Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 10.04.2019

Vorstadt leidet weiter

Durchgangsverkehr belastet Anwohner, Gewerbetreibende und Häuser

Die Anwohner und Gewerbetreibenden in der Frauenfelder Vorstadt können die gewünschte Verkehrsberuhigung bis auf Weiteres in den Kamin schreiben – wie man so schön sagt. Weil die Voraussetzungen nicht ausreichend sind, gibt’s kein Tempo 30.

 

 

Seit Jahrzehnten ächzt die Frauenfelder Vorstadt unter dem Verkehr. Zwar ist es dort seit Einführung des Fahrverbots für Lastwagen ab einer Länge von 12 Metern etwas besser geworden, der Verkehrslärm und die Abgase sind freilich unverändert gross. Zudem vermindern die rund 12 000 Motorfahrzeuge, die täglich durch die Vorstadt rollen, die Aufenthalts- und Lebensqualität merklich – und die Abgase sind dem Erhalt der Häuser keineswegs förderlich.

Ein alter Wunsch
Deshalb erstaunt es wenig, wenn Anwohner und Gewerbetreibende wiederholt den Wunsch nach einer Verkehrsberuhigung äussern. Dazu wurden bekanntlich schon verschiedene Varianten diskutiert – sowohl eine Einbahnregelung wie die Einführung von Tempo 30. Passiert ist bis anhin allerdings nichts.

Kanton offen
Das kantonale Tiefbauamt habe wiederholt geäussert, dass es sich nicht gegen die Herabsetzung von innerörtlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen stellt, teilt Kantonsingenieur Andy Heller mit. Allerdings müssten dazu die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, wie das an anderen Orten geschehen sei – beispielsweise Basadingen, Kreuzlingen und Münchwilen, sagt der Kantonsingenieur dazu weiter. Diese Voraussetzungen bezieht sich im vorliegenden Fall unter anderem auf eine fehlende Verbindung für den Durchgangsverkehr auf der Süd-Ost-Achse.

Zwei Achsen
Auf dieser Verkehrsachse gibt es zwei Hauptverbindungen – eben via Vorstadt sowie jene via Ringstrasse. Denn die Ringstrasse wurde einst – wie der Name sagt – als Ring um den Stadtkern gebaut, um mitunter den Verkehr um diesen herum zu führen. Die an der Ringstrasse über die letzten Jahre hinweg erfolgte Bebauung mit Wohnhäusern sowie die Erweiterung der Kantonsschule sprechen mittlerweile aber gegen die ursprüngliche Nutzung als Verkehrsentlastung des Stadtkerns.

Viele Faktoren
Wie Kantonsingenieur Andy Heller zum Wunsch aus der Vorstadt sagt, gebe es viele Faktoren zu beachten. Dazu gehören die Auswirkungen auf das umliegende Strassennetz. Es brauche in jedem Fall eine gesamtheitliche Lösung, die mitunter Verkehrsverlagerungen, den ÖV-Betrieb sowie die Verhältnismässigkeit aller Massnahmen berücksichtigt. Eine allgemeine Standardlösung gebe es ebenso wenig, wie es keine Einheitsortsdurchfahrt gibt. Heller: «Das heisst, dass ein Betriebs- und Gestaltungskonzept entwickelt werden muss. Einzig daraus oder aus einem Verkehrsgutachten lassen sich sinnvolle und verhältnismässige Massnahmen ableiten.» Zur Vorstadt haben Stadt und Kanton im letzten Jahr gemeinsam eine Testplanung lanciert, die in direktem Zusammenhang mit den laufenden Abklärungen zur Zentrumsentlastung steht.

Enge Zusammenarbeit
Wie Thomas Müller vom städtischen Amt für Tiefbau und Verkehr sagt, arbeiten die Stadt und der Kanton betreffend Verkehrsführung und Verkehrsentlastung seit vielen Jahren eng zusammen. Weil es sich bei der Zürcherstrasse um eine Kantonsstrasse handelt, kann eine Tempo-30-Regelung nur vom Kanton beschlossen werden. Bei einem solchen Verkehrsregime in der Vorstadt würden etliche Verkehrsteilnehmer wohl auf die Ringstrasse ausweichen - «was wir natürlich nicht wollen, weil es kontraproduktiv wäre», sagt der Stadtingenieur dazu weiter. Die beiden Strassenabschnitte müssen immer gemeinsam betrachtet werden.
Dazu stellt sich die Frage, weshalb man auf der Ringstrasse – auf der heute Tempo 50 gilt - nicht ebenfalls Tempo 30 einführt, wie das von Anwohnern auch schon gewünscht wurde. Damit verbunden würden sicher zwei Strassenabschnitte verkehrsberuhigt. Allerdings wäre wohl eine Verkehrsverlagerung in angrenzende Quartierstrassen zu erwarten.

«Fehlender Wille»
Für Buchhändlerin Marianne Sax fehlt es einzig am politischen Willen, das Tempo 30 auf Kantonsstrassen und im Speziellen in der Vorstadt zu realisieren – «die wollen einfach nicht». Dazu verweist sie auf Beispiele in anderen Kantonen, wo Tempo-30-Zonen auf Kantonsstrassen innerorts realisiert wurden. «Und was dort möglich ist, sollte doch auch bei uns in der Vorstadt möglich sein. Ich hoffe, dass auch der neue Gemeinderat, der am 1. Juni seine Arbeit aufnimmt, das unterstützt», sagt sie dazu weiter. Immerhin könnte man ja mal einen befristeten Versuch starten. Wenn sich dieser als Leerlauf erweist, wären die entsprechenden Signalisationen rasch wieder entfernt. Unter dem Strich gebe es ja schliesslich nichts zu verlieren.

Tempo 50, aber...
Wie Kantonsingenieur Andy Heller zum Thema weiter sagt, ist die Vorstadtdurchfahrtsachse eine wichtige Hauptverkehrsstrasse (HVS) im innerörtlichen Bereich. Grundsätzlich ist auf ihr die Innerortshöchstgeschwindigkeit zu signalisieren – also Tempo 50. Gemäss Signalisationsverordnung des Bundes (SSV) Art. 108 Abs. 2 kann die allgemeine Höchstgeschwindigkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen herabgesetzt werden, wenn:

a) eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig erkennbar und anders nicht zu beheben ist;
b) bestimmte Strassenbenützer eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes bedürfen;
c) auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der Verkehrsverlauf verbessert werden kann;
d) dadurch eine im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung übermässige Umweltbelastung (Lärm, Schadstoffe) vermindert werden kann. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren.

Nicht ausgeschlossen
Einiges, was in der Signalisationsverordnung als Vorgabe enthalten ist, trifft auf die Vorstadt zu – einiges aber auch nicht. Aus diesem Blickwinkel wird ein Versuch mit einer temporären Tempo-30-Zone nicht von vornherein ausgeschlossen.

Andreas Anderegg