Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 13.03.2019

Spitzensportler brauchen individuellen Weg

Das vom Sportamt Thurgau organisierte Sportforum 2019 brachte in die Aula der Kanti Frauenfeld Hochkaräter an einen Tisch zum Thema: Ausbildung und Leistungssport.

 

 

Amtschef Martin Leemann durfte mit sichtlichem Stolz vermelden, dass seine drei Hauptakteure eben erst noch im Ausland weilten. Rollstuhlsportler Marcel Hug startete am Sonntag beim Tokio Marathon und gewann ihn vor dem jungen Amerikaner Daniel Romanchuk und war am Mittwoch in Frauenfeld trotzdem dabei. Ralph Näf inspizierte in Dubai eine mögliche Weltcup-Bike-Strecke, machte mit seiner fünfköpfigen Familie am Wochenende einen Abstecher in die Umgebung von Mailand zum Biken und weilt eigentlich an einer Berufs-Trainer-Ausbildung in Magglingen. Und auch der klar jüngste, Radrennfahrer Stefan Bissegger, weilte Tage zuvor nach an der Bahn-WM in Polen.
In der Podiums-Diskussion, souverän geleitet von Fritz Bischoff, hiess das Thema Ausbildung und Leistungssport. Von schulischer Seite gaben Andreas Bischof, Ausbildungsleiter der Bühler AG in Uzwil, sowie Christian Ecknauer als Leiter des Sport-KV an der SBW, Auskunft. Bei der Bühler AG dürfen Absolventen einer Sportlerlehre über 400 Stunden im Jahr frei verfügen. Davon konnte zu seiner aktiven Zeit Ralph Näf nur träumen: «Weil in der Schweiz eine Lehre an erster Stelle steht, habe ich Maurer gelernt. Das war schon unglaublich hart. Nur weil ich ab und zu verletzt war, habe ich diese Doppelbelastungen überstanden.» Jetzt als Trainer hat er einen Wunsch: «Sportler sollten ganz individuell die nötigen Freiheiten erhalten, um trainieren zu können.» Näf hält aber auch unmissverständlich fest: «Wer den Spitzensportlern allerdings sämtliche Steine aus dem Weg räumt, der handelt falsch. Dann reüssieren sie nämlich nicht.»
Stefan Bissegger hat eine Lehre als Velomechaniker absolviert und hatte dank einem gutgesinnten Arbeitgeber viele Freiheiten. Trotzdem merkt er an: «Es war schon schwierig, alles unter einen Hut zu bringen, weil ich zudem noch im Ausland startete. Zum Glück war auch die Schule grosszügig.»
Der nach der Sportler-RS nun seit einem halben Jahr als Vollprofi tätige Mittelthurgauer schmunzelt, wenn er zurück schaut: «45 Stunden Arbeit und 20 Stunden Sport pro Woche, da blieb keine Zeit für ein Hobby. Und vor allem lernt man, was arbeiten wirklich heisst. Die drei Lehr-Jahre waren extrem hart. Aber wenn man das hoch rechnet auf ein ganzes Leben von 80 Jahren, ist das locker verkraftbar.» Auch für Bissegger ist klar, dass jeder Athlet einen individuellen Weg einschlagen muss, will er Erfolg haben. Doch Näf und Bissegger sind sich einig: «Eine Berufslehre steht einer späteren Karriere im Spitzensport überhaupt nicht im Wege.»
Einen anderen Weg ging Marcel Hug. Der Rollstuhl-Leichtathlet absolvierte die neu gegründete Sportschule Thurgau in Kreuzlingen. Der damalige Schulleiter Mirko Spada erinnert sich gerne an den jungen Burschen: «Wir hatten keinen Lift im Haus und Marcel ist trotzdem nie zu spät gekommen und war auch für alle Lektionen immer hervorragend vorbereitet.» Weil es zu jener Zeit im Thurgau nicht möglich war, ein Sport-KV zu absolvieren, wechselte Hug nach Luzern: «Zum Glück hatte ich mit meinem Bruder und dem Nationaltrainer die richtigen Leute um mich. Ich war zwar gefordert, aber nicht überfordert. Die Ausweitung der Lehre auf vier statt die üblichen drei Jahre stimmte für mich.» Auch bei ihm führten individuelle Massnahmen zum Erfolg. Heute ist Hug als 33-Jähriger immer noch einer der weltbesten Rollstuhl-Leichtathleten der Welt.
An diesem Sportforum wurde zudem bekannt, dass im Thurgau im letzten Jahr insgesamt 2,5 Millionen Franken (neuer Rekord) Jugend+Sport-Gelder an Sportvereine, Schulen und Jugend-Organisationen ausbezahlt wurden. Geehrt wurden in der Aula der Kanti Frauenfeld auch 24 J+S-Leiterpersonen.

Ruedi Stettler

 

 

Spitzensportler brauchen individuellen Weg