Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 03.06.2020

Gegen die GLP oder für die SVP?

Skandal im Wahlbüro der Stadt hat strafrechtliche Folgen

Die Schlinge um die treibende Kraft der Wahlfälschung im Wahlbüro der Stadt bei den Grossratswahlen am 15. März zieht sich zu. Wegen der Manipulation konnten vergangene Woche erst 129 der 130 Kantons-rätinnen und -räte vereidigt werden.

 

 

Zweieinhalb Monate nach den Grossratswahlen vom 15. März ist der letzte der 130 Sitze im Kantonsrat noch nicht besetzt. Dieser letzte Sitz wird im Bezirk Frauenfeld vergeben. Entweder an die SVP oder an die GLP, den beiden unfreiwilligen Protagonisten des Wahlfälschungs-Skandals. Es ist denn auch nicht klar, ob mit dieser Manipulation primär der GLP geschadet werden soll, oder ob die SVP als die mit Abstand ohnehin wählerstärkste Partei im Bezirk zusätzlich unterstützt werden soll.
Geklärt ist mittlerweile hingegen die Sachlage, wonach sich am besagten Wahlsonntag im Wahlbüro der Stadt etwas für nicht möglich gehaltenes zugetragen hat. So wurden von jemandem rund 100 Wahlzettel der GLP entfernt und durch 100 Wahlzettel der SVP ersetzt, wie Oberstaatsanwalt und Mediensprecher Marco Breu von der Staatsanwaltschaft Thurgau auf Anfrage sagt.

Auffälligkeiten erkennbar
«Dabei konnte ermittelt werden, dass bei den heute noch vorhandenen, unveränderten Wahlzetteln der SVP mitunter Auffälligkeiten erkennbar sind, die den Tatverdacht der vorsätzlichen Wahlfälschung verdichten», teilte der Medienverantwortliche dazu weiter mit. Betreffend dieser Auffälligkeiten bei den Wahlzetteln der SVP könne zum jetzigen Zeitpunkt aus ermittlungstaktischen Gründen allerdings keine weiteren Auskünfte erteilt werden, weil sonst Täterwissen bekanntgegeben würde.
Im Rahmen der weiteren Ermittlungen geht es nun darum, die Täterschaft der Wahlfälschung zu eruieren und diese zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei könne der mögliche Täterkreis aufgrund der Ermittlungen nun stark eingeschränkt werden. Zum Täterkreis selber könnten keine weiteren Angaben gemacht werden. Es besteht aber die berechtigte Hoffnung, die Strafuntersuchung erfolgreich zum Abschluss bringen zu können – wie der Mediensprecher der Staatsanwaltschaft weiter sagte.

Wählerstimmen falsch zugeordnet
Ins Rollen gebracht hatte die Strafuntersuchung der Präsident der Grünliberalen Partei des Bezirks Frauenfeld, Andreas Schelling. Ihm war die in der Stadt Frauenfeld im Vergleich zu den anderen Städten und Gemeinden tiefe Zahl an unveränderten Wahlzetteln für seine Partei seltsam vorgekommen, weshalb er am Montagmorgen nach der Wahl die Staatskanzlei des Kantons konsultierte. Diese verlangte bei der Stadt eine Nachkontrolle, bei der die Stimmenzahlen allerdings bestätigt wurden. Schelling: «Tags darauf teilte der Frauenfelder Stadtschreiber und Sekretär des Wahlbüros dann aber mit, dass 100 GLP-Wahlzettel – mit 3200 Wählerstimmen – in der Ablage der SVP gefunden wurden. Dies führe jedoch zu keiner Sitzverschiebung von SVP zu GLP».
Damit gab sich die GLP aber nicht zufrieden. Sie vermutete weiterhin, ihr würden Wahlzettel fehlen, weshalb sie beim Grossen Rat einen Rekurs einlegte. Gemäss Schelling sei es für jemanden mit krimineller Energie nicht allzu schwer gewesen, angesichts der unzureichenden Kontrollen Wahlzettel verschwinden zu lassen und andere hinzu zu fügen.

Strafanzeige der Staatskanzlei
Parallel dazu führte die Staatskanzlei als kantonales Wahlbüro eine Nachzählung in der Stadt Frauenfeld durch. Dabei zeigte sich, dass die vorhandenen Wahlzettel mit Ausnahme von drei kleinen Korrekturen nach der Nachzählung durch die Stadt korrekt gezählt und zugeordnet waren. Allerdings zeigte es aber auch, dass bei der GLP und der SVP die Anzahl Wahlzettel nicht mit jenen auf den Laufzetteln übereinstimmte, die am Wahlsonntag von den Auszählteams als Hilfsmittel erstellt wurden. Für diese Diskrepanz gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder wurden die Laufzettel falsch ausgefüllt oder aber die unveränderten Wahlzettel wurden manipuliert. Damit verbunden hatte sich die Staatskanzlei am 31. März entschieden, Strafanzeige einzureichen.

Andreas Anderegg