Frauenfelder Woche

Frauenfeld

Konzert: Gran noir & Hathors

Dreiegg Raucherbar

BIOGRAPHIE // „Will she ever see light again?“ fragen uns Gran Noir im Laufe eines jeden Abends und auf ihrem zweiten Longplayer, der 2017 erscheinen wird. Nun, der alltägliche information-overkill legt sich wie eine trockene und vergessene Staubschicht über unser Leben. Entsprechend reiben wir uns umso mehr die Augen, wenn wir hören, wie Sonnenstrahlen durch das marode Holz unser aller Hütten jagen: Geschickt geheimnisvolle Gesangsmelodien aus zögerlich-sanfter Verzweiflung und aus ungeduldig-einfordernder Wut treffen auf unverrückbare Gitarrenwände und vorwärtsrollende Rhythmuswellen. Da ist sahniger Indie, da ist düsterer Alternative, das ist stoniger Punk, da ist Attitude. Wohl nicht zu Unrecht urteilte plattentests.de 2013 „Innerhalb eines Albums und eines Genres gelingt eine solch von Diversitäten geprägte Ausarbeitung eigentlich nur den ganz Großen.“!
Nach der Verarbeitung des alltäglichen auch persönlichen Wahnsinns auf ihrem Debüt „ALIBI“ 2013 und der fiktiven Geschichte zweier schicksalsbeladener Figuren auf ihrer EP „NORA & GRACE“ 2014 wagen Gran Noir nun mit ihrem zweiten Album einen globalen Blick auf Vereinsamung, Kontrollverlust und Ausbeutung der menschlichen Gemeinschaft im digitalen Zeitalter. ALIBI bescherte ihnen beachtlichen Air- und Videoplay, diverse Radio- und Fernsehinterviews sowie etliche Shows u.a. als Opener für Ghost of Tom Joad (D), Torche (USA), The Hirsch Effekt (D), Bloodlights (NOR), Monochrome (D) und Pianos Become The Teeth (USA), Basement (UK), Marathonmann (D), Wolves Like Us (NOR). Was mit Reisschnaps im fernen Peking, WG-Parties in Zürich sowie Berlin und ein bisschen Getrommel und Gezupfe in einem Bunker begann, ist gereift, nicht geläutert und weiterhin einem jugendlichen Wahnsinn verfallen:
Frei nach ihrem Motto „Der Abend davor ist der Morgen danach!“ verpassen uns Gran Noir von der Bühne eine ordentliche Abreibung. Gänsehaut, Magendruck, Ohrenfiepen, Muskelkater und Kopfweh – das kann, aber muss nicht alles kommen. Immerhin fahren sie uns mit ihren bittersüssen Melodien immer wieder genug Zucker ein, dass wir für den morgendlichen Kaffee höchstens einen Schuss Zitrone oder Rum b!rauchen. Zumindest wir werden dann auf jeden Fall wieder sehr glücklich sein.

Das Artwork spiegelt all das wider, was von ihm eingepackt und angepriesen wird. Voller Widersprüche fasziniert es und zieht die Blicke auf sich. Absolute Schönheit wird zerstört und wild übermalt. Farbenfroh und doch gleichzeitig bedrohlich dunkel. Wild, ungezügelt; aggressiv und kraftvoll… Realismus vs. Kunst. Popkultur vs. Underground.

Und das sind HATHORS auch musikalisch. Widersprüche auf allen Ebenen. Das Gegenteil von stromlinienförmig. Große Melodien und catchy Hooklines, aber diese werden rausgerotzt und von Gitarren zersägt. Auch hier wird absolute Schönheit zerstört und wild überspielt. Es riecht nach Garage, nach Rock, nach ursprünglichem Punk und dem Grunge, der alten Amphetamine Reptile oder Subpop-Alben entsprungen sein könnte. Eine alte Liaison, die ästhetisch und musikalisch nicht zu verstecken ist und HATHORS meinen hier sicher nicht die Alben und Bands, die heute auf H&M-Shirts zu sehen sind und weltweite Superstars wurden.

Doch bei aller Ablehnung und spröden Erscheinung, wissen die drei Schweizer genau was zu tun ist. So frei und unbedarft Vieles scheint, sollte man sich nicht von den sympathisch lächelnden Typen täuschen und zum „Pfeffi“ einladen lassen. Hier ist wenig dem Zufall überlassen. DIY in Reinkultur. Die Band ist international vernetzt. Deutsches Label, Schweizer Management, Aufnahmen in Brighton. Hunderte von Shows in Europa, und auf den großen Festivals weltweit. So bspw. beim CMJ in New York, Eurockéennes, Montreux, Wacken oder dem Stoned From The Underground. Und was einen im Club auf der Bühne erwartet, sagen die elf Songs des dritten HATHORS Album „Panem Et Circenses“ deutlich und muss kaum in Info-übliche Floskeln niedergeschrieben werden…

„Das Album ist das erste mit Raphael an den Drums, womit sich auch das Songwriting änderte und effizienter wurde“, so Marc Bouffe (Sänger und Gitarrist) und weißt drauf hin, dass „bei einem Trio jeder Bestandteil wichtig ist und die Drums ein tragendes Element einnehmen. Alles wurde im Vergleich zum Vorgänger noch frisch aufgenommen, ohne etliche Male neu zu arrangieren.“ Vom 2011er Debut-Album über das 2014er „Brainwash“ bis hierhin, gleicht „die Entwicklung einem Pendel das anfangs etwas unkoordiniert ausschlug und nun immer mehr seine Mitte findet.“ Man hat sich gefunden. Detailverliebtheit mischt sich mit Spontanität, der Charme der Band zügelt nie die Wut und Energie. Vielschichtiges Songwriting und große Abwechslung zeichnen ein Album aus, das schnell mitreißt, aber auch kräftig vor den Kopf stoßen kann.

Und auch textlich ist die Band gewachsen und hat etwas zu sagen. Schon der Titel zeigt die Richtung an. „Panem et circenses“ lateinisch für „Brot und Spiele“. „Auch heute noch Strategie politischer oder industrieller Machthaber, das Volk mit Wahlgeschenken und eindrucksvoll inszenierten Großereignissen von wirtschaftlichen oder politischen Problemen abzulenken“, so Marc über den Titel, der „gleichzeitig auch eine abgestumpfte Gesellschaft kritisiert, deren Interesse über elementare Bedürfnisse und niedere Gelüste nicht hinausgeht.“ Und dennoch will man sich auch hier nicht festnageln lassen und sich als politischer Texter sehen. Politisch, sozialkritische Aussagen stehen düsteren Stories über zerbrochene Freundschaften gegenüber, wie auch „Herzschmerz durchaus eine Inspirationsquelle sein kann“. So sind sie, Realismus vs. Kunst. Popkultur vs. Underground.

 

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Daten und Zeiten

27.05.2017 21:00 Uhr