit vorsehen.
So gibt es beispielsweise im Kanton Luzern mehrere Kantonsstrassen-Abschnitte, auf denen nur 30 Stundenkilometer gefahren werden darf: im Dorfzentrum Adligenswil, auf der Bernstrasse in Luzern und auf der Bahnhofstrasse in Root. Auch in Baselbieter Gemeinden gibt’s Tempo-30-Abschnitte auf Kantonsstrassen: In Bottmingen, Oberwil und Therwil wurde die Bewilligung aus Gründen des Lärmschutzes erteilt, in Maisprach war die Verbesserung der Verkehrssicherheit ausschlaggebend. Damit verbunden sollte nun auch Frauenfeld einen Schritt nach vorne machen und einen Versuch starten, oder zumindest die Planung konkret angehen.
Gleichzeitig sollte man auch die endlose Diskussion um einen hypothetischen Tunnel im Stadtkern definitiv abschliessen. Es macht wenig Sinn, einen solchen Tunnel noch länger als Möglichkeit aufzuführen und daraus Abhängigkeiten für eine Verkehrsentlastung abzuleiten. Denn seit der knappen Ablehnung des Verkehrsentlastungskonzepts «F21» im Jahr 2007 mit gerade mal 276 mehr Nein-Stimmen – bei rund 8600 abgegebenen Stimmen - ist nichts mehr wirklich Greifbares in Sichtweite.
Auch die zuletzt vom Stadtrat vorgestellte Variante für einen Tunnel zwischen Holdertor/St. Gallerstrasse und Zeughausstrasse/Schweizerhofkreisel wird kaum je aus dem Papier-Stadium herauskommen. Für einen derartigen baulichen Eingriff direkt beim Stadtzentrum mit einer mehrjährigen Bauzeit werden die Frauenfelderinnen und Frauenfelder mit allergrösster Wahrscheinlichkeit nicht zu begeistern sein. Aus diesem Grund sollte man sich nun definitiv auf das Machbare konzentrieren.
Gleichzeitig darf man nun gespannt sein auf die Umsetzung der Projekte zur Aufwertung der Strassenräume in der Innenstadt. Dafür hatten die Stimmbürger im letzten Jahr an der Urne ja einen Blanko-Check in mehrfacher Millionenhöhe ausgestellt. Gespannt sein mitunter deshalb, weil eine solche Aufwertung ja trotz unverändert hohem Verkehrsfluss erfolgen soll ­– denn für die stark befahrene Nord-Süd-Achse im Stadtzentrum gibt es in Richtung Süden bekanntlich weit und breit keine Ausweichmöglichkeit.

Andreas Anderegg