Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 08.12.2021

«Corona wird uns noch lange beschäftigen»

Marc Kohler, CEO der Spital Thurgau AG, zieht Bilanz nach 21 Monaten

CEO Marc Kohler von der Geschäftsleitung der Spital Thurgau AG spricht betreffend Corona-Virus von einer «angespannten Situation». Gleichzeitig lobt er den Einsatz der Mitarbeitenden: «Es wird auf allen Ebenen ein überdurchschnittlicher Einsatz geleistet, sonst hätten wir das gar nie bewältigen können», sagt er. Dies ist wichtig, denn «Corona wird uns lange beschäftigen».

 

 

Trotz seiner Wertschätzung für den Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirkt CEO Marc Kohler an diesem Morgen in seinem Büro auf dem Areal des Kantonsspitals Frauenfeld ziemlich angespannt. Einerseits weil das Spital in der Vorweihnachtszeit traditionell ohnehin ausgelastet ist, andererseits leistet das Personal seit Monaten auf breiter Ebene wieder sehr viele Überstunden – und diese häufen sich, weil sie nicht kompensiert werden können. Verbunden mit dieser Entwicklung läuft die Suche nach neuem Personal, wobei dieses für Covid-Patientinnen und Patienten auf den IPS besonders ausgebildet sein muss.

Ethische Grundsätze
Wie im Laufe des Gesprächs mit dem CEO der Spital Thurgau AG
besonders zum Ausdruck kommt, beschäftigen Marc Kohler neben der Bewältigung der Corona-Krise aus gesamtheitlicher Sicht vor allem auch ethische Grundsätze. Dazu weist er auf den Sachverhalt hin, wonach auf der Intensiv-Station am Kantonsspital Frauenfeld ausschliesslich ungeimpfte Covid-Patientinnen und Patienten liegen, zudem hat die Mehrheit der Covid-Patienten auf den «normalen» Stationen keine entsprechende Impfung. «Da fragen sich natürlich etliche unserer Mitarbeitenden schon, wie lange sollen sie sich noch so stark einsetzen für Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen», sagt Marc Kohler.
Daneben gibt’s eine weitere Komponente aus ethischer Sicht. Ein Corona-Patient auf der Intensiv-Station ist im Durchschnitt einen Monat dort, normalerweise teilen sich in dieser Zeitspanne fünf bis sechs Patienten diesen Platz. «Überspitzt formuliert nimmt ein Covid-Patient auf der Intensiv-Abteilung also

einer Handvoll Schwerkranken – beispielsweise Krebspatienten – den Platz weg», sagt der CEO weiter. Vor diesem Hintergrund stelle sich zunehmend die Frage, ob eine Impfverweigerung moralisch korrekt sei, schliesslich haben geimpfte Personen bei einer Corona-Infektion nachgewiesenermassen einen milderen Krankheitsverlauf. Bis anhin konnten in den Spitälern der Spital Thurgau AG sämtliche Corona-Patientinnen und Patienten behandelt werden – «doch wir spüren, dass unsere Mitarbeitenden am Anschlag sind und deshalb können wir nichtbeliebig so weitermachen.»

Gesundheitliche Nachteile
Wie Marc Kohler im Rückblick auf die Situation vor einem Jahr sagt, haben etliche Patienten wegen verschobenen Behandlungen – die Kapazitäten waren durch Corona-bedingten Lockdown und das Verbot von elektiven Behandlungen nicht verfügbar – gesundheitliche Nachteile erlitten. Marc Kohler: «Da stellt man sich dann schon die Frage, wie lange die Gesellschaft bereit ist, solchen Entwicklungen tatenlos zuzusehen.» Auch kann er nicht verstehen, wie man das Weigern zum Impfen mit dem Argument «Freiheit» begründen will – «das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. Vielmehr werden auf diese Weise unnötig Ressourcen im Gesundheitswesen in Anspruch genommen. Und das aus reinem Egoismus.» Man nehme sich etwas heraus zu Lasten der Nächsten. Im Übrigen stehe es in der Verfassung, dass man sich für das Wohl der Allgemeinheit einsetzen müsse – «Pustekuchen, das interessiert offensichtlich nicht.»


Andreas Anderegg