Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 18.10.2017

Chrampfe & Hirne zur Petition Freie‑Strasse

Heldenhaft, wer zu Fuss, mit dem Velo oder per Stadtbus zur Altstadt gelangt und einkaufen geht. Heldenhaft, weil der Einkauf am stehenden Blech vorbei alles andere als gemütlich ist, ebenso das von durchfahrenden Fahrzeugen gestörte Plaudern in den Strassencafés.

 

 

Lust zum Verweilen, Flanieren und gemütlichen Einkaufen kommt da meist keine auf. Geschäftlicher Erfolg für die (noch) zahlreichen Altstadt-Läden und Restaurants aber hängt ganz wesentlich davon ab, dass der Kunde diese Lust zum Verweilen hat. Wenn es in der Altstadt ungemütlich ist, ist Online-Shopping unter Umständen angeneh­mer.
In Frauenfeld hat der motorisierte Individualverkehr überall freie Fahrt. Dies wird auch fleissig genutzt. Die Folge – und Ergebnis aller bisherigen Analysen: Frauenfelds Probleme mit dem Auto, insbesondere im Zentrum, sind hausgemacht.
Vier Vertreter von drei bürgerlichen Parteien meinen demgegenüber, dass Fussgänger, Velofahrer und ÖV-Benutzer das Problem des Altstadt-Gewerbes sind. Sie erheben mit ihrer «Petition zur Begegnungszone Freie Strasse» Forderungen, mit denen jede Erweiterung der Begegnungszone in der Altstadt verhindert würde. Aber wem die Altstadt, Vorstadt und die dortigen Geschäfte und Beizen am Herzen liegen, wird den eingeschlagenen Weg des Stadtrats unterstützen.

• Die tatsächlichen Vorzüge der Frauenfelder Altstadt müssen im Vordergrund stehen (und nicht bloss die verfügbaren Parkplätze und die freie Zufahrt): Das breite Warenangebot, die schönen Brunnenplätze, die gepflegten Gassen, die Musikbox, die Strassenfeste (Theater, Herbst- und Erntefest, Weihnachtsmarkt, usw.), das runde Dutzend Beizen (davon sieben in der Altstadt), der Crêpe-, Marroni- und Marktstand und viele mehr.
• Massnahmen zur Aufwertung der Strassen und Plätze machen gute Stimmung beim Passanten. Entsprechende Verkehrsberuhigungs-Massnahmen sind jetzt zu realisieren.
• Die irgendwann spruchreife, das Zentrum «entlastende» Umfahrungsstrasse ist ein Märchen. Und selbst wenn es wahr würde. Die Initianten der Petition Freie‑Strasse würden mit Sicherheit darauf bestehen, dass die Frauenfelderinnen und Frauenfelder ihr «Gipfeli bim Godi» auch dann per Auto kaufen können. Nur (Skandal, Skandal!) – die letzten drei Schritte werden sie dennoch zu Fuss gehen müssen.
• Die vier Petitionäre wollen keine weiteren Massnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Innenstadt, bevor die «Entlastungsstrasse» kommt. Sie wollen alle guten Vorschläge, welche die unbefriedigende Situation für uns Frauenfelderinnen und Frauenfelder schrittweise verbessern können, auf den St. Nimmerleinstag verschieben. Tatsache ist jedoch: Massnahmen in der Freie-Strasse und in der Innenstadt haben mit diesem Tunnel nichts zu tun. Die Forderung der Petitionäre ist eine Blockadepolitik.

Die vier Petitionäre werfen dem Stadtrat eine «linke Verkehrspolitik der letzten zehn Jahre» vor. Tatsache ist, dass Frauenfeld im schweizweiten Vergleich am meisten Parkplätze im Zentrum hat:
Wir brauchen weder eine linke noch eine rechte Verkehrspolitik, sondern eine vernünftige.
Den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften hat 2017 ein Amerikaner erhalten. Er postuliert, dass Menschen manchmal geschubst werden müssen, um zu ihrem Glück zu kommen. Wir meinen das auch.

Chrampfe & Hirne (CH),
Charles Landert, Präsident