Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 18.05.2022

Volkswille: Altstadt wird nicht autofrei

Innenstadt wird aufgewertet – Verkehrsregime beibehalten

Die Strassenräume der Innenstadt werden für 11,3 Mio. Franken aufgewertet und Autos dürfen weiterhin in der Altstadt verkehren. Dies haben die Frauenfelder Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am Sonntag an der Urne beschlossen.

 

 

Der Rahmenkredit zur Aufwertung der Strassenräume in der Innenstadt im Umfang von 11,3 Mio. Franken wurde mit 4252 Ja- zu 3115 Nein-Stimmen genehmigt. Der Stadtrat nimmt dieses Ergebnis gemäss Mitteilung mit grosser Freude zur Kenntnis. Die Grundsatzfrage «Altstadt autofrei?» wurde hingegen mit 3003 Ja- zu 4574 Nein-Stimmen abgelehnt.

Umsetzung spätestens ab 2027
Nach der Annahme des Kredits werden die Strassensanierungen und -aufwertungen in der Innenstadt vorangetrieben, um die in Aussicht gestellten Bundesbeiträge vollumfänglich zu erhalten. Gleichzeitig schafft die Zusage Klarheit in Bezug auf die Umsetzung der bisherigen sowie eine gute Basis für künftige Agglomerationsprogramme. In den nächsten fünf Jahren können nun diverse Strassenprojekte in der Innenstadt geplant, projektiert und es kann mit der Umsetzung begonnen werden.

Altstadt bleibt Begegnungszone
Nach dem Nein zu einer autofreien Altstadt wird die bestehende Begegnungszone (Zürcherstrasse, Freie-Strasse, Kirchgasse, Bankplatz) als solche entsprechend der kantonalen Vorgaben gestaltet. Die Zulieferung und der Warenumschlag sind weiterhin gestattet. Die Freie-Strasse wird aufgrund der Annahme des Rahmenkredits von Fassade zu Fassade umgestaltet. Der Stadtrat sieht eine Mitwirkung für die detaillierte Umsetzung der Begegnungszone vor.

(aa)



Kommentar
Klare Sache
Das Nein zur Grundsatzfrage «Altstadt aufofrei?» ist auf Grund des aktiv geführten Wahlkampfs überraschend deutlich und lässt keinen Raum für Spekulationen. Denn mit 60 Prozent jener Stimmberechtigten, die an die Urne gingen, wollen fast zwei Drittel die jetzige Begegnungszone beibehalten. Also diese Zone mit Tempo 20 und Fussgängervortritt, die sich in den letzten Jahren bestens bewährt hat. Davor war insbesondere die Zürcherstrasse in der Altstadt – sie war bis 1974 in beide Richtungen für den Verkehr offen – am Absterben. Denn mit der Einführung des Einbahnverkehrs zwischen Katholischer Kirche und Rathausplatz verabschiedete sich schrittweise auch das pulsierende Leben aus diesem Strassenzug. So wurden die Geschäfte wegen dem fehlenden Verkehr nicht mehr wahrgenommen. Ein Witz? Mitnichten. Fachleute sagten bereits vor Jahrzehnten, die Frauenfelder Altstadt sei mit den beiden Strassenzügen zwischen Bankplatz/Katholischer Kirche und Rathausplatz zu klein für eine reine Fussgängerzone. Bestätigt wird diese Aussage durch die mittlerweile lange Liste an Geschäften, die von der Bildfläche verschwunden sind. Zudem liegen die beiden Einkaufszentren Passage und Schlosspark zwar im Stadtzentrum, allerdings ausserhalb der Altstadtkante. Damit sind sie nicht für alle Fussgängerinnen und Fussgänger gut erreichbar. In der Altstadt kehrte das Leben erst im Jahr 2015 mit Einführung der Begegnungszone zurück. Dabei funktioniert seither die Regelung mit der freien Zufahrt in die Zürcherstrasse tagsüber von Montag bis Freitag gut. Und auch die Möglichkeit zur individuellen Sperrung der Freie-Strasse für Anlässe aller Art wird den unterschiedlichsten Ansprüchen gerecht. Zurück zum Anfang: Von 1974 bis 2015 war es in der Altstadt – gelinde gesagt – ziemlich ruhig. Damit verbunden hat es in diesen 41 Jahren eigentlich genügend Raum und Möglichkeiten für Versuche gegeben, die Strassen und Plätze in den autofreien Zeiten mit Aktivitäten zu beleben. Denn zeitweise durfte die Zürcherstrasse ja sogar ausschliesslich am Morgen befahren werden. Initiativen zur Belebung und Attraktivitätssteigerung gab es in dieser langen Zeit freilich kaum – weshalb also sollte die Altstadt nun unvermittelt zur reinen Oase für die Lebensfreude werden? Ausserdem mutet es irgendwie seltsam an, wenn ausgerechnet jene Kreise eine autofreie Altstadt wollen, die vor Jahren noch ein Verkehrsentlastungskonzept für die Innenstadt bekämpft und bachab geschickt hatten. Zumal jenes Konzept eben eine Verlagerung des Hauptverkehrs raus aus dem Stadtzentrum ermöglicht hätte sowie die angestrtebte Schaffung von Freiräumen im Stadtkern – inklusive Begegnungszone. Der Abschluss jenes Projekts war bekanntlich für Ende 2011 vorgesehen, also vor über zehn Jahren.
Politik ist manchmal wirklich nur schwer zu verstehen. 

Andreas Anderegg