Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 16.01.2019

Rätsel um verlorenes «r»

Am kommenden Montag feiert Frauenfeld den höchsten Tag des Jahres

Mit dem Bechtelistag feiert Frauenfeld am kommenden Montag den höchsten Tag des Jahres, gefolgt von der «Nacht der Nächte». Denn es ist Freinacht angesagt.

 

 

Seit 144 Jahren feiert Frauenfeld am dritten Montag im Januar den höchsten Tag des Jahres. Am Morgen treffen sich die Stadtbürger im Rathaus zur Ab­nahme der Rechnungen, anschliessend folgen die Versammlungen der Kon­stablergesellschaften. Dazu sind ausschliesslich männliche Bürger zugelassen. Ab dem frühen Abend stehen jeweils Unterhaltung und Essen im Mittelpunkt. Dazu treffen sich Konstabler (Bürger) und Ansassen/Schamauchen (Nicht-Bürger) in ihrem Kreis – nach dem offiziellen Teil werden die Türen der Lokalitäten auch für die Allgemeinheit geöffnet.

Zum Bechtelistag gibt es mehrere Traditionen. In den meisten Gegenden der Schweiz trägt er den Namen Berchtoldstag und ist am 2. Januar. Seltsamerweise werden in Frauenfeld zwei Schreibweisen verwendet. Die Trinkgesellschaften in den alten Ortsteilen, die bei der Stadtvereinigung im Jahr 1919 zur Wahrung einer gewissen Eigenständigkeit gegründet worden waren, verwenden «Berchtelistag» – verwenden also ein «r». Die Bürgergemeinde und die Stadtkonstabler hingegen verzichten auf das «r» und schreiben «Bechtelistag». Dies ist auch für den versierten Lokalhistoriker Angelus Hux ein Rätsel: «Weshalb das so ist, weiss man nicht», sagt er dazu.

Aufschub für Rechnungsabschluss
Ursprünglich wurde in Frauenfeld der Bechtelistag am ersten Montag im Januar gefeiert, ab 1811 am zweiten und seit 1875 am dritten Montag. Dies hatte mit grosser Wahrscheinlichkeit zum Ziel, mit diesem Aufschub den Finanzverantwortlichen der Körperschaften mehr Zeit zum Abschluss der Rechnungen einzuräumen (vor der Verfassungsänderung im Jahr 1870 war die Bürgergemeinde Frauenfeld die Trägerin des öffentlichen Rechts an Ort und am Bechtelistag wurden jeweils die Gemeinderechnungen abgenommen). Trotz Wegfall des öffentlichen Rechts hat die Bürgergemeinde Frauenfeld auch heute noch eine gewichtige Rolle inne, ist sie doch die grösste Waldbesitzerin der Region und besitzt daneben auch Liegenschaften wie das Rathaus.

Alles rund um die Salzisse
Ein zentraler Bestandteil des Bechtelis-tags ist die Salzisse, eine Kreation der Frauenfelder Metzgermeister. Diese Wurst wird seit 1812 bei den Gesellschaftsmahlen zusammen mit Brot, Salaten, Senf und Wein serviert. Die Wurzeln der Bechtelistag-Tradition indes reichen viel weiter zurück – ins 13. Jahrhundert. Bereits kurz nach der Gründung von Frauenfeld im Jahr 1246 formierte sich die Constaffelgesellschaft, die Vorgängerin der heutigen Konstablergesellschaft Frauenfeld.

Auch Maskenprämierung
Am Bechtlistag in Frauenfeld herrscht jeweils auch Maskentreiben. Seit wann das so ist, weiss man nicht. Erst in einem Protokoll aus dem Jahr 1901 ist festgehalten, dass der Obmann der Konstablergesellschaft den «anständigen Masken» einen Rundgang durchs Rathaus gestattete. Seit vielen Jahren schon führt die Narrengesellschaft Murganesen am Bechtelistag eine Maskenprämierung durch.Andreas Anderegg