Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 18.03.2020

Interview mit Jacqueline Müller, Gemeindepräsidentin von Pfyn-Dettighofen

«Wir versuchen, unsere Schätze ans Tageslicht zu bringen»

 

 

Sie sind seit 2007 Gemeindepräsidentin. Welche Erlebnisse aus dieser Zeit sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Das war natürlich gleich zu Beginn, als die Fernsehsendung «Die Pfahl-bauer von Pfyn» produziert wurde und während vier Wochen sozusagen Ausnahmezustand herrschte. Man traf sich jeden Abend im Festzelt, um die Sendung live mitzuverfolgen. Das gab mir die Möglichkeit, die Bevölkerung kennenzulernen.
2008 wurde der lang ersehnte Sportplatz «Oberi Wiide» eingeweiht. Mit dieser schönen Infrastruktur und der umsichtigen Vereinsarbeit hat sich der FC Pfyn in der Region einen guten Namen gemacht.
2009 hat die Swisscom Dettighofen schweizweit als Pilotdorf in Sachen Glasfasernetz auserkoren. Mittlerweile ist unser ganzes Gemeindegebiet mit einem Glasfasernetz (FTTH) ausgerüstet. Das komplexe Thema hat mich gefordert.
Dann haben die Kulturhauptstadtjahre 2011 und 2012 unsere Gemeinde geprägt und bereichert. Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland kamen nach Pfyn und banden Einwohnerinnen und Einwohner wie auch unsere beiden Dörfer in ihre Projekte ein. Höhepunkt war ein grosses Dorffest. Ein weiterer Höhepunkt war die Einweihung der gemeinsam mit der Primarschule realisierten Mehrzweckhalle im letzten Jahr. Mit grossem Stolz wurde Holz aus dem Bürgerwald verbaut.

Was macht Ihnen in der täglichen Gemeindearbeit am meisten Freude? Was weniger?
Ich freue mich, wenn ich um Rat gefragt werde und in einem guten Gespräch weiterhelfen kann. Ermüdend ist der Vorschriftendschungel, der alles verkompliziert und unglaublich langatmig macht. Wir betreiben einen «Qualitätswahnsinn», der mittlerweile mehr Wahnsinn als Qualität beinhaltet und uns alle lahmlegt.

Sie sind eine von 13 weiblichen Gemeindepräsidentinnen im Thurgau. Denken Sie, dass Frauen anders Politik machen als Männer?
Wenn ich an das Buch denke «Männer sind anders, Frauen auch – Männer kommen vom Mars, Frauen von der Venus», dann auf jeden Fall. Aber das liegt eben in der Natur der unterschiedlichen Geschlechter bzw. in der zum Teil unterschiedlichen Denk- und Herangehensweise. Der Ausgeglichenheit willen wäre es schön, wenn sich mehr Frauen ein solches Amt zutrauen würden.

Pfyn nennt sich «Kulturhauptstadt der Schweiz» – worin kommt dieser Titel zum Ausdruck?
Das war eine Selbsterklärung, die sich mittlerweile zu unserem Markenzeichen etabliert hat. Unsere Kulturgeschichte ist schon bemerkenswert. Zudem betreiben die zwei Künstler Alex Meszmer und Reto Müller eine Sammelstelle für Geschichten, Fotos und Vieles mehr; das Material wird digitalisiert, in einer Datenbank aufbereitet und öffentlich zugänglich gemacht.

Was ist Ihre Vision für Pfyn im Jahr 2030?
Kultur- und Energiegemeinde mit so viel Ausstrahlung, dass sie als Wohn- und Lebensort heiss begehrt ist, wo die Bevölkerung am Gemeindeleben teilnimmt, gute Ideen einbringt und auch umsetzt. Ich glaube, diese Vision haben wir schon fast erreicht.

Was planen Sie, in diesem Jahr umzusetzen?
Wir bauen eine Gemeinschafts-Solaranlage auf dem Werkhofdach. Die Nachfrage ist sehr gross.

Wenn Sie ungeachtet von Finanzen oder anderen Einschränkun­gen ein Projekt in Pfyn realisieren könnten, was wäre das?
Unser «Frankrichli» (Badi) neu gestalten, sodass wir es dann vielleicht in «Paradiesli» umtaufen könnten.

Was unterscheidet Pfyn von anderen Gemeinden?
Jede Gemeinde hat ihren Charme und ihre verborgenen Schätze, so wie unsere Gemeinde auch. Wir versuchen, unsere Schätze ans Tageslicht zu bringen, damit die Bevölkerung stolz auf ihre Gemeinde sein kann. Ich bin es auf jeden Fall.

Vielen Dank für das Interview.
Miriam Waldvogel