Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 27.01.2021

Schnee

Es schneite schon in der Nacht zuvor und dann ohne Unterbruch den ganzen Tag über. Diese Unmenge Schnee darf ruhig als aussergewöhnliches Ereignis bezeichnet werden.

 

 

Dem neugierigen Naturfreund bieten sich allerlei Beobachtungen, schöne und andere. 40 Zentimeter tief messe ich die weisse Pracht. Während der Schnee gefallen ist, ging nicht der leiseste Wind. Die Flocken setzten sich ruhig auf den Ästen ab und bildeten bald ganze Kappen und dann happige weiche runde Kissen, die festklebten und mit ihrem Gewicht manch Holz brachen.
Im Garten hat der Perückenbaum am meisten gelitten. Seine abgebrochenen langen Stämme liegen im Rasen. Die Firma «Wetterbaum» kommt sie in einer Woche zersägen und das Holz entsorgen. Das ist eine grosse Arbeit. Am Drosselweg und an der Alfred-Huggenberger-Strasse und am nahen Waldrand wurden ganze Bäume umgedrückt. Motorsägen machten Geh- und Fahrwege wieder frei.
Die Eibe oben an der Böschung lässt ihre langen Äste so steil wie möglich nach unten hängen, kann es aber nicht verhindern, dass sie von einem dicken weissen Mantel eingepackt ist. Immerhin konnte sie Bruch bis jetzt vermeiden.
Es sieht bei uns aus wie in einem verschneiten Bergdorf. Die Strasse ist schmal, denn auf einer Seite trennt eine hohe Schneemahd Fahrbahn und Trottoir nur schwer übersteigbar voneinander. Ein Nachbar half mir, die Zufahrt zur Garage freizuschaufeln. Die Treppen hatten im tiefen Schnee die Stufen verloren. Ich musste sie wieder ausgraben. In den Garten hinauf kann ich nicht mehr gehen, ohne dass mir das kalte Weiss oben in die kniehohen Stiefel fällt. Alle Konturen sind weich. Die Dächer tragen dicke Pelze.
Der Unterstand für den Rasenroboter ist nurmehr ein sanfter weisser Hügel.
Wir hatten wegen Corona an Weihnachten einen Christbaum im Garten eingerichtet. Nun steckt er bis halb hinauf samt seinem Schmuck im Schnee. Zum Glück besteht dieser aus Plastik. Die Kerzen sind elektrisch.
Auf einem Pfahl im Garten steht eine senkrechte hohe schlanke Mütze. Erst ein starker Wind wird sie herunterholen.
Lustig ist, dass der Schnee die Menschen gesprächiger macht. Man erinnert sich gegenseitig auch an den März 2006. Da hatte es noch etwas mehr gegeben als jetzt. Nach ein paar Tagen: Der viele Schnee engt ein, mehr fürs Gefühl als wirklich.
Der Strasse nach ist er schmutzig geworden. Sonst aber ist das grosse Weiss noch immer schön. Wie wäre es, wenn der Schnee eine Farbe hätte? Die gar noch abfärben würde? Das ist nicht auszudenken. Wer würde Häuser, Strassen, Wald und Flur wieder entfärben?

Felix Kottonau