Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 16.01.2019

Schweizer Nummer 1 stammt aus Gachnang

Die Thurgauer Volleyballerin Julie Lengweiler hat sogar Historisches erreicht. Erstmals hat das Schweizer Frauen-Nationalteam die sportliche Qualifikation für eine Europameisterschaft geschafft.

 

 

Am Tag nach der 2:3-Niederlage gegen Österreich in Schönenwerd, die dank den zwei Satzgewinnen zur Teilnahme reichte, tönte Julie Lengweiler zu Hause in Gachnang etwas verkatert. Hat das Team zu lange gefeiert? Sie lacht herzhaft: «Nein, eigentlich nicht. Wir schauten noch den Schweizer Männern gegen die Ukraine zu, die leider scheiterten. Aber ich bin immer noch mega müde und habe grausam Muskelkater.» Fragt man die 21-Jährige, wann diese EM mit erstmals 24 statt wie bisher nur 16 Nationen stattfindet, kommt es wie aus der Pistole geschossen: «Vom 23. August bis zum 9. September in Polen, Ungarn, Slowakei und Türkei.»
Die Schweizerinnen waren zwar 2013 als Gastgeber direkt für die Europameisterschaft qualifiziert. Nun schaffte man dies sportlich. Mit einer sehr jungen Equipe, nur eine Spielerin ist 25 Jahre alt. Nationaltrainer Timo Lippuner mochte sich nicht gross ärgern, dass seine Frauen den 2:0-Vorsprung aus der Hand gegeben haben: «Normalerweise nervt so etwas extrem, diesmal kann ich in Anbetracht des historischen Erfolges ein Auge zu drücken.»
Warum haben Julie Lengweiler (im Nationalteam trägt sie das Tenü mit der Nummer 1, bei Neuchatel die 14) und ihre Teamkolleginnen den möglichen Sieg aus der Hand gegeben? «Natürlich waren wir uns alle bewusst, dass wir etwas Spezielles leisten können. Allerdings war ich nicht nervöser als sonst. Ich muss dem Staff ein grosses Kompliment aussprechen, wegen dieser verheissungsvollen Ausgangslage, lastete auf ihm ein gewaltiger Druck. Den nahmen sie gekonnt von uns, das war super. Wohl auch darum hat es geklappt.» Die Gachnangerin macht eine kurze Verschnaufpause und fügt an: «Natürlich wäre es das Tüpfchen auf dem I gewesen, wenn wir die Partie gewonnen hätten. Aber irgendwie war nach diesem 2:0 vor den begeisterten 1150 Zuschauerinnen die Luft bei uns leider völlig draussen.»
Die Karriere der 186 Zentimeter grossen Aussenangreiferin Julie Lengweiler begann beim NLB-Klub Aadorf, bevor sie bereits mit 16 Jahren zum Serienmeister Volero Zürich wechselte. Als die national extrem erfolgsverwöhnte NLA-Equipe von Präsident und Mäzen Stav Jacobi anfangs 2018 nach Frankreich verlegt wurde, blieb Lengweiler in der Schweiz und zog zu Neuchatel. Und schwärmt: «Optimal für mich, ein cooles Team, ein familiärer Verein.» Sie ist froh, dass sie aus den verschiedenen Angeboten die Westschweizerinnen wählte.
Nach Abschluss der Matur im letzten Jahr ist sie nun Vollprofi: «Davor hatte ich echt ein bisschen Angst. Ich habe mir überlegt, was machst du neben dem Training den ganzen Tag. Es kam ganz anders (lacht herzerfrischend), ich bin voll ausgebucht.» Wie lange sie diesen Status beibehält, lässt sie offen. Auch die Richtung des später angestrebten Studiums: «Möglicherweise Politik.»
Jetzt widmet sich Julie Lengweiler wieder voll der Meisterschaft und ist gespannt, auf wen die Schweiz bei der EM-Endrunde trifft. Die Gruppenauslosung erfolgt am 23. Januar in Istanbul.

Ruedi Stettler