Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 24.05.2017

Thurgauer Theologin trifft auf Obama und Merkel

Die Frauenfelderin Christina Aus der Au hat Grosses vor: Sie ist Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2017 – eine besondere Ehre im Jubiläumsjahr der Reformation. Die Theologin organisiert das grösste Kirchenfest Deutschlands mit über 2500 Veranstaltungen. Sie selbst wird nächsten Donnerstag ein Podiumsgespräch mit Ex-US-Präsident Obama und Kanzlerin Merkel führen. Wer ist die Frau, die so viel bewegt und dennoch in ihrer Heimat kaum bekannt ist?

 

 

Wie sich Gesellschaft und Religion vereinen lassen, ist eine der wesentlichen Herausforderungen unserer Zeit. Eine Thurgauerin beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Beziehung zwischen Glauben und Gesellschaft:
Christina Aus der Au, aufgewachsen in Märstetten und heute wohnhaft in Frauenfeld. Die 51-jährige Theologin setzt sich seit Beginn ihrer Karriere mit der Frage auseinander, wie Religion und Gesellschaft zusammenwirken. Ihr spezielles Anliegen ist es, theologische Fragen lebensnah zu diskutieren und den Glauben für die Gesellschaft relevant zu machen.
Genau dies ist auch die Forderung des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Seit 1949 macht er alle zwei Jahre für fünf Tage Halt in einer anderen deutschen Stadt – 2017 gastiert das Kirchenfest vom 24. bis 28. Mai in Berlin und in Wittenberg, wo Luther vor 500 Jahren als Reformator wirkte.
Wie kommt es, dass ausgerechnet eine Schweizerin den Kirchentag in diesem symbolhaften Jahr präsidiert? Laut Aus der Au habe man sie gerade darum gewählt, weil sie nicht lutherisch, sondern reformiert sei, wie sie dem «Tages-Anzeiger» in einem Interview verriet. Als reformierte Schweizerin stehe sie für die Vielfalt des evangelischen Glaubens – sie zeige, dass die Reformation eine internationale Bewegung sei und keine rein deutsche Angelegenheit.
Dass Aus der Au das ehrenvolle Amt zugesprochen wurde, liegt aber sicher auch an ihren akademischen Leistungen und an ihrem unermüdlichen Engagement für eine gelebte Kirche: Christina Aus der Au studierte Philosophie und Rhetorik in Tübingen, dann Theologie in Zürich. Sie ist Theologiedozentin an der Universität Basel, Dozentin für Medizinethik in Fribourg, sie sitzt im Ethikbeirat der «Schweizer Ärztezeitung» und im Verwaltungsrat der Alternativen Bank Schweiz. Als sei das nicht genug, ist ihr Hauptjob ein 50%-Pensum am Zentrum für Kirchenentwicklung der theologischen Fakultät Zürich, deren Geschäftsführerin sie ist. Auch hier ist ein zentraler Arbeitsbereich von Christina Aus der Au die Präsenz der Kirche in der Gesellschaft.
2007 wurde Aus der Au schliesslich als erste Schweizerin in das 25-köpfige Präsidium des Deutschen Kirchentags gewählt, vor vier Jahren dann in den leitenden Vorstand.
Mit der Wahl übernahm sie die Leitung des Kirchentags 2017, der diese Woche nun stattfindet. Erwartet werden rund 120`000 Besucherinnen und Besucher, die an Workshops, Konzerten, Gottesdiensten, Vorträgen und Podiumsdiskussionen zusammenkommen. Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Medien, Wissenschaft und Wirtschaft treffen auf Gläubige verschiedenster Herkunft. Und Christina Aus der Au? Die umtriebige Präsidentin wird sich mittendrin bewegen und mit den Mächtigen genauso wie mit unbekannten Menschen über Gott und die Welt sprechen. Aber auch nach dem Deutschen Kirchentag kehrt wohl keine Ruhe ein: Für 2022 plant Aus der Au bereits einen Europäischen Kirchentag, der vielleicht sogar in Zürich stattfinden könnte. (mw)