Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 30.12.2020

Trotz allem denkt Marcel Hug natürlich an die Paralympics

Die Corona-Pandemie hat logischerweise auch den Rollstuhl-Leichtathleten Marcel Hug enorm eingeengt. Der Pfyner schaut aber vorwärts und hofft, dass die verschobenen Paralympics nun 2021 in Tokio stattfinden dürfen.

 

 

Marcel Hug bekam bei der kürzlichen Fernsehsendung von der Sports Awards Academy 18 Prozent der Stimmen und erreichte Platz drei der Para-Sportler aus den letzten 70 Jahren. Mit seinen Erfolgen hat er viel zur Anerkennung und Weiterentwicklung des Para-Sports in der Schweiz beigetragen. Für jüngere Rollstuhl-Leichtathleten – am 16. Januar wird Hug 35 Jahre alt - ist er ein grosses Vorbild.
Auch Hugs Saison stand unter grossem Einfluss von Covid-19. Dabei standen die Planung und die Vorbereitungen ursprünglich klar im Zeichen der Paralympics in Tokio, umrahmt von 17 weiteren Wettkämpfen auf der ganzen Welt. Doch die Paralympics wurden auf 2021 verschoben und nur fünf Wettkämpfe fanden statt. Der Dubai Marathon, den er gewinnen konnte, fand gerade noch vor der weltweiten Pandemie statt. Nach der ersten Welle konnte er erfreulicherweise an drei nationalen Bahnrennen teilnehmen.

London als Saisonhöhepunkt
Der Organisator des London Marathon hatte keinen Aufwand gescheut, um einen tollen Wettkampf unter strengsten Corona-Massnahmen zu bieten. Das ganze Hotelgelände war abgeriegelt und bewacht, alle durften das Gelände nicht verlassen. Hug schaut zurück: «Wir mussten vor der Anreise einen negativen Corona-Test vorweisen. Vor Ort wurden wir nochmals bei Ankunft und einen Tag vor dem Anlass getestet. Im Hotel mussten wir nebst den Masken auch ein Gerät um den Hals tragen, welches sofort ein Signal gab, wenn man den Abstand nicht einhielt».
Bei diesem Marathon hatte jeder sein Abteil mit eigener Toilette zur Vorbereitung. Der Rundkurs war ebenfalls abgesperrt und Zuschauer waren keine zugelassen.

Falschen Entscheid getroffen
Der Renntag war regnerisch, windig und kalt. Der Thurgauer entschied sich, ohne Regenjacke zu starten, um einen Hitzestau wie in Boston 2019 zu vermeiden. Leider war das ein Fehlentscheid wie sich nach zwölf Kilometern herausstelle.
Hug ist selbstkritisch: «Zu Beginn fühlte ich mich sehr gut und ich konnte den ersten von vier Zwischensprints gewinnen, doch plötzlich fing ich an mehr und mehr zu frieren. Ich habe die Kälte unterschätzt». Dazu kam, dass der 2,2 Kilometer lange Rundkurs windexponiert war und keine Steigungen enthielt, wo man die Muskeln wieder hätte auf Temperatur bringen können. So bekam Hug Krämpfe in den Oberschenkeln und seine Oberkörpermuskulatur kühlte ab und wurde ebenfalls steif: «Ich war nur in der Lage zu reagieren, statt zu agieren. Ich konnte froh sein, dass ich den dritten Rang knapp ins Ziel retten konnte. Die Enttäuschung war sehr gross».

Corona – eine Herausforderung
Marcel Hug will ob den vielen entgangenen Rennen nicht hadern, er blickt bereits in die Zukunft: «Dieses Jahr stellte uns wahrlich vor schwere Herausforderungen. Doch ich konnte in dieser Zeit auch positive Erfahrungen machen. So genoss ich es so lange am Stück zu Hause zu sein wie schon sehr lange nicht mehr». Zwischenzeitlich geriet der Sport und der einhergehende Leistungsdruck in den Hintergrund und anderes drängte sich in den Fokus. Aber auch im Sport konnte er und sein bewährtes Team die wettkampffreie Zeit nutzen, um zu experimentieren und das Material zu verbessern.

Absagen schon für 2021
Covid-19 macht die Planung auch für 2021 nicht einfach. Der Dubai Marathon im Januar wurde abgesagt und die Frühlings-Marathons in Tokio, Boston und London bereits auf den Herbst verschoben. Somit könnte der Herbst, so es die Umstände erlauben, zu einem «Mammut-Herbst» werden mit acht Marathons in drei Monaten. Marcel Hug stört das nicht. Im Gegenteil: «Ich freue mich schon auf diese Herausforderung. Der Fokus liegt klar auf den Paralympics. Stand heute gehen wir davon aus, dass diese stattfinden werden, unter welchen Corona-Massnahmen auch immer. Aber natürlich müssen wir weiterhin sehr flexibel sein und mit allen möglichen Szenarien rechnen».

(rs/mh)