Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 11.01.2023

Comeback der grossen Tradition

Der Bechtelistag – ein Brauch, der Menschen verbindet

Nach zweijähriger Corona-bedingter Pause feiert Frauenfeld am kommenden Montag den Bechtelistag, den «höchsten Tag des Jahres». Abgeschlossen wird dieser dritte Montag im Januar jeweils mit der «Nacht der Nächte».

 

 

Wie vieles andere ist auch der Bechtelistag in Frauenfeld durch den Corona-Virus unter die Räder gekommen. Zwar konnte der Bechtelistag im Januar 2020 noch durchgeführt werden – der Corona-Lockdown folgte erst Mitte März 2020 – in den Jahren 2021 und 2022 fiel er dann aber Corona-bedingt aus. Umso grösser ist nun die Vorfreude auf die Wiederauferstehung dieser Tradition, die ihren Ursprung im Mittelalter hat.

Kurz nach Stadtgründung
Schon kurz nach der Gründung von Frauenfeld im Jahr 1246 (Ersterwähnung) formierte sich die «Constablergesellschaft», die Vorgängerin der heutigen Konstablergesellschaft Frauenfeld. Im Jahr 1430 gründeten auch die Handwerker eine Gesellschaft, die den Namen «Zum wilden Mann» trug und eine eigene Trinkstube unterhielt. Im Jahr 1640 schlossen sich die beiden Gesellschaften zusammen. Die neue Gesellschaft verfügte über eigene Güter, gewährte Darlehen und holte Zinsen ein. Am Anfang des Jahres trafen sich deren Mitglieder jeweils zur Präsentation der Rechnung und feierten mit einem gemeinsamen Mahl und Umtrunk.

Mehr Zeit benötigt
Ursprünglich wurde in Frauenfeld der Bechtelistag am ersten Montag im Januar gefeiert, ab 1811 am zweiten und seit 1875 am dritten Montag.
Dies mit grosser Wahrscheinlichkeit deshalb, um mit diesem Aufschub den Finanzverantwortlichen der Körperschaften mehr Zeit zum Abschluss der Rechnungen einzuräumen (bis zur Verfassungsänderung im Jahr 1870 war die Bürgergemeinde Frauenfeld die Trägerin aller Gemeindeaufgaben an Ort und am Bechtelistag wurden jeweils die Gemeinderechnungen abgenommen).

Das Tagesprogramm
Am Bechtelistag findet am Morgen im Rathaus jeweils die Versammlung der Bürgergemeinde statt, danach bleiben die Stadtkonstabler zu ihrer Jahressitzung im Rathaussaal beisammen. Am Abend versammeln sich die Erchinger des Langdorfs, die Mitglieder der Konstablergesellschaft Kurzdorf, die Gesellschafter von Herten und Huben, sowie die Mitglieder der verschiedenen Schamauchengesellschaften (Nicht-Bürger) dezentral in ihren jeweiligen Lokalen zum Bechtelismahl. Die Stadtkonstabler feiern ihr Gesellschaftsessen im Rathaus. Das Mahl – mit Salzisse, Salat, Brot und Wein – beginnt jeweils um Punkt 18 Uhr, es läuft nach festen Regeln ab und wird von Reden und musikalischen Darbietungen umrahmt. Während das eigentliche Gesellschaftsmahl männlichen Bürgern und Gästen vorbehalten ist, öffnen sich gegen 23 Uhr die Türen des Rathauses jeweils für festfreudige Leute jeden Alters und Geschlechts.

«Nacht der Nächte»
Am Bechtelistag bleiben in Frauenfeld viele Restaurants die Nacht über offen, damit ausgiebig gefeiert werden kann. In den meisten Gegenden der Schweiz trägt der Bechtelistag den Namen Berchtoldstag und ist am 2. Januar. In Frauenfeld werden seltsamerweise zwei Schreibweisen verwendet. Die Trinkgesellschaften in den alten Ortsteilen, die bei der Stadtvereinigung im Jahr 1919 zur Wahrung einer gewissen Eigenständigkeit gegründet worden waren, schreiben «w» – verwenden also ein «r». Die Bürgergemeinde und die Stadtkonstabler hingegen verzichten auf das «r» und schreiben «Bechtelistag». Dies ist auch für den versierten Lokalhistoriker Angelus Hux ein Rätsel: «Weshalb das so ist, weiss man nicht», sagt er dazu.

Andreas Anderegg