Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 14.05.2014

Neulich auf der Couch

Das Wort zum Donnerstag

Neulich sah ich bei einem kleinen Ausflug die Stadt Frauenfeld in eine Beratungs-Praxis in Winterthur schlüpfen. Natürlich war ich neu­gierig, worum es da ging, und lauschte an der Türe:

 

 

Stadttherapeut: Schön, dass Sie gekommen sind.
Frauenfeld: Ja, mir geht es momentan gar nicht gut.
S: Woran hapert es denn?
F: Ich bin zu klein, um bedeutend zu sein, keiner interessiert sich für mich, und meine beste Freundin Kufstein ist im Ausland.
S: Sie sollten versuchen, das Positive zu sehen, Sie haben doch gute An­lagen.
F: Dass ich nicht lache. Mein berühmtestes Bauwerk liegt unter der Erde!
S: Vergessen Sie das ESAF nicht!
F: Jaaa, das Schwingfest, das war toll. Da waren alle da. Jetzt sind sie alle wieder weg.
S: Aber es gibt doch neues?
F: (kleinlaut) Ja, das Tambouren- und Pfeiferfest.
S: Und das Stadtfest?
F: Was für ein Stadtfest?
S: Na Ihres! Im Juni.
F: Ach Gott, stimmt. Das hab ich total vergessen. Ja, ja, das wird sicher ganz schön.
S: Sie sollten sich mehr an den kleinen Dingen freuen.
F: Ich hätte aber gern grosse Dinge – einen grossen Tunnel, einen riesigen See, einen internationalen Flugplatz, das Cup-Endspiel. Ich möchte eine richtige Fussgängerzone, so mit H&M und Zara und Saturn und
Mc Donalds. Und ich möchte, dass der Verkehr durch mich fliesst, und ich möchte, dass alle mit einem Lächeln unterwegs sind.
S: Dazu müssen Sie aber auch lächeln. – Versuchen Sie doch erstmal realistische Wünsche zu formulieren und dann umzusetzen.
F: Hä?
S: Sie sind doch Kantonshauptstadt!
F: Das weiss doch niemand – alle denken, das sei Weinfelden oder Konstanz.

S: Aber die Sitzungen sind doch bei Ihnen.
F: Nur das halbe Jahr! Dann grinsen sich alle einen und fahren lustig nach Weinfelden.
S: Der deutsche Bundespräsident war doch aber bei Ihnen.
F: Das war doch nur der Bundestagspräsident und ist auch schon wieder 2 Jahre her.
S: Sie haben ein Schloss!
F: Das gehört dem Kanton! Und der lässt es bestimmt abreissen.
S: Und Sie haben das Regierungsgebäude des Kantons!
F: Ach ja, und was steht da bald davor? Hm? Biber, Eule, Wildsau, Fuchs und Hase! Wo bitte ist mein Leu? Der König der Tiere! Wissen Sie, wie es dem geht? Beschissen.
S: In der Laubgasse wohnt Pepe Lienhard und trinkt Kaffee mit Udo Jürgens.
F: (strahlt) Ja, da hab ich echt ein Schnäppchen gemacht. Und ich glaube, dass «Swiss Lady» eine Anspielung auf Frauenfeld ist.
S: Ach?
F: Gemeint ist eben s‘ Fräuli vo Fraue­feld, das weiss nur niemand.
S: Na sehen Sie. Das ist doch schön. Also, liebes Frauenfeld, die Zeit ist jetzt um, wir reden dann nächste Woche weiter. Versuchen Sie doch mal alte Kontakte zu reaktivieren, das wird Ihnen gut tun.

Frauenfeld verabschiedet sich und holt vor der Tür das Natel raus:
Grüss dich Aadorf. Hast Du Zeit heute abend, wir könnten ja mal wieder was trinken gehen? – Sicher, ich zahle, ich weiss ja, dass es Dir nicht so gut geht wegen der Serto AG. Da reden wir dann drüber. Bis dann, ich freu mich.

Der Poltergeist (vom Schloss)