Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 26.10.2022

Der Menschenversteher

Zum Gedenken an Friedrich Kappeler

Der Frauenfelder Regisseur Friedrich Kappeler ist verstorben. Seine Filme waren Hommagen an eigenwillige Charaktere, einfühlsam und mit einer freundlichen Haltung zum Menschen. So wie er selbst.

 

 

Friedrich Kappeler wurde 1949 in Frauenfeld geboren, dort ist er auch aufgewachsen. Er studierte Fotografie an der Schule für Gestaltung in Zürich, danach widmete er sich dem Film an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Seit 1977 arbeitete er schliesslich als freischaffender Filmautor und Fotograf. Er war für längere Aufenthalte im Ausland, etwas in Paris, kehrte aber immer wieder nach Frauenfeld zurück, wo er bis zuletzt lebte. Friedrichs Kappelers Spezialität hätte eigentlich ein eigenes Genre verdient. Er war vor allem bekannt für Portraitfilme und zwar für eine ganz spezifische Art. Seine erfolgreichsten Filme waren Portraits über Menschen, die zum Zeitpunkt als der Film gedreht wurde bereits nicht mehr lebten. Etwa den Thurgauer Maler Adolf Dietrich oder Chansonnier Mani Matter. Die beiden Portraits sind Schlüsselfilme für Kappelers Werk. Mit dem Film über Dietrich würde er 1991 bekannt, mit dem Film über Mani Matter – «Warum syt dir so truurig» erreichte er seinen grössten kommerziellen Erfolg. Das Matter-Portrait war während zehn Jahren national der erfolgreichste Schweizer Dokumentarfilm.

Sensible Inszenierung
Mani Matter war 30 Jahre vor Erscheinung des Films verstorben, Adolf Dietrich bereits 40 Jahre zuvor. Die Filme sind deswegen nicht distanziert, im Gegenteil. Kappeler hatte eine eigene Art entwickelt, Menschen filmisch besser kennenzulernen, auch wenn sie nicht mehr leben. Über sorgfältig ausgewählte Weggefährten, präzise Fragen und vor allem einem Gespür fürs Gegenüber. Der schönste Film ist diesbezüglich das Dietrich-Portrait. Kappeler nähert sich dem verstorbenen Maler über die Menschen, die dieser seinerzeit in seinen Gemälden portraitiert hatte. Dietrich blieb zeitlebens in seinem Heimatdorf Berlingen am Bodensee. Dort hat er auch die Dorfbewohnerinnen und Bewohner gemalt. Kappeler trifft die unterdessen alten Menschen, arrangiert, dass sie vor der Kamera Portraits ihres jüngeren Selbst wieder zu sehen bekamen. Berührende Szenen und dabei wunderbare Beispiele für das schwierige Feld der Inszenierung im Dokumentarfilm. Die Begegnungen waren zwar arrangiert, allerdings so, dass die Protagonisten Raum zum Erzählen bekamen. Das geht nur mit Planung. Auch das ein wichtiger Teil von Kappelers Arbeit.

Liebe fürs Analoge
Seine Filme entstanden nicht im Schnitt, sondern waren akribisch vorbereitet. Archivmaterial, Aufnahmen von Orten, Wohnungen, Ateliers und Landschaft. Dazu sorgfältig gewählte Gesprächspartnerinnen und präzise und dennoch sensible Fragen. Diese Arbeitshaltung verlangte auch das Medium. Kappeler hat all seine Dokumentarfilme auf analogem 16 Millimeterfilm gedreht. Auch dann noch, als digitale Technik auch im künstlerischen Film längst angekommen war. In einem Interview sagte er, zu fest liebe er den Look, das Korn, die Farben. So sah Kappeler das Medium auch als gestalterisches Mittel. Kameramann war bei seinen Filmen meistens Pio Corradi, der 2019 verstorben ist. Im Schnitt hat er oft mit Editorin Mirjam Krakenberger gearbeitet. Kappeler mochte Menschen eben nicht nur in seinen Filmen, sondern auch als Kolleginnen und Kollegen. Das war auch, was ihm am Filmemachen gefiel: Die Arbeit als Equipe, dass man miteinander etwas realisieren kann. So kommt es auch, dass nicht nur Protagonisten und Equipe in den Filmen vorkommen, sondern auch Kappeler selbst, etwa als Fragensteller in den Interviews oder als Stimme aus dem Off. Ein Film sagt immer etwas über die Personen die darin vorkommen, aber mindestens genauso viel über die Person, die ihn gemacht hat. Und das ist das schöne. Dass Friedrich Kappeler durch seine Filme bei uns bleibt.

Samantha Zaugg