Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 29.04.2020

«Was uns nicht umhaut, macht uns stark»

Die Mitglieder des Stadtrats ziehen Bilanz: Heute Anders Stokholm (FDP)

Stadtpräsident Anders Stokholm attestiert dem neuen Stadtratsteam grosses Engagement, Frauenfeld in dieser schwierigen Zeit gemeinsam vorwärts zu bringen. Die Stadt will dort Unterstützung bieten, wo die Hilfspakete von Bund und Kanton nicht greifen – seien es Massnahmen zur Stützung des Wirtschaftskreislaufs oder aber solche zur Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenlebens.

 

 

Anders Stokholm, wie lautet Ihre Bilanz zum Stadtrat als Team nach den ersten zehn Monaten?
Wir sind schnell zusammengewachsen und haben uns mit gemeinsamen, departementsübergreifenden Legislaturschwerpunkten dazu bekannt, dass wir nur so stark sind, wie wir zusammenarbeiten. Das Team ist nun jünger, von den Ausbildungen her aber auch so breit wie vorher. Doch erst in der Krise wird deutlich, wie sehr wir am gleichen Strick in die gleiche Richtung ziehen.

Was hat Sie in denn besonders gefreut und was besonders geärgert?
Das Mitsommerfest war ein toller Einstieg in die Legislatur. Das Miteinander stand im Mittelpunkt. Dies fand in vielen weiteren Meilensteinen seine Fortsetzung: in den Legislaturschwerpunkten, in der Strategie zur Erarbeitung eines Gesamtbildes und jetzt aktuell in der Bewältigung der Corona-Krise. Ärgerlich ist die Geschichte rund um den sogenannten Superwahlsonntag.

Bestimmt der Corona-Virus die Arbeit des Stadtpräsidenten massiv? Welche besonderen Herausforderungen haben sich damit gestellt?
März und April standen ganz im Zeichen der Pandemie. Tagesablauf und Schwerpunkte wurden völlig auf den Kopf gestellt. Zunächst mussten wir die Umsetzung der Vorgaben des Bundesamtes auf dem Stadtgebiet sowie die Funktionsfähigkeit der Stadtverwaltung und ihrer Betriebe sicherstellen. Jetzt sind wir gefordert, dort Unterstützung zu bieten, wo die Hilfspakete von Bund und Kanton nicht greifen, seien es Massnahmen zur Stützung des Wirtschaftskreislaufs oder solche zur Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Macht Ihnen als oberster Finanzer der Stadt die Wirtschaftslage mit den zu erwartenden Steuerausfällen grosse Sorgen?
Ja, ich mache mir sehr grosse Sorgen, aber weniger wegen der Steuerausfälle, sondern ganz allgemein: Der Wirtschaftskreislauf ist ein komplexes und vielschichtiges Gefüge. Dieser wurde stark eingeschränkt. Dies wird Folgen haben, die weit über das Jahr 2020 hinaus zu spüren sein werden. Dies gilt aber im selben Mass auch für das Zusammenleben. Für mich war das Wort «social distancing» von Anfang an ein Unwort, das Unwort des Jahres. Abstand halten, ja, aber sich sozial von einander zu distanzieren? Natürlich war es nicht so gemeint, aber viele haben es so erlebt, allen voran jene über 65 auf der einen, Kinder und Jugendliche auf der anderen Seite. Das Jahr 2020 wird tiefe Narben hinterlassen in der Wirtschaft und Gesellschaft. Ich hoffe, wir können dies in Frauenfeld nutzen, um noch stärker zu werden, frei nach dem ehemaligen Hausarzt der Familie: Was uns nicht umhaut, macht uns stark.

Wie stark sehen Sie Frauenfeld als Standort des Historischen Museums gefährdet – und warum?
Diese Sorge ist ehrlich gesagt um Welten kleiner als die oben genannten. Vor allem deshalb, weil das Historische Museum sich in den letzten Jahren so toll entwickelt hat, dass es zumindest mit dem Schwerpunkt der vorindustriellen Geschichte in Frauenfeld bleiben wird.

Wo besteht Ihrer Ansicht nach generell dringender Handlungsbedarf in Frauenfeld?
Jetzt ist die Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Krise dringend. Der Wirtschaftskreislauf und das Zusammenleben müssen wieder an Dynamik gewinnen. Ich glaube, viele unterschätzen diese Herausforderung noch. Zum Glück haben wir seitens des Stadtrates aber gute Möglichkeiten, die bereits laufenden Projekte wie beispielsweise Murgbogen, Hallenbad, Stärkung Innenstadt, Erarbeitung Gesamtbild, Förderung von freiwilligem Engagement und einer aktiven solidarischen Gemeinschaft gerade hierfür zu nutzen.

Haben Sie einen Lieblingsort in Frauenfeld?
Ich habe nicht einen, sondern mehrere, in jedem Teil der Stadt mindestens einen. Und ich staune ob der vielfältigen Natur, die auch die Stadt belebt, nur schon die Tierwelt: Storch, Schildkröte, Eisvogel, Biber, Nase - der Fisch - und noch viele mehr. Mit meinem Alphorn habe ich natürlich auch noch einige besondere Ecken etwas abseits entdeckt, zum Beispiel die Friedenslinde und die Bruder-Klaus-Kapelle.

Was wünschen Sie sich aktuell am meisten?
Wieder mit mehr als fünf Menschen etwas unternehmen zu können und ihnen die Hand zu reichen.

Interview: Andreas Anderegg





Bilanz der ersten zehn Monate (5)
Vor zehn Monaten, am 1. Juni letzten Jahres, hatte der Stadtrat in der aktuellen Besetzung seine Tätigkeit aufgenommen: Stadtpräsident Anders Stokholm (FDP, seit Juni 2015), Vizepräsidentin Elsbeth Aepli Stettler (CVP, seit Juni 2003), Stadträtin Barbara Dätwyler Weber (SP, seit Juni 2019), Stadtrat Andreas Elliker (SVP, seit Juni 2019) und Stadtrat Fabrizio Hugentobler (FDP, seit Juni 2019). Nun ziehen die Mitglieder der Exekutive für die Leserinnen und Leser der Frauenfelder Woche eine Zwischenbilanz ihrer Tätigkeit und geben einen Einblick in Projekte. Nach Stadtrat Andreas Elliker, Stadträtin Barbara Dätwyler Weber, Stadtrat Fabrizio Hugentobler und Vizepräsidentin Elsbeth Aepli Stettler folgt zum Abschluss das Interview mit Stadtpräsident Anders Stokholm, Vorsteher des Departements für Finanzen und Zentrales. (aa)