Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 02.12.2020

KSF hat Corona-Virus im Griff, aber …

Die Pandemie fordert das Gesundheitspersonal besonders intensiv

Das Gesundheitswesen steht seit dem Beginn der Corona-Pandemie mehr im Fokus denn je. Am Kantonsspital Frauenfeld (KSF) hat man täglich mit dem Virus zu kämpfen, ist der Lage aber Herr. Aktuell werden am KSF 33 Covid-19-Patienten stationär behandelt, acht davon auf der Intensivstation.

 

 


Während der ersten Welle der Corona-Pandemie war vieles hektisch, unübersichtlich und neu. Am Kantonsspital Frauenfeld verschob man sogar den Rückbau des alten Bettenturms, um im Neubau Platz für Covid-19-Patienten schaffen zu können. Dieser wurden dann allerdings nicht gebraucht. Auf diese Zeit rückblickend sagt Stefan Duewell, Ärztlicher Direktor des KSF: «Die dadurch ermöglichte Bereitstellung hoher Bettenkapazitäten erinnerte mich an die Bilder der Krankenstationen aus der Zeit der Spanischen Grippe während des 1. Weltkriegs». Wie Andreas Kistler, Chefarzt Medizinische Klinik sagt, sei in der ersten Welle vor allem darauf Wert gelegt worden, die Wege von Covid-19- und anderen Patienten zu trennen, um Übertragungen zu verhindern. Das sei eine Mammut-Aufgabe gewesen. Auf einen Schlag brauchte es eine zweite Notfallstation, eine separate Bettenstation für Covid-19-Patienten wurde eingerichtet und Teams mussten doppelt besetzt werden. Dafür musste viel Personal mobilisiert werden.

Applaus alleine bringt nichts
Während man neues Personal für die Notfall- und vor allem Intensivstation anheuerte, sass anderes Fachpersonal zu Hause. «Wir mussten die elektiven Eingriffe stoppen. Das Fachpersonal, das dadurch frei wurde, konnte aber nur zum Teil in der Behandlung der Covid-19-Patienten eingesetzt werden, da gerade in der Intensivpflege spezifisches Know-how nötig ist. Das war eine schwierige Situation, auch finanziell», sagt Stefan Duewell. Die Spital Thurgau AG rechnet als Folge der Corona-Pandemie für die erste Welle mit Kosten und Mindereinnahmen von rund 25 Millionen Franken. Dazu komme die Tatsache, dass das Personal an seine Grenzen stosse. «Der Applaus im Frühling war ja schön und gut. Aber davon kann man sich eben auch nichts kaufen», so Stefan Duewell. Da müsse sich etwas ändern. Er ist im gleichen Atemzug auch voll des Lobes für seine Angestellten und das, was sie in den letzten Monaten geleistet haben «und ohne gross zu Murren auch noch leisten werden.» Viele Schnelltests
Die erste Welle traf den Thurgau im Vergleich zum Rest des Landes eher schwach. Das sieht in der zweiten Welle anders aus. Genauso ist es auch am KSF. Immerhin ist man nun besser vorbereitet: Beispielsweise ist Schutzmaterial wie Masken und Schutzmäntel nicht mehr knapp. Auch was das Testmaterial anbelangt, sieht die Situation heute etwas besser aus als im Frühling. Es stehen in begrenzter Zahl PCR-Tests vor Ort zur Verfügung, die Resultate der in Zürich analysierten Tests sind schneller verfügbar und mit den Antigen-Tests steht nun noch eine weitere Option bereit. Das bringt Flexibilität. Denn dank der Schnelltests kann nun gar jeder der wöchentlich 100 bis 150 Neueintritte getestet werden. «Dadurch können pro Woche zwei bis drei Personen identifiziert werden, die positiv sind, ohne jegliche Corona-Symptome zu haben», sagt Andreas Kistler.

Grosse Analyse im Sommer
Nach der ersten Welle ging man am KSF Anfang Juni wieder zum Normalbetrieb über. Hinter den Kulissen aber bereitete man sich mit Analysen intensiv auf die zweite Welle vor, denn: «Es war uns absolut klar, dass sie kommt. Wir waren nur etwas überrascht, wie lang es dann effektiv ging», sagt Stefan Duewell. In diesem Zusammenhang kritisiert er auch das Vorgehen des Bundesrats: «Man hätte schneller reagieren und die Maskenpflicht bereits zwei oder drei Wochen früher einführen sollen». Dann hätte man die Welle früher bremsen können.
Was die Übertragung im Spital betrifft, habe sich gezeigt, dass es dafür keinen Ganzkörperanzug braucht, wie man oft in den Medien sieht. «Maske, Hände desinfizieren und Abstand reichen grundsätzlich aus. Im Umgang mit einer positiv getesteten Person kommt bei engem Kontakt noch eine Schutzbrille und eine Überschürze dazu. Diese Massnahmen reichen vollkommen aus, wenn sie konsequent umgesetzt werden», erklärt Andreas Kistler.

Problem: Schwerer Verlauf
Andreas Kistler und Stefan Duewell freuen sich über die nun sinkenden Zahlen an Neuinfektionen. Sie machen dies aber mit Vorsicht, denn: «Sie geben der Bevölkerung ein falsches Signal und damit eine falsche Sicherheit», so Stefan Duewell. Dies, weil die Spitäler mit Verzögerungen zu kämpfen hätten. Denn bis eine infizierte Person dann im Spital lande, können seit der Ansteckung und dem positiven Test zwei Wochen vergehen. «Die schweren Verläufe sind es, die die Spitäler und deren Intensivbetten belasten. Diese kommen teils zwei oder drei Wochen nach Ansteckung zu uns und bleiben dann im Durchschnitt drei bis vier Wochen auf der Intensiv», erklärt Andreas Kistler. Die Heilungsrate der schweren Verläufe, die künstlich beatmet werden mussten, betrug am KSF während der ersten Welle 75 Prozent.

Belegte Intensivbetten
Seit kurzem wird am KSF die Zahl der elektiven Eingriffe wieder reduziert. «Wir sprechen von 30 bis 50 Prozent», sagt Stefan Duewell dazu. Denn seit rund vier Wochen steige die Zahl der stationären Eintritte. Letzte Woche stockte man auch die Zahl der Intensivbetten von 9 auf 12 auf. Mehr sei nicht möglich. «Platz hätten wir genug, aber wir brauchen auch das Personal, um die Betten zu betreiben», erklärt Andreas Kistler.Stand Montag waren acht dieser Betten mit Corona- und zwei mit anderen Patienten belegt. Zum Vergleich: Normalerweise beträgt die Auslastung der neun Intensivbetten 70 bis 80 Prozent – mit Nicht-Covid-19-Patienten wohlgemerkt. «In der ersten Welle stellten wir einen starken Rückgang an anderen Notfallpatienten fest. Dies ist nun in der zweiten Welle anders und führt zu einer doppelten Belastung», so Andreas Kistler.

Hoffnung Impfung
Am KSF zeigt man sich zuversichtlich: «Wir werden es schaffen, die Bevölkerung zu versorgen, bis eine Impfung bereit ist», so Stefan Duewell. Daran habe er keinen Zweifel. In den Impfungen sieht er denn auch die grosse Hoffnung und auch eine Motivation. Dass es zu einem Massenimpfen oder gar einer Impf-Pflicht kommen werde, bezweifelt er. «Wenn sich aber das Gesundheitspersonal, die Risikogruppen sowie die Personen, die mit diesen zusammenleben impfen lassen, ist schon viel getan», ist sich Stefan Duewell sicher.

Michael Anderegg